Finanzen

Künstliche Intelligenz überrollt Value-Investoren

Lesezeit: 3 min
03.06.2023 18:25  Aktualisiert: 03.06.2023 18:25
Nach einem sehr positiven Jahr 2022 werden Value-Investoren nun überrollt. Der Hype um Künstliche Intelligenz hat eine gewaltige Umschichtung in Growth-Aktien verursacht.

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Value-Aktien verzeichneten 2022 nach einer langen Durststrecke das beste Jahr seit dem Dot-Com-Crash im Jahr 2000. Diese Aktien, die im Verhältnis zu Fundamentaldaten wie dem Unternehmensgewinn billig erscheinen, entwickelten sich deutlich besser als die sogenannten Growth-Aktien, die im Verhältnis zu den Fundamentaldaten teuer erscheinen. Doch dieser Trend hat sich dieses Jahr auf brutale Weise umgekehrt. Ursache dafür, dass Growth-Aktien nun wieder die Nase weit vorn haben, ist der alles überdeckende Hype um Künstliche Intelligenz.

Die massive Umschichtung von Value-Aktien in Growth hat in einem noch nie dagewesenen Tempo vollzogen. Günstig aussehende Unternehmen erleiden inmitten der Finanzturbulenzen und der Ungewissheit über die Zukunft der Wirtschaft Verluste, während der Hype um Künstliche Intelligenz die Aktien von Computer- und Softwareunternehmen in die Höhe treibt. "Es war ein kürzerer Lauf, als ich erwartet hätte", zitiert Bloomberg George Cipolloni, Portfoliomanager bei Penn Mutual Asset Management. "Jetzt ist die Stimmung eindeutig zu Gunsten von Growth-Aktien."

Der S&P 500 hat gerade die dritte Woche in Folge zugelegt und wurde dabei von einer Handvoll Tech-Giganten wie Nvidia, Alphabet und Microsoft an den Rand eines Bullenmarktes getrieben. Der technologielastige Nasdaq 100 legte um 1,8 Prozent zu und verzeichnete damit den sechsten Wochengewinn in Folge. Dabei blieben Value-Aktien die siebte Woche in Folge hinter den Wachstumswerten zurück. Wegen des Booms von Künstlicher Intelligenz hat der Börsenwert des Chipherstellers Nvidia am Dienstag erstmals die Schallmauer von einer Billion Dollar durchbrochen.

Growth-Aktien lassen Value-Aktien weit hinter sich

Der Russell 1000 Value Index fiel im Mai um 4 Prozent, während sein Pendant, der Growth Index, einen ähnlich hohen Zuwachs verzeichnete. Das ist die größte Differenz zugunsten des Growth Index seit dem Jahr 2000. Im Verlauf der ersten fünf Monaten des Jahres hat sich der Abstand um 23 Prozentpunkte vergrößert, die größte Abweichung seit Beginn der Datenerhebung vor 44 Jahren. Infolgedessen wurde die Outperformance von Value aus dem letzten Jahr - die erste seit 2016 - fast wieder zunichte gemacht.

Es ist zumindest ein herber Rückschlag für jene Anlegern, welche die meiste Zeit der 2010-er Jahre darauf warteten, dass die Markthegemonie der Technologieunternehmen mit ihren riesigen Börsenbewertungen endlich gebrochen wird. In diesem Zeitraum ging es mit Growth-Aktien wie Meta und Alphabet unaufhaltsam nach oben und der Value-Anlagestil schien schon obsolet. Doch diese Bedenken erübrigten sich, als steigende Inflation und steigende Zinsen die billigen Aktien im Jahr 2022 wieder an die Spitze brachten.

Der massive Rückgang des Value-Indizes ist ein harter Schlag für jene Anleger, die erwartet hatten, dass der Aufwärtstrend bei Value-Aktien länger als ein Jahr dauern würde. Doch wegen der Euphorie um Künstliche Intelligenz werden die großen Technologie-Unternehmen dieses Jahr wohl auf Kosten aller anderen Branchen glänzen und das Wiederaufleben der Growth-Aktien ankurbeln. Die Umkehrung war besonders verlustreich für quantitative Anleger, die ihre Strategien durch Long-Short-Portfolios verstärken, die auf günstige Aktien wetten, während sie gegen teure Aktien wetten.

In den Augen der Value-Anhänger hat die intensive Konzentration allein auf Wachstum eine seltene Gelegenheit für Schnäppchenjäger eröffnet. Denn Value-Aktien sind relativ zu Growth-Aktien nun wieder fast genauso billig wie Anfang letzten Jahres. "Die Möglichkeit einer mehrjährigen Entwicklung zugunsten von Value-Aktien bleibt intakt, wobei die großen Bewertungsspannen ein wichtiger Faktor sind", schreiben die Aktienstrategen von Bloomberg Intelligence, darunter Chris Cain, in einer Mitteilung.

Umschichtung weg von Value-Aktien

Sicherlich ist es riskant, allein auf Bewertungen zu setzen. Denn billige Aktien können immer noch billiger werden, wenn die Gewinne nicht mithalten können. Viele Value-Aktien, etwa Energieerzeuger und Banken, reagieren empfindlich auf die Konjunktur. Angesichts der drohenden Rezession haben sie einen schweren Stand. Zudem sind all jene, die ihr Geld in Bargeld oder Anleihen parken, von einer Aktienrallye abgehängt worden, die den S&P 500 seit Jahresbeginn um 12 Prozent in die Höhe getrieben hat. Der Nasdaq 100 hat sich sogar noch besser entwickelt und ist um 33 Prozent gestiegen.

In den letzten drei Monaten zogen Investoren mehr als 15 Milliarden Dollar aus börsengehandelten Fonds ab, die sich auf den Value-Stil konzentrieren. Dies waren die höchsten Abzüge seit mindestens 2016. "Value-Fonds haben tendenziell das geringste Exposure gegenüber vielen Megacap-Wachstumsunternehmen und beliebten Themen wie Künstliche Intelligenz, die den Markt antreiben", zitiert Bloomberg Drew Pettit, Direktor für ETF-Analyse und -Strategie bei Citigroup. "Es war schwer, Bullen zu finden für alles, was mit der Wirtschaft zu tun hat, da die Rezessionsängste anhalten."

Die Geschwindigkeit, mit der das Thema Künstliche Intelligenz an der Wall Street Einzug hielt, hat 2023 zu einem schwierigen Jahr für all jene gemacht, die keine mit dem Thema verbundenen Aktien besitzen, sagt Phil Hart, Portfoliomanager bei JPMorgan Asset Management. Dennoch hält er an seiner Überzeugung fest, dass Value-Aktien langfristig den Sieg davontragen werden. Doch der Weg zu diesen Gewinnen könnte steinig sein. "Als Value-Investor ist das sicherlich enttäuschend", sagt er. "Wir werden weiterhin einen Yo-Yo-Markt zwischen Growth und Value erleben und nicht so sehr einen dauerhaften Trend."



Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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