Politik

Bundesregierung drückt umstrittene Wahlrechtsreform durch

Lesezeit: 2 min
17.03.2023 11:55  Aktualisiert: 17.03.2023 11:55
Mit ihrer Stimmenmehrheit hat die Bundesregierung die äußerst umstrittene Reform des Wahlrechts druchgedrückt.
Bundesregierung drückt umstrittene Wahlrechtsreform durch
Der Bundesadler im Bundestag. (Foto: dpa)
Foto: Rolf Vennenbernd

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Der Bundestag hat nach jahrelangem Streit eine Wahlrechtsreform beschlossen, die das Parlament verkleinern und dauerhaft auf 630 Abgeordnete begrenzen soll. Ein Entwurf von SPD, Grünen und FDP erreichte am Freitag in Berlin die erforderliche einfache Mehrheit. 400 Abgeordnete stimmten für die Reform. Wie die stellvertretende Bundestagspräsidentin Aydan Özoguz mitteilte, stimmten 261 Abgeordnete gegen den Gesetzentwurf. 23 Parlamentarier enthielten sich.

Die Union und die Linkspartei sehen sich durch die Reform benachteiligt. Sie kündigten jeweils eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an.

Reform zum eigenen Machterhalt?

Politiker der Opposition warfen den Ampel-Fraktionen in der abschließenden Debatte zur geplanten Verkleinerung des Bundestages vor, sie hätten sich ein Wahlrecht zum eigenen Machterhalt maßgeschneidert. Sebastian Hartmann (SPD) hingegen behauptete, Ziel des Vorhabens sei «ein einfaches, nachvollziehbares Wahlrecht».

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, der Plan ziele darauf ab, die Linke aus dem Parlament zu drängen und «das Existenzrecht der CSU» infrage zu stellen. «Sie machen hier eine Reform für sich selbst», um den «Machtanspruch der Ampel» zu zementieren, warf er Hartmann vor.

Mit der Reform soll der auf 736 Abgeordnete angewachsene Bundestag ab der nächsten Wahl dauerhaft auf 630 Mandate verkleinert werden. Erreicht werden soll die Verkleinerung, indem auf Überhang- und Ausgleichsmandate ganz verzichtet wird. Diese sorgten bislang für eine Aufblähung des Bundestages. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über Direktmandate mehr Sitze im Bundestag erringt als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustünden. Sie darf diese Sitze behalten. Die anderen Parteien erhalten dafür Ausgleichsmandate. Nach den neuen Regeln könnte es künftig vorkommen, dass ein Bewerber seinen Wahlkreis zwar direkt gewinnt, aber trotzdem nicht in den Bundestag einzieht. Das erzürnt vor allem die CSU.

Zudem soll eine strikte Fünf-Prozent-Klausel gelten. Die sogenannte Grundmandatsklausel entfällt. Sie sorgt bisher dafür, dass Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einzogen, wenn sie unter fünf Prozent lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. Davon profitierte 2021 die Linkspartei. Wird die Klausel gestrichen, könnte das, je nach Wahlergebnis, künftig auch Konsequenzen für die CSU haben, deren Direktkandidaten in Bayern traditionell die meisten Wahlkreise gewinnen.

«Ich wusste nicht, dass die CSU die Fünf-Prozent-Hürde fürchtet», bemerkte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, süffisant. Um dieses Risiko zu minimieren, könnten CDU und CSU bei Wahlen künftig als Parteienverbund antreten oder eine Liste eingehen.

Ursprünglich wollte die Ampel das Parlament sogar wieder auf die Sollgröße von 598 Abgeordneten reduzieren. Nachdem die Union diesen Vorschlag von SPD, Grünen und FDP abgelehnt hatte, der die Streichung der Grundmandatsklausel noch nicht vorsah, präsentierte die Ampel die neue Variante. Das sei das Werk der SPD, die sich davon einen Vorteil erhoffe, nach dem Motto «erst die Partei, dann das öffentliche Wohl», sagte Albrecht Glaser (AfD).

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, warf der Ampel «Arroganz» vor. Sie habe die Änderung kurz vor der Abstimmung einfach so «hingerotzt». Während seiner Rede applaudierten mehrere Abgeordnete der Union. «Ihnen geht es doch vor allem darum, als SPD eine linke Kritik auszuschalten», schimpfte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Gesine Lötzsch. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte, das Problem der Linken sei nicht das Wahlrecht, sondern ihre internen Auseinandersetzungen, vor allem mit der Abgeordneten Sahra Wagenknecht.

Eine Bitte des Unionsfraktionsvorsitzenden Friedrich Merz (CDU), die Abstimmung um zwei Wochen zu verschieben, da die kurzfristig vorgelegten Änderungen erheblich seien und viel Beratungsbedarf ausgelöst hätten, wies SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zurück.

Der Bundesrat muss sich auch noch mit dem Gesetzentwurf befassen, kann ihn aber nicht aufhalten.


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