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Jetzt sollen die Banken Geldbunker anlegen wie Dagobert Duck

Lesezeit: 7 min
20.05.2023 08:28  Aktualisiert: 20.05.2023 08:28
Die Bankenaufsicht schadet mehr, als sie nutzt, wie etwa das Verschwinden der Bankfilialen zeigt. Und nun starten die Aufsichtsbehörden eine neue Attacke auf die Branche. Das könnte die Bankenkrise noch verschärfen.
Jetzt sollen die Banken Geldbunker anlegen wie Dagobert Duck
Traditionell sind Einlagen von Kunden eine stabile Basis für das Bankgeschäft. Doch in einer Krisensituation kann das zur Katastrophe führen. (Foto: dpa)
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Seit der Finanzkrise 2008 erweist sich die Bankenaufsicht als Feuerwehr, die einen Löschschaden produziert, der größer ist als der ursprüngliche Brandschaden. Das äußere Zeichen des Schadens ist am Verschwinden der Bankfilialen aus dem Straßenbild zu erkennen. Die Entwicklung ist nicht erstaunlich, schließlich können die Institute unter dem Druck der Vorschriften ihr Geschäft nur sehr eingeschränkt betreiben und brauchen daher auch kaum noch Lokale, in denen sie Kunden betreuen. Jetzt reift in den Büros der Aufsicht auf europäischer wie nationaler Ebene der Plan für eine neue Attacke auf den Kreditapparat. Die Bankenzusammenbrüche in den USA haben gezeigt, dass Banken heute innerhalb weniger Stunden ruiniert werden können. Der Abzug von Einlagen findet über das Internet-Banking statt. Kommt ein Gerücht auf, wonach eine Bank schwächelt, setzen sich die Kunden an den Computer und überweisen ihre Einlagen an andere Institute oder sonstige Adressaten. Die derzeitige Regulierung stellt auf historische Erfahrungen ab und geht noch davon aus, dass eine Welle von Abhebungen sich über 30 Tage verteilt. Diese Periode ist unter den modernen technischen Bedingungen illusorisch.

Die banale Fristentransformation wird in der Krise zur Falle

Traditionell sind Einlagen von Kunden eine stabile Basis für das Bankgeschäft, weil die Mittel lange zur Verfügung stehen, auch wenn keine Bindungen vereinbart werden. Man kann also diese Gelder für die Vergabe von Krediten und sonstigen Finanzierungen verwenden, die länger gebunden sind. Es findet folglich eine Fristentransformation statt, die im Normalbetrieb problemlos ist, in einer Krisensituation zur Katastrophe wird. Die ausgegebenen Kredite können nicht prompt zurückgeholt werden, die Einlagen müssen aber sofort ausgezahlt werden. In den aktuell unruhigen Zeiten sollen also die Banken eine Regelung bekommen, die weit über die derzeit geltende 30-Tage-Bestimmung hinausgeht.

Geld, das im Tresor liegt, arbeitet nicht und bringt keine Zinsen

Die Angst vor einer neuen Krise ist verständlich, schließlich sind nicht nur drei in Europa kaum bekannte US-Banken gekracht, in der so sicheren Schweiz musste die Großbank Credit Suisse aufgefangen werden. Doch was bedeutet die sich abzeichnende Initiative der Bankenaufsicht in der Praxis: Die Institute müssen einen immer größeren Teil der Einlagen in der tatsächlichen Kassa oder jedenfalls in der Computerkassa haben, um für eine plötzliche Attacke gerüstet zu sein. Geld, das in der Kassa liegt, kann nicht für Finanzierungen verwendet werden, nützt also nicht der Wirtschaft, bringt keine Zinsen, weder für die Bank noch für die Einleger. Eine hohe Liquidität der Banken kommt also einer Geldvernichtung gleich. Um die Geldvernichtung in einer möglichen Krise zu vermeiden, soll nun die Geldvernichtung im Vornherein erfolgen.

Die Einlagensicherungssysteme sind bei einer allgemeinen Bankenkrise überfordert, wobei daran zu erinnern ist, dass diese Einrichtungen ohnehin nie alle Kundengelder zur Gänze garantieren. Der Staat würde vermutlich, wie bereits in der Vergangenheit, helfen, doch ist man bei der Schaffung der strengen Bankenregulierung davon ausgegangen, dass der Staat und somit die Steuerzahler nie wieder für die Rettung einer Bank zur Kassa gebeten werden. Um dieses Ziel doch noch zu erreichen, sollen die Banken in großem Stil zu lahmen Geldaufbewahrungsstellen degradiert werden.

Das Geschäft der Banken besteht in der Übernahme von Risiken

Die krause Logik entspricht der seit 2008 betriebenen Politik. Alle Maßnahmen standen und stehen unter einem Motto: Die Risiken der Banken müssen so gering wie möglich sein. Dieser Grundsatz ist schon für sich eine Absurdität. Die Aufgabe der Banken besteht in der Übernahme von Risiken. Wenn man diese Rolle in Frage stellt, stellt man die Banken selbst in Frage und die Folge war und ist die Reduktion der Bankdienstleistungen, wodurch die europäische Wirtschaft gebremst wurde und immer noch gebremst wird. Eine Kernaufgabe der Banken besteht im Management der Risiken. Diese Aufgabe kann nicht mehr erfüllt werden, weil die Beamten der Aufsichtsbehörden von der Politik die Aufgabe und die Pflicht bekommen haben, überall einzugreifen und daher als Ober-Banker agieren.

Die Fehleinschätzung der Rolle des Eigenkapitals in der Krise

Das zentrale Element der Bankenpolitik besteht in der Betonung des Eigenkapitals. Man ging und geht von der Überlegung aus, dass viel Eigenkapital die Banken sicher macht und sie in die Lage versetzt, Krisen ohne Hilfe von außen zu überstehen. Diese Annahme ist ein Denkfehler, der aus der Fehleinschätzung des Eigenkapitals einer modernen Bank besteht.

  • Im praktischen Alltag ist das Eigenkapital eine Geldquelle wie eine Kundeneinlage und wird für die Finanzierung von Veranlagungen verwendet. Eigenkapital ist also kein Schatz, der in einer Kiste aufbewahrt wird, die im Ernstfall geöffnet werden kann. Im Augenblick der Krise, wenn die Einleger am Computer Abhebungen vornehmen oder an den Türen der verbliebenen Filialen toben, nützt das Eigenkapital nichts.

  • Eine moderne Bank ist kein mittelalterlicher Bankier, der sein eigenes Geld verborgt und in der Krise nur dieses eigene Geld verliert.

  • Eine moderne Bank arbeitet mit dem Geld von Anlegern. Große Banken haben tausende Aktionäre, kleine Banken sind vielfach Genossenschaften mit zahlreichen Mitgliedern. Keine Regierung kann diesen Umstand ignorieren und sich auf den Standpunkt stellen, die Kleinanleger mögen als Kapitalisten ihre Verluste selber tragen.

Die Sanierung oder Schließung einer Bank dauert sehr lange

Somit zeigt ein Blick in den banalen Alltag des Bankgeschäfts, dass man das Eigenkapital nicht überschätzen darf und dieses Instrument kein Wundermittel zur Verhinderung von Krisen ist.

  • Die Banken haben in der Regel ein Eigenkapital, das etwa 10 Prozent der Verpflichtungen deckt, die Spitzenwerte liegen bei 13 Prozent. Somit sind stets an die 90 Prozent nicht durch Eigenkapital abgesichert.

  • Wo und in welcher Weise wirkt also Eigenkapital tatsächlich? Eigenkapital hat gegenüber den Kundeneinlagen den enormen Vorteil, dass es nicht einfach abgehoben werden kann, sondern auf Dauer zur Verfügung steht. Verluste verringern das Eigenkapital. Solange die Reserven reichen, müssen die Aktionäre, Genossenschafter, Einleger, die Einlagensicherung oder der Staat nicht zur Hilfe gerufen werden.

  • Unterschreitet das Eigenkapital bestimmte Grenzen, lässt die Bankenaufsicht die Alarmglocken läuten. Dann beginnen Versuche, die Bank mit frischem Eigenkapital zu versorgen, doch sind Anleger kaum bereit, einer Krisenbank Geld zu geben. Eine Fusion wird probiert. Wenn alles nichts nützt, wird das Institut „abgewickelt“. Aus dem verbleibenden Vermögen werden nach Möglichkeit die Einleger entschädigt und in glücklichen Fällen bekommen auch noch die Aktionäre eine vermutlich nur bescheidene Auszahlung.

  • Alle diese Prozeduren dauern lange und ergeben keine Krisenfeuerwehr. Sie tragen nur beschränkt zur Beruhigung der Öffentlichkeit bei. Bei einer allgemeinen Unruhe werden auch die Einleger anderer Banken nervös und beginnen ihr Geld abzuholen. Wenn man allen misstraut, wird plötzlich Bargeld attraktiv, das man zu Hause verstecken kann.

Kurzum: Eigenkapital ist kein Wundermittel gegen Krisen. Diese Erkenntnis setzt sich nun bei den Gestaltern der Bankenaufsicht durch und so soll der Denkfehler bei der Forcierung des Eigenkapitals korrigiert werden und die Liquidität zum Allheilmittel aufgewertet werden – mit den schon vorweg erkennbaren, weiteren schlimmen Folgen.

Das aktive Geschäft der Finanzierungen braucht eine praxisnahe Regulierung

Man soll die technischen Begriffe nicht über Gebühr strapazieren, aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass Eigenkapital ein „Passivum“ ist und die rechte Seite der Bilanz ziert. Das tatsächliche Geschehen findet auf der „Aktivseite“ seinen Niederschlag, wo auch das Bargeld ausgewiesen wird. In der Aktivität, in den Finanzierungen kommt es neben Gewinnen unweigerlich auch zu Verlusten und in diesem Bereich müsste die Bankenaufsicht mit klugen Maßnahmen ansetzen.

Genau das geschah in den vergangenen fünfzehn Jahren nicht. In das Aktivgeschäft wurde mit den bereits angesprochenen, zahllosen Regulierungen eingegriffen. Die Maßnahmen kamen einer Entmündigung der Kreditreferenten und Wertpapierexperten gleich, die sich den Vorstellungen der Aufsicht zu beugen hatten. Im Endeffekt wurde jede kleine Kreditfinanzierung zu einem Hürdenlauf, den die Kunden und die Bankmitarbeiter nach Möglichkeit gar nicht erst beginnen. Die einfache, geradezu banale Vorgangsweise kam den in komplizierten Regelungen verfangenen Aufsehern nicht in den Sinn.

  • Das entscheidende Kriterium ist die Streuung der Risiken. Kein Risiko darf ein bestimmtes Maß übersteigen. Hier und nur hier bildet das Eigenkapital das Maß der Bankwirtschaft: Jede Forderung muss im Fall des Verlusts problemlos vom Eigenkapital verkraftet werden.

  • Welche Finanzierungen die Bank durchführt, ist Sache der Bank und nicht der Aufseher. Wie die Aktiva gemanagt werden, ist Sache der Bank und nicht der Aufseher. Aufseher sind keine Obermanager.

Die Trennung der Spekulation mit Milliarden vom Basis-Geschäft ist überfällig

Der Charakter des Geschäfts muss definiert sein: Institute, die mit Einlagen von Kunden arbeiten, dürfen keine Spekulationen und sonstige Geschäfte betreiben, bei denen Milliarden auf dem Spiel stehen. Ihre Tätigkeit hat sich auf die Hereinnahme von Einlagen und die Vergabe von Krediten sowie die Veranlagung in Wertpapieren zu konzentrieren. In diesen Sparten sind die Risiken überschaubar und die Verluste halten sich in erträglichen Grenzen.

Spekulationen, riskante Derivativgeschäfte und sonstige Finanzkonstruktionen, bei denen Milliarden bewegt werden, sollten speziellen Instituten vorbehalten sein. Werden beide Bereiche in einer Bank betrieben, besteht ständig die Gefahr, dass die Verluste aus Spekulationen die gesamte Bank mitreißen. Die Spekulationsbanken müssen eindeutig deklarieren, dass die ihnen anvertrauten Gelder auch zur Gänze untergehen können, dass die Kunden das Risiko tragen und keine Einlagensicherung und kein Staat im Krisenfall einspringen.

Genau diese Grenze, die Trennung zwischen Banken, die das Einlagen-Kredite Geschäft betreiben und den Instituten, die große Risiken eingehen, wie etwa Hedge-Fonds oder spezialisierte Investmentbanken, die das Derivativgeschäft betreiben, wurde in Europa nicht gezogen, obwohl nach der Krise viele Stimmen für diesen Weg sprachen.

Wie Donald Trump die kluge Politik von Barack Obama sabotierte

Mit der geschilderten Politik haben die USA unter Präsident Barack Obama die Bankwirtschaft nach der Finanzkrise 2008 mit einer praxisnahen Regelung ausgestattet und eine Erfolgsgeschichte in Gang gebracht. Die amerikanischen Institute haben sich im Gegensatz zu den durch die komplizierte Regulierung gelähmten europäischen Banken prächtig entwickelt. Die aktuelle Krise in den USA ist eine Folge der Korrektur dieser klaren Regeln durch US-Präsident Donald Trump. Er gab 2018 dem Drängen der kleinen Banken nach, doch die strenge Trennung des Einlagen-Kreditgeschäfts von den gewagten Transaktionen für ihren Bereich aufzuheben und auf die Großbanken zu beschränken. Die Folge war, dass viele „Kleine“ in den vergangenen Jahren ein explosionsartiges Wachstum realisierten und nun mit enormen Risiken überfordert sind.

Dagobert Ducks Geldbunker ist keine Vorlage für eine Banken-Reform

Die Sicherheit des Bankwesens wird nicht durch eine überbordende Kontrolle gewährleistet, sondern durch eine Aufsicht, die kluge Rahmenbedingungen absteckt. Banken mit einer guten Risikostreuung, die den Rahmen des Eigenkapitals berücksichtigt, sind nicht gefährdet. Dies gilt auch in einer schwierigen Phase wie jetzt, in der nach dem Ende der Corona-Förderungen und durch den plötzlichen Zinsanstieg viele Kreditnehmer in die Insolvenz schlittern. Ohne Zweifel gibt es kein risikoloses Geschäft, auch solide Banken können krachen, doch muss man keine große Bankenkrise befürchten und in ständiger Angst vor einer durch den Kreditapparat ausgelösten Wirtschaftskrise agieren.

Die sich nun abzeichnende Vorgabe einer übermäßigen Liquidität ist eine logische Folge der bisher begangenen Fehler. Die europäischen Banken sind nicht die Motoren der Wirtschaft, die breit gestreut alle Bereiche mit Krediten versorgen, sondern mühsame Bürokratien, die, gefangen zwischen den Mühlsteinen der Regulierung und des Marktes, innerhalb der Häuser das Basisgeschäft und die Hexenküche der Spekulationen unter einen Hut bringen müssen. Dass unter diesen Umständen die Bankenaufsicht befürchtet, mache Banken könnten das Vertrauen des Publikums verlieren, ist sicher nicht falsch. Deswegen sollte man aber die Institute nicht zwingen, Geldbunker anzulegen wie Dagobert Duck. Vielmehr ist eine Reform der Bankenaufsicht notwendig, die das Aktivgeschäft aus dem aktuellen Korsett befreit und endlich eine Trennung zwischen Kommerz- und Spekulationsbanken verfügt.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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