Politik

„Anti-Weltbank“ leitet schrittweise Abkehr vom Dollar ein

Die systematische Abkehr von der Weltleitwährung Dollar nimmt in kleinen Schritten an Fahrt auf.
28.04.2023 12:16
Aktualisiert: 28.04.2023 12:16
Lesezeit: 3 min
„Anti-Weltbank“ leitet schrittweise Abkehr vom Dollar ein
Die Abkehr vom Dollar nimmt an Fahrt auf. (Foto: dpa) Foto: Marius Becker

Die Entwicklungsbank der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) hat eine schrittweise Abkehr vom US-Dollar angekündigt.

Wie die Chefin der New Development Bank (NDB), die ehemalige brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, im Gespräch mit dem chinesischen Sender CGTN sagte, würde die NDB in einem ersten Schritt im Zeitraum zwischen 2022 und 2026 30 Prozent ihrer Kredite nicht mehr in Dollar, sondern in den Währungen der BRICS-Mitgliedsländer vergeben.

Die NDB wurde 2014 initiiert und gilt in ihrer Funktion als Finanzierungsvehikel für große Infrastrukturmaßnahmen als Gegenstück der BRICS-Staaten zur westlich kontrollierten Weltbank. China hatte den größten Teil des ursprünglichen Stammkapitals beigesteuert, der Sitz der Bank befindet sich in Schanghai.

Vorreiter Brasilien

„Es ist notwendig, Wege zu finden, um Wechselkursrisiken und andere Probleme zu vermeiden, wie beispielsweise von einer einzigen Währung wie dem Dollar abhängig zu sein“, zitiert Geopolitical Economy Rousseff.

„Die gute Nachricht ist, dass viele Länder sich dafür entscheiden, den Handelsverkehr in ihren eigenen Währungen abzuwickeln. China und Brasilien beispielsweise sind darin übereingekommen, den Renminbi und den brasilianischen Real zu verwenden.“

Mit Blick auf die Vorgabe, 30 Prozent der Kredite künftig in eigenen Währungen zu vergeben, sagte Rousseff: „Das wird extrem wichtig sein, um Wechselkursrisiken und Finanzierungsengpässe zu vermeiden, die langfristige Investitionen behindern.“

Brasiliens Staatspräsident Luiz Inacio Lula da Silva sagte kürzlich während eines Besuchs in China, dass er nicht verstehe, warum alle Länder der Welt ihre Geschäfte in Dollar und nicht in eigenen Währungen tätigen sollten.

Geld- und Geopolitik

Hinter der schrittweisen Abkehr der NDB vom Dollar stecken finanzpolitische und geopolitische Überlegungen.

Die von Rousseff genannten Wechselkursrisiken beziehen sich auf die Aufwertung des Dollar gegenüber vielen Währungen ärmerer Staaten, welche von der geldpolitischen Wende der US-Zentralbank Federal Reserve System ausgelöst wurden. Ein starker Dollar und die damit spiegelbildlich einhergehende Abwertung der Landeswährungen verteuert Importe, die jene Länder bislang vornehmlich in Dollar bezahlt haben.

Zum anderen haben die Leitzinsanhebungen der US-Zentralbank dazu geführt, dass Großinvestoren verstärkt Kapital aus Schwellenländern abziehen und im Dollar-Währungsraum reinvestieren, wo nun höhere Renditen locken. In einigen Fällen hat dies zu einer Dollar-Knappheit geführt.

Die geopolitischen Motive hinter der Dollar-Abkehr beziehen sich auf die zunehmende Instrumentalisierung der US-Währung durch die US-Regierung zur Durchsetzung politischer Interessen. Die Verwendung des Dollar ermöglicht es den USA, Marktteilnehmer aus den dominanten Zahlungsabwicklungssystemen auszuschließen.

Besonders deutlich wurden die geopolitischen Risiken einer zu starken Abhängigkeit vom Dollar nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine, als russische Banken von Washington aus dem SWIFT-Finanzkommunikationssystem ausgeschlossen und russische Vermögenswerte im Umfang von rund 300 Milliarden US-Dollar eingefroren wurden.

Argentinien modifiziert den Außenhandel

Seit Ausbruch des Krieges versuchen mehrere Länder, ihr Exposure gegenüber dem Dollar zu verringern. Zuletzt hatte die argentinische Regierung angekündigt, den größten Teil des Handels mit China in chinesischen Renminbi anstatt in Dollar abzuwickeln.

Buenos Aires begründet diesen Schritt mit einer Knappheit an verfügbaren Dollar im Land, tatsächlich dürften aber auch die oben angesprochenen politischen Risiken eine Rolle dabei spielen.

Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert aus einer Bekanntmachung der Regierung, wonach im April chinesische Einfuhren im Wert von rund einer Milliarden Dollar in Renminbi und nicht mehr in Dollar bezahlt werden sollen. In den Folgemonaten sollten demnach Importe im Gesamtwert von jeweils 790 Millionen Dollar in chinesischer Währung abgerechnet werden.

Im vergangenen November hatte Buenos Aires ein Währungstauschabkommen mit China um umgerechnet 5 Milliarden Dollar ausgeweitet, um den Handelsverkehr in eigenen Währungen zu erleichtern.

Argentinien leidet seit Jahren an einer schweren Wirtschafts- und Währungskrise. Der Peso wertete im Zuge der Umwälzungen um rund 99 Prozent zum Dollar ab.

Argentinien bemüht sich ebenso wie der Iran und Algerien derzeit um einen Beitritt zum BRICS-Block. Auch der Türkei und Saudi-Arabien werden ähnliche Ambitionen nachgesagt. Die New Development Bank wiederum wird neben den BRICS-Ländern auch von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Bangladesch getragen.

Fazit

Das BRICS-Format bildet eine vom Westen unabhängige, alternative Plattform für die politische, wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung der Entwicklungsländer, tritt aber nicht als geschlossene Einheit auf, weil die Mitgliedsstaaten nationale Interessen verfolgen. Zudem herrschen zwischen den beiden größten Mitgliedern China und Indien gewisse territoriale Spannungen.

„Abseits ihrer ökonomischen Signifikanz hat die Herausforderung durch BRICS eine strategische Signifikanz. Im Kontext einer sogenannten neuen Weltordnung, die aus einem Friedensprozess nach Ende des Ukraine-Krieges entstehen könnte, stellt sie im Wirtschaftsbereich eine Herausforderung gegen die Hegemonie der USA und Europas dar. (…) Aber auf politischer und strategischer Ebene, abgesehen von dem offensichtlichen Ungleichgewicht zwischen der dominanten Kraft China und den anderen Ländern, haben die fünf Staaten wenig gemeinsam: vom Regierungssystem über geopolitische Interessen bis hin zu Konzepten wie Demokratie und Menschenrechte. Aber Chinas Initiative ist mehr als nur eine Provokation – sie repräsentiert den Versuch, der Protagonist und Anführer einer Alternative zur säkularen Hegemonie des Westens und seiner Verbündeten zu sein“, schreibt Atlas of Wars.

Der US-Dollar wird auf absehbare Zeit trotz der Absatzbewegungen mehrerer Länder die dominante Reserve- und Handelswährung der Welt bleiben, weil keine stabile Alternative in Sicht ist. Die schrittweise Abkehr der NDB und Argentiniens von der Weltleitwährung unterstreicht jedoch einen Trend, der sich inzwischen auch in der Zusammenstellung der Reservewährungen weltweit ablesen lässt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Zölle auf Kleinsendungen: Neue Abgabe trifft Online-Bestellungen aus Drittstaaten
21.12.2025

Der Online-Handel mit günstigen Waren aus Drittstaaten wächst rasant und stellt den europäischen Binnenmarkt vor strukturelle...

DWN
Finanzen
Finanzen Topanalyst enthüllt: Das sind die attraktivsten Rüstungsaktien
21.12.2025

Die globale Sicherheitslage wandelt sich rasant, und die Verteidigungsindustrie gewinnt an Bedeutung für Regierungen und Kapitalmärkte....