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Landräte schlagen Alarm: „Führt Ausreisepflichtige zurück!“

Lesezeit: 4 min
12.02.2023 00:10  Aktualisiert: 12.02.2023 00:10
Wie 2015 sind auch im letzten Jahr viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Viele Landkreise sind überfordert und schlagen gegenüber den DWN Alarm. Ein Landkreis hat einen Brandbrief an Bundeskanzler Scholz geschrieben.
Landräte schlagen Alarm: „Führt Ausreisepflichtige zurück!“
Ein teilweise stacheldrahtbewehrter Zaun umgibt das Gelände der Landeserstaufnahmeinrichtung (LEA) in Freiburg. (Foto: dpa)
Foto: Philipp von Ditfurth

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Deutschland hat schon 2015 eine schwierige Lage mit der Einwanderung vieler Flüchtlinge innerhalb kurzer Zeit erlebt. Seitdem wurde von Seiten der Politik wiederholt beschworen, dass es nicht eine Kopie der damaligen Probleme geben wird. Nun sieht vieles danach aus, dass es wieder Schwierigkeiten gibt und viele Landräte in einer prekären Lage sind.

Faesers Heimatkreis sendet Brandbrief an Scholz

Einer der Kreise, die besonders heftig betroffen sind, ist der Main-Taunus-Kreis. Wie es der Zufall so will, ist es ausgerechnet der Heimatkreis von Bundesinnenministerin Nancy Faeser. 8599 Flüchtlinge befinden sich im Main-Taunus-Kreis und die kleinste Gemeinde des Kreises hat 8700 Einwohner. Die Zahl verdeutlicht die Dramatik des Kreises und vor welchen Problemen man dort steht.

Die Verantwortlichen des Kreises sind inzwischen so weit gegangen, einen Brandbrief zu schreiben, weil sie an der Belastungsgrenze sind. So heißt es im Brandbrief über die Probleme: „Es fängt bei der Unterbringung an und geht bei der sozialen Betreuung, der Integration und beim Kindergarten- oder Schulbesuch weiter.“ An Bundeskanzler Scholz haben sie eine klare Forderung: „Steuern und begrenzen Sie den Zustrom an Flüchtlingen aktiv! Schauen Sie genau hin, wer unserer Hilfe bedarf und wer nicht! Führen Sie Menschen, die sich unrechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten, auch aktiv zurück, damit wir unsere Ressourcen für die einsetzen können, die wirklich unserer Hilfe bedürfen! Diesen Menschen mit großer Kraft und hohem Einsatz zu helfen, entspricht unserem Selbstverständnis und unserem Wertekompass.“

Landräte in Bayern fordern mehr Unterstützung

Ein weiterer Kreis, der mit großen Problemen kämpft, befindet sich in Bayern, der Landkreis Regen Arberland. Landrätin Rita Röhrl (SPD) erklärt gegenüber DWN, warum sie sich allein gelassen fühlt: „Wir als Landkreis fühlen uns von der Bundesregierung im Stich gelassen. Denn wenn es scheinbar unmöglich ist, Menschen wieder zurückzuführen, die definitiv keinen Anspruch auf Asyl haben, sind Probleme unvermeidbar. Der Rechtsweg wird von nahezu allen abgelehnten Asylberechtigten beschritten. Die Verfahrenswege dauern viel zu lange und damit werden Plätze belegt, die anderweitig dringend benötigt werden.“

Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen in Oberbayern befinden sich derzeit 1900 Flüchtlinge. Landrat Peter von der Grün (Freie Wähler) zufolge gibt es bezüglich der Unterbringung große Unterschiede zu 2015. Man hätte damals mehrere große Unterkünfte zur Verfügung gehabt, die mit wesentlich weniger Aufwand betreut werden konnten. Die heutigen Unterkünfte seien allerdings für eine längere Unterbringung besser geeignet.

Wie seine Kollegen im Main-Taunus-Kreis und wie Rita Röhl schlägt auch er Alarm und fordert ein Handeln der Bundesregierung: „In finanzieller und personeller Hinsicht ist mehr Unterstützung nötig! Außerdem ist eine bessere Verteilung der Asylbewerber/Kriegsflüchtlinge in Deutschland und Europa notwendig. Die Lage der Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten auf kommunaler Ebene ist am Limit und droht nicht mehr beherrschbar zu werden. Es steht faktisch kein Wohnraum für die Asylbewerber zur Verfügung.“ Durch die Überforderung was die Kapazitäten angeht, würde auch die nötige Zeit fehlen, um sich um die traumatisierten Menschen psychologisch zu kümmern. Diese Strukturen würden genauso fehlen wie nötige Sprachkurse.

Landrat von Görlitz erwartet Verstärkung gegen Schlepper

Dr. Stephan Meyer (CDU) Landrat im Landkreis Görlitz erklärt im Gespräch mit DWN, dass in seinem Landkreis die Bereitschaft groß sei, allerdings hätten die Menschen mit hohen Lebenskosten zu kämpfen und die Stimmung drohe zu kippen: „Die Menschen im Landkreis Görlitz sind grundsätzlich hilfsbereit und es gibt nach wie vor ein großes zivilgesellschaftliches Engagement zur Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine. Angesicht der gegenwärtigen Kostenanstiege bei Energie und Lebenshaltung droht diese Unterstützung allerdings zu bröckeln. Deshalb ist die Entlastung für die Bevölkerung in diesen Bereichen und die strikte Durchsetzung von Recht und Ordnung in Bezug auf illegale Migration immens wichtig für den gesellschaftlichen Frieden.“

Meyer hat sehr klare Erwartungen an Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Er erwarte von der Ministerin, dass sie die Bundespolizei im Landkreis Görlitz verstärke, um insbesondere Schleppern bei illegalen Grenzübertritten das Handwerk zu legen und die Landespolizei bei der Schleierfahndung zu unterstützen. Man erwarte ebenso eine Unterstützung bei den Übernahmen der Krankheitskosten, die sich über das SGB XII ergeben.

Auch Meyers sächsischer Kollege aus Bautzen, Udo Witschas (CDU) kämpft mit Problemen. Die aktuelle Situation empfindet er im Landkreis Bautzen verglichen mit 2015 ähnlich schwierig: „Die Situation ist ebenso schwierig wie 2015, da bereits die Unterbringung von sehr vielen Ukrainern geleistet wurde. Zudem stehen einige Immobilien nicht mehr zur Verfügung. Daher werden wir vor allem durch Verdichtung in bestehenden Einrichtungen und über Einrichtungen der Notunterbringung die Menschen unterbringen. Zudem erfolgt die Akquise räumlicher Ressourcen für dezentrale Wohnprojekte.“

In Witschas Augen könnte bezüglich der Unterstützung durch die Bundesregierung vieles besser laufen. Die Kosten für die Vorhaltung von Unterkünften sollten für sein Empfinden durch den Bund finanziert werden. Zudem müssten Maßnahmen ergriffen werden, um die Zahl derer, die nach Deutschland kommen, zu reduzieren. Auch das Thema Abschiebungen sei aus seiner Sicht nicht ausreichend durchgesetzt, verdeutlicht er gegenüber DWN.

In Teltow-Fläming gibt es Unterschiede zu 2015

Landrätin Kornelia Wehlan (Die Linke) vom Landkreis Teltow Fläming in Brandenburg erklärt gegenüber DWN, dass ihr Kreis aktuell nicht mit Überforderungen zu kämpfen habe. Ein Grund dafür, dass man die Situation gut meistert, ist, dass etwa 90 Prozent aller geflüchteten Ukrainer und Ukrainerinnen privat untergebracht sind. Auch sonst gibt es nicht viele Ähnlichkeiten mit der Situation, die der Kreis 2015 durchmachte, sagt Wehlan: „Die Registrierung und Versorgung der Ukraine-Flüchtlinge war zwar temporär ähnlich herausfordernd wie die Situation 2015, dennoch ist es nicht vergleichbar. Ausländerbehörde und Sozialamt wurden durch zusätzliches Personal der Kreisverwaltung verstärkt. In Sachen Unterbringung gab es eine große Welle der Hilfsbereitschaft „von außen“ – also aus dem privaten und kommunalen Bereich bis hin zu Unternehmen. Deshalb war der Landkreis nicht in dem Maße wie 2015 gefordert, Notunterkünfte kurzfristig zu ertüchtigen. Außerdem haben sich im Landkreis seit 2015 zahlreiche Netzwerke der Unterstützung gebildet, auf die jetzt zurückgegriffen werden kann.“

Das Problem mit der Überforderung ist schon länger da. Bereits vor einem Monat riefen Landräte in einem Bericht der Bild um Unterstützung der Bundesregierung. Der Landrat Olaf Gericke (CDU) aus dem Landkreis Warendorf in Nordrhein-Westfalen erklärte damals, dass sein Landkreis am Limit sei und man Turnhallen räumen müsste, um sie als Flüchtlingsunterkünfte zu nutzen. Gericke wies darauf hin, dass ihm deutliche Unterstützung aus Berlin fehlt: „Von der Bundesregierung kommt zu viel missionarisches Sendungsbewusstsein und zu wenig praktische Hilfe.“

Am Sonntag den 5. Februar 2023 gab Bundesinnenministerin Nancy Faeser in einem Interview in der ZDF-Sendung Berlin Direkt bekannt, dass sie zu einem Migrationsgipfel einlädt. Sie kündigte an noch diese Woche Einladungen an die Vertreter der Kommunen zu schicken. Die Reaktion erfolgt auf die seit Wochen aufkommenden vielen Hilferufe aus den Kommunen. Faeser erklärte: „Ich glaube wir müssen in einer gemeinsamen Kraftanstrengung alles unternehmen, die Kommunen zu entlasten.“ Es bleibt abzuwarten, ob nun wirklich etwas gegen die Überforderung der Landkreise getan wird, oder ob es sich erneut um leere Worte aus der Bundespolitik handelt.


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