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Intel: Chipfabrik in Magdeburg ist größte ausländische Investition in Deutschland

Lesezeit: 3 min
20.06.2023 09:18  Aktualisiert: 20.06.2023 09:18
Nach monatelangem Ringen haben Bundeskanzler Olaf Scholz und der Vorstandsvorsitzende des US-Konzerns Intel, Pat Gelsinger, die letzten Hindernisse aus dem Weg geräumt – in Magdeburg entsteht nun für 30 Milliarden Euro ein hochmodernes Werk für Halbleiter. Es ist die größte ausländische Investition in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Intel: Chipfabrik in Magdeburg ist größte ausländische Investition in Deutschland
Foto: Carsten Koall

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Nach dem Spitzentreffen im Berliner Bundeskanzleramt gaben Scholz und Gelsinger bekannt, dass der Investition auf deutscher Seite nichts mehr im Wege stehe. Der Bau der Chipfabrik ist allerdings mit enormen Subventionszahlungen verbunden. Insgesamt wird der Bau der Fabrik mit öffentlichen Geldern in Höhe von fast zehn Milliarden Euro gefördert. Allerdings muss die Zahlung der öffentlichen Gelder noch von der EU-Kommission genehmigt werden.

Tauziehen um Subventionen

Um die Höhe der Subventionen hatte es bis zuletzt noch ein heftiges Tauziehen gegeben. Ursprünglich hatte Intel Subventionen in Höhe von 6,8 Milliarden Euro gefordert. Jedoch diese Forderung nach oben auf knapp zehn Milliarden Euro geschraubt. Der Vorstandschef von Intel hatte die weitergehenden Forderungen damit begründet, dass in der Zwischenzeit vor allem die Kosten für Energie gestiegen seien. Möglich wurde aber die Vereinbarung zwischen Intel und dem Bundeskanzler auch dadurch, dass Intel offenbar das Investitionsvolumen für den Bau des Magdeburger Werks fast verdoppelt hatte – nämlich von ursprünglich 17 Milliarden auf nun 30 Milliarden Euro.

Mit dieser Entscheidung hatte sich Scholz über die Bedenken seines Finanzministers hinweggesetzt. Christian Lindner hatte zuvor eingewandt, dass er den Bundeshaushalt konsolidieren wolle und nicht erweitern. Tatsächlich fügen sich die Bedenken Lindners in eine ganze Reihe von skeptischen Kommentaren namhafter Ökonomen. So hatte der Chef des angesehenen Ifo-Instituts in München, Clemens Fuest, die milliardenschweren Subventionen als „fragwürdig“ bezeichnet. Es gebe, so Fuest, Alternativen zu heimischer Produktion wie etwa Diversifizierung der Lieferanten, Lagerhaltung und Recycling. „Zudem sei auch nicht klar, was genau in Magdeburg produziert wird, ob es die Chips sind, die Deutschland und Europa braucht und an wen diese Chips im Krisenfall geliefert werden“, erklärte Fuest.

Kritik des Mittelstands

Auch aus Kreisen des Mittelstands gibt es ob der Höhe der Subventionen Kritik. Der Chefvolkswirt des Bundesverbands für Mittelständische Wirtschaft, Hans-Jürgen Völz, erklärt gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN): „Die astronomische Summe, die Intel als Subventionen von der Bundesregierung zugesagt bekommen hat, ist kaum noch zu rechtfertigen. Selbst wenn durch die Ansiedelung einer Zukunftsbranche der Trend der Deindustrialisierung in Deutschland gebremst würde und sie eine Initialzüdung für weitere Großinvestitionen wäre, muss der Hinweis erlaubt sein, dass diese Mittel in Höhe von rund zehn Milliarden Euro in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Forschung zumindest ebenso dringend gebraucht würden.“ Zudem befürchtet Volz eine weitere Benachteiligung des Mittelstands. Denn wenn wie berichtet, die Intel zugesagten Mittel tatsächlich aus dem Klima- und Transformationsfonds stammen, würde das Geld dem Mittelstand fehlen, denn ein zentrales Finanzierungsinstrument zur Modernisierung der deutschen Wirtschaft, zur Umstellung der Energieversorgung, zur Dekarbonisierung, zur Sanierung von Gebäuden, den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft sowie dem Ausbau der Elektromobilität würde dadurch an Durchschlagskraft verlieren.

Ähnlich sieht es auch der Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Stefan Kooths. „Das Geld wäre definitiv besser angelegt in Bildung als für solche Prestigeprojekte“, erklärte er. Außerdem hält er das Arbeitsplatz-Argument für „Augenwischerei“. Intel ziehe zwar gut ausgebildete Arbeitskräfte an. Diese aber würden auch woanders unterkommen.

Teure Arbeitsplätze

Da könnte was dran sein. Zwar erklärte Intel wie auch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt, dass mit dem Bau der Großanlage rund 10.000 neue Arbeitsplätze entstünden. Doch auf Nachfrage erklärte das Magdeburger Wirtschaftsministerium gegenüber den DWN, dass im Chipwerk selbst nur 3.000 Arbeitsplätze vorgesehen seien. Die restlichen 7.000 Arbeitsplätze seien für den Bau der Anlage geplant. Damit aber wird klar, dass nur dauerhaft 3000 Highttech-Arbeitsplätze entstehen. Das heißt, dass letztlich jeder dieser Hightech-Arbeitsplätze mit mehr als drei Millionen Euro gefördert wird.

Nicht die einzige Ansiedlung, die mit dem Geld der Steuerzahler subventioniert wird. In Dresden wird das neue Werk des Chipherstellers Infinion mit mindestens einer Milliarde Euro unterstützt, reicher Subventionsregen erwartet auch der Halbleiter-Hersteller Wolfspeed, der zusammen mit dem deutschen Autozulieferer ZF ein Werk im saarländischen Ensdorf errichtet. Gleichzeitig verhandelt die Bundesregierung mit dem weltweit größten Chip-Auftragsfertiger TSMC über den Bau eines neuen Werks in Dresden.

Deutschland, so erklärt es der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner, werde aber langfristig von solchen Investitionen profitieren. Diese Investitionen hätten eine strategische Bedeutung; es liege im deutschen und im europäischen Interesse, seine Unabhängigkeit auf dem Gebiet der Halbleiter-Produktion zu erlangen. Nachdem der Ukrainekrieg die Energieabhängigkeit Deutschlands gezeigt habe, dürfe sich Ähnliches bei Halbleitern nicht wiederholen.

Doch der internationale Subventions-Wettlauf scheint schon längst begonnen zu haben. Denn auch andere Staaten buhlen mit Steuermilliarden um die Branche. Agenturberichten zufolge will China der heimischen Industrie mit umgerechnet 136 Milliarden Euro unter die Arme greifen. Ähnliches planen derzeit auch Japan und Südkorea und die USA schnüren gerade ein Investitionspaket mit einem Umfang von 52 Milliarden Dollar.


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