Ratgeber

Gehören Rohstoff-ETFs ins Portfolio?

Lesezeit: 4 min
29.05.2023 08:56  Aktualisiert: 29.05.2023 08:56
Rohstoffe gelten als Inflationsschutz. Das zeigte sich vor allem im vergangenen Jahr. Lohnt sich ein Investment?
Gehören Rohstoff-ETFs ins Portfolio?
Grubenarbeiter bauen Kohle im Süden Sibiriens ab. (Foto: iStock.com/EvgenyMiroshnichenko)
Foto: EvgenyMiroshnichenko

Seit der Finanzkrise 2008 haben Rohstoffe relativ schwach rentiert. Etwa outperformte der S&P 500 den Bloomberg Commodity Index, der 20 Rohstoff-Futures enthält, 13 Jahre lang, wie aus dem „In Gold We Trust Report 2023“ des Vermögensverwalters Incrementum hervorgeht.

Doch im Jahr 2022 wendete sich das Blatt. Nun stieg der Bloomberg Commodity Index um 13,8 Prozent innerhalb eines Jahres. Dabei erzielten nicht bloß die Energierohstoffe Zugewinne (+33,5 Prozent), sondern auch die Subindizes Agrarrohstoffe (+13 Prozent) und Vieh (+5,3 Prozent).

Der Finanzwissenschaftler Martin Weber rät zu Rohstoff-ETFs. „Zunächst haben Rohstoff-Futures im langfristigen Durchschnitt eine positive Risikoprämie gezahlt“, erklärte Weber im März 2022 gegenüber ExtraETF. Außerdem würden Rohstoffe vor unerwarteten Inflationsschocks schützen und korrelierten kaum mit Aktien und Anleihen, wodurch sie sich gut zur Diversifikation eigneten.

Weniger Volatilität mit Rohstoffen

Laut einer Analyse des US-Vermögensverwalters AQR verbessern Rohstoffe die Performance. Die Forscher verglichen ein global diversifiziertes 60/40-Portfolio aus Aktien und Anleihen mit dem gleichen 60/40-Portfolio, dem aber 10 Prozent Rohstoff-Futures über einen gleichgewichteten Index beigemischt waren. Die Daten umfassten einen langen Zeitraum von 1877 bis 2021.

Beide Portfolios erzielten eine Nominalrendite von im Schnitt 8,0 Prozent pro Jahr. Die Volatilität des Rohstoff-Portfolios war allerdings leicht geringer, sodass das Chance-Risiko-Verhältnis (sharpe ratio) besser war (0,56 beim Rohstoff-Portfolio im Vergleich zu 0,53 beim 60/40-Portfolio).

Laut den AQR-Forschern sind Rohstoffe ein guter Inflationsschutz. „Rohstoffe gehören zu den wenigen Anlagen, die in Zeiten hoher oder steigender Inflation, in denen sowohl Aktien als auch Anleihen tendenziell leiden, höhere Renditen erzielt haben“, schreiben sie. Laut den Zahlen lag die Nominalrendite von Rohstoffen in Inflationszeiten bei circa 10 Prozent. Das war deutlich mehr als bei Aktien (rund 5 Prozent) und Anleihen (circa 1 Prozent).

Laut Incrementum schützen Rohstoffe vor verschiedenen Arten der Inflation. „Industriemetalle performen bei nachfragebedingter Inflation, der Energiesektor naturgemäß dann, wenn die Teuerung durch Energiekosten getrieben wird“, schreiben die Liechtensteiner. Gold und Silber würden hingegen am besten abschneiden, „wenn die Glaubwürdigkeit der Notenbanken und des Bankensystems in Frage gestellt wird“.

Direktinvestments in Rohstoffe sind indes nur bei Edelmetallen möglich. Wer in Öl, Gas, Weizen oder Nickel investieren will, muss entweder einen ETF auf Rohstoff-Futures oder auf Rohstoffaktien erwerben. Ein Futures-ETF enthält Warenterminkontrakte, die allerdings nicht den Spotpreis eines Rohstoffs widerspiegeln, sondern die Rohstoffpreise am Terminmarkt. Daneben gibt es auch ETFs mit Aktien von rohstoffproduzierenden Unternehmen, etwa auf den Index MSCI World Materials.

Der Vorteil von Rohstoffaktien-ETFs ist, dass keine Rollverluste entstehen können. Terminkontrakte haben ein festes Verfallsdatum und müssen verlängert werden. Ist der nachfolgende Terminkontrakt teurer, entsteht dem Futures-ETF ein sogenannter Rollverlust. Umgekehrt sind aber auch Rollgewinne möglich, wenn der nachfolgende Kontrakt billiger ist.

Rohstoffaktien unterliegen dafür einem Aktienmarkt- und Branchenrisiko. Denn sie spiegeln nicht nur die Entwicklung der Rohstoffpreise wider, sondern auch der Rohstoffindustrie. Zudem kann ein Klumpenrisiko bestehen, weil kapitalisierungsgewichtete Indizes wie der MSCI World Rohstoffproduzenten bereits zu circa 5 Prozent gewichten.

Risikoprämie von 3 Prozent

Martin Weber von der Universität Mannheim hält das Risiko von Rollverlusten aber für vernachlässigbar. Langfristig entscheidend sei die Risikoprämie, die am Futures-Markt für die Übernahme des Preisrisikos gezahlt werde. „Diese Risikoprämie war im langfristigen historischen Durchschnitt positiv“, erklärt Weber und fügt hinzu: „Das heißt, Anleger haben in der Vergangenheit durchschnittlich keine Rollverluste, sondern Rollgewinne gemacht.“

Etwa untersuchten Forscher der London Business School im Auftrag der Credit Suisse die langfristigen Renditen von Rohstoff-Futures. Dazu analysierten sie Daten zu 29 Rohstoffen im Zeitraum von 1877 bis 2022. Demnach hatten Rohstoff-Futures „attraktive risikobereinigte langfristige Renditen, wenn auch mit einigen großen, längeren Verlusten“. Etwa gab es in dem Zeitraum seit 1877 zwölf Drawdowns über 20 Prozent, wobei neun länger als fünf Jahre dauerten.

Besonders gut performte das Rohstoff-Portfolio, wenn die einzelnen Futures gleich gewichtet sind. Ein solches Portfolio aus 30 Rohstoffen erzielte zwischen 1877 und 2022 eine Realrendite von 3,3 Prozent pro Jahr, berichten die Wissenschaftler aus London.

Auch die AQR-Forscher raten zu erhöhter Diversifikation. „Da jeder Rohstoff einzigartige Angebots- und Nachfragemerkmale aufweist, sind Rohstoffsektoren weniger korreliert als Aktien- oder Anleihesektoren“, schreiben sie. Diversifikation lohne sich bei Rohstoffen noch mehr als bei Aktien oder Anleihen.

Klassische Rohstoff-Futures-Indizes wie der S&P GSCI oder der Bloomberg Commodity Index würden Energierohstoffen ein hohes Gewicht einräumen, schreibt AQR. Energierohstoffe hätten aber historisch gesehen relativ schwach rentiert. AQR schlägt daher ein nahezu gleichgewichtetes Portfolio vor, in dem Energierohstoffe geringer und Edelmetalle, Agrar- und Industriemetalle höher gewichtet sind.

Laut den Forschern der London Business School gibt es aber bloß zwei Rohstoffindizes, die kommerziell genutzt werden und gleich gewichtet sind: Der Refinitiv Equal Weight Commodity Index und der Summerhaven Dynamic Commodity Index. In Deutschland sind auf beide Indizes keine ETFs zugelassen.

Kaum gleichgewichtete Rohstoff-ETFs

Vielmehr gibt es zwei ETFs von Amundi, die den Index „Bloomberg Energy and Metals Equal-Weighted“ nachbilden. Dieser enthält aber nur zwölf gleichgewichtete Rohstoff-Futures, darunter alle vier Edelmetalle, zwei Rohölsorten, Erdgas, Zink, Aluminium und Nickel.

Der Finanzprofessor Martin Weber greift in seinem Arero-Fonds auf den „Bloomberg Commodity Index Total Return 3 Month Forward“ zurück. Hierauf ist in Deutschland ein ETF für Privatanleger zugelassen, der ein Fondsvermögen über 100 Millionen Euro aufweist (ISIN: IE00B4WPHX27).

Daneben gibt es mehrere ETFs auf den Bloomberg Commodity Index (etwa IE00BDFL4P12 und IE00BKY4W127) und auf den MSCI World Materials (IE00BM67HS53 und IE00BYTRRF33). Letzterer enthält aber Aktien von Rohstoffproduzenten.

Weber gewichtet in seinem Arero-Fonds Rohstoffe mit 15 Prozent. Der Rest entfällt auf globale Aktien (60 Prozent) und Euro-Staatsanleihen (25 Prozent).

Eine Studie aus dem Jahr 2006 gelangt zu einer optimalen Vermögensaufteilung von 60 Prozent Aktien, 22 Prozent Anleihen und 18 Prozent Rohstoff-Futures. Annahme war hierbei, dass der Investor eine Risikotoleranz entsprechend dem klassischen 60/40-Portfolio hat und sich Aktien, Anleihen und Rohstoffe gemäß dem langfristigen historischen Durchschnitt entwickeln werden. Etwa vermuteten die Forscher Risikoprämien von 5 Prozent bei Aktien, 3 Prozent bei Rohstoff-Futures und 2 Prozent bei Anleihen.

Das 60/40-Portfolio schnitt im vergangenen Jahr so schlecht ab wie seit 1937 nicht mehr. Insgesamt betrugen die Nominalverluste 17,9 Prozent, berichtet Incrementum. „2022 erlitten zum ersten Mal seit 42 Jahren Aktien und Anleihen im selben Jahr zweistellige Verluste.“

Incrementum rechnet künftig mit deutlich steigenden Rohstoffpreisen. Erstens drohe eine weitere Inflationswelle, weil die Zentralbanken aufgrund der hohen Staatsschulden die Geldschleusen bald wieder öffnen würden. Außerdem treibe ESG-konformes Investieren und die Energiewende die Nachfrage nach Rohstoffen und somit die Preise nach oben.

Die Politik werde zudem Investitionsanreize für den Rohstoffsektor setzen, um die Nachfrage zu bedienen. „Angesichts des knappen Angebots und der historisch niedrigen Bewertung von Rohstoffen wird die erwartete Rückkehr von Investitionen den Beginn eines neuen Rohstoff-Superzyklus kennzeichnen“, vermuten die Incrementum-Autoren.

                                                                            ***

Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.
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