Politik

Der deutsche Wohnungsbau schmiert ab

Der Abschwung im Wohnungsbau verschärft sich beträchtlich. Eine der wichtigsten Ursachen für die Krise wird medial komplett ausgeblendet.
20.04.2023 09:00
Aktualisiert: 20.04.2023 09:28
Lesezeit: 3 min

Die Krise im deutschen Wohnungsbau hat sich dem Ifo-Institut zufolge beschleunigt. Demnach meldet eine zunehmende Zahl von Bauunternehmen stornierte Aufträge, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Donnerstag berichtete.

Im März waren es der monatlichen Ifo-Umfrage in der Baubranche zufolge 16 Prozent der Firmen, deren Kunden bereits erteilte Aufträge wieder zurücknahmen. Im Februar hatte dieser Anteil noch bei 14,3 Prozent gelegen, im Januar bei 13,6 Prozent.

„Die Situation im Wohnungsbau spitzt sich weiter zu“, wird der Ökonom Felix Leiss von der Nachrichtenagentur dpa zitiert. Der monatliche Index der Geschäftserwartungen in der Baubranche stieg zwar von minus 64,5 auf minus 56, ist aber immer noch negativ.

Noch verfügen laut Ifo viele Unternehmen über gut gefüllte Auftragsbücher, dies werde die Lücke bei den Neuaufträgen aber nicht ewig füllen können. „Die Krise scheint für viele Betriebe unausweichlich“, sagte Leiss.

Verschwiegene Ursache Klima-Vorgaben

Bemerkenswert ist, dass die Krise der Baubranche medial vor allem den steigenden Zinsen und dem Anstieg der Materialkosten angelastet wird.

„Infolge der rasant gestiegenen Baukosten und der höheren Finanzierungszinsen rentieren sich viele Wohnungsbauprojekte nicht mehr, werden verschoben oder ganz gestrichen. Das Neugeschäft bricht förmlich ein“, sagte Leiss. Die Zukunftssorgen in der Branche seien groß.

Ins gleiche Horn blies Bauministerin Klara Geywitz (SPD). „Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns natürlich mit massiven Steigerungen der Energiekosten konfrontiert und auch die Bau- und Finanzierungskosten sind im Zuge der allgemeinen Inflation stark gestiegen und gleichzeitig sind die Realeinkommen gesunken“, sagte sie am Donnerstag auf dem Wohnungsbautag in Berlin

Bemerkenswert ist, dass der vielleicht wichtigste Grund für die Krise in den Medien so gut wie nie genannt wird, nämlich, dass eine wachsende Zahl an Klima-Vorgaben und Sondersteuern den Wohnungsbau derart verkompliziert und verteuert, dass potenzielle Bauherren abgeschreckt werden.

Lesen Sie dazu: Der wahre Grund für den Abschwung in der Baubranche

Zu diesen Klima-Vorgaben gehört das eben von der Bundesregierung beschlossene Verbot von Öl- und Gasheizungen bei Neubauten genauso wie staatlich verordnete Dämmpflichten als Teil des weitaus größeren Gesetzwerkes namens Gebäude-Energien-Gesetz (GEG), die CO2-Sondersteuer auf fossile Energieträger sowie der von der Politik vorgeschriebene Erwerb von CO2-Zertifikaten, deren Preis unablässig steigt.

Kurzum: inzwischen herrscht wegen immer neuer Regularien und Klima-Vorschriften so viel Unsicherheit, dass sich Bauen in Deutschland angesichts des damit verbindenen finanziellen Risikos nicht mehr lohnt.

Verbände rufen nach Milliarden-Subventionen

Nicht nur Forschungsinstitute wie das Ifo, sondern auch die großen Wohnungsbauverbände sehen den Neubau in Deutschland vor dem Kollaps. Kein Dämpfer und auch keine Talfahrt - von einem Absturz war die Rede beim Wohnungsbautag am Donnerstag in Berlin. Die in der Bau- und Immobilienbranche führenden sieben Organisationen und Verbände richteten eine klare Forderung an Bund und Länder: Der Staat müsse seine Fördergelder für den Wohnungsbau deutlich aufstocken. Bauministerin Klara Geywitz kann da wenig versprechen - doch sie erwartet trotzdem eine positive Entwicklung.

Nach Angaben der Verbände wären bis 2025 rund 50 Milliarden Euro notwendig, um 100 000 Sozialwohnungen pro Jahr bauen zu können. Die Ampelparteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag den Bau von 400 000 Wohnungen, davon 100 000 Sozialwohnungen verankert. Ähnlich wie bei der Bundeswehr sollte auch der Bauwirtschaft das Geld als Sondervermögen zur Verfügung gestellt werden, forderten die Verbände. Geywitz betonte, dabei handele es sich letztlich um Schulden - und die Verschuldungsmöglichkeiten des Staates seien begrenzt.

Die Bundesbauministerin hat bereits eingeräumt, dass das Neubauziel 2023 nicht eingehalten wird. Trotz akuten Wohnungsmangels gingen die Baugenehmigungen bereits im vergangenen Jahr um 6,9 Prozent auf 354 400 zurück. Es drohe gar ein Absturz auf nur rund 200 000 neue Wohnungen bis zum Jahr 2024, warnten die Verbände.

Sie forderten auch einen veränderten Umgang mit dem Überhang bereits genehmigter Wohnungen. Der Bau von rund 900 000 Einheiten sei in Deutschland bereits genehmigt - bei rund 40 Prozent davon habe aber noch nicht einmal der Rohbau begonnen. Hier wollen die Verbände, dass mit attraktiven Anreizen wie finanziellen Zuschüssen oder reduzierten Auflagen nachgeholfen wird. Sonst bestehe die Gefahr, dass viele Wohnungen überhaupt nicht gebaut würden, warnten sie. Zudem müsse über eine Aufstockung von bereits bestehendem Wohnraum oder Supermärkten und niedrigere Standards beim Bau nachgedacht werden. Eine „Weiter-so-Politik“ werde zum Abbau von Baukapazitäten führen.

Der Wohnungsneubau stecke in einer absoluten Ausnahmesituation, sagte Dietmar Walberg vom Bauforschungs-Institut ARGE (Kiel). Für Menschen, die dringend eine Wohnung benötigen, scheine keine Besserung in Sicht. Ein Einbruch beim Wohnungsbau aber werde nicht nur fatale Folgen für die Bevölkerung mit sich bringen, sondern auch für die Volkswirtschaft, warnten die Verbände. „Der Wohnungsbau ist ein starker Motor der Binnenkonjunktur - vor allem in der Krise.“ An der gesamten Wertschöpfungskette hingen mehr als drei Millionen Arbeitsplätze.

 

DWN
Politik
Politik Landtagswahlen Baden-Württemberg 2026: AfD liegt vor den Grünen – eine Partei gewinnt noch mehr
09.05.2025

Die AfD überholt erstmals laut Insa-Umfrage die grüne Partei in Baden-Württemberg, die seit 13 Jahren regiert und die größte...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Kunstmarkt: Familienangelegenheiten im Auktionshaus Lempertz - und was Unternehmer davon lernen können
09.05.2025

Lempertz in Köln ist das älteste Auktionshaus der Welt in Familienbesitz. Isabel Apiarius-Hanstein leitet es in sechster Generation. Erst...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung – Ghettobildung nimmt zu
09.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie auf Rekordkurs nach starkem Quartalsgewinn – und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag zugelegt – und im Handelsverlauf ein neues Jahreshoch erreicht. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU schlägt zurück: Diese US-Produkte stehen nun im Visier von Brüssel
09.05.2025

Die Europäische Kommission hat eine umfassende Liste von US-Produkten veröffentlicht, auf die im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Daimler-Sparprogramm: Was plant Daimler Truck in Deutschland?
09.05.2025

Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck strebt an, seine Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhöhen und hat sich mit dem...

DWN
Panorama
Panorama Endlos-Hitze droht im Sommer: Wetterextreme betreffen jüngere Generationen erheblich stärker
09.05.2025

Endlos-Hitze droht im Sommer - diese Schlagzeile geistert an diesem Freitag durch die Medien. Klar ist, dass die Folgen der globalen...

DWN
Technologie
Technologie Datenfalle USA: Warum viele Unternehmen in Gefahr sind - ohne es zu merken
09.05.2025

Viele Unternehmen übertragen täglich Daten in die USA – und merken nicht, dass sie damit in eine rechtliche Falle tappen könnten. Das...