Immobilien

DWN-Interview: Mieten oder Kaufen im jetzigen Markt?

Lesezeit: 5 min
12.07.2023 10:27  Aktualisiert: 12.07.2023 10:27
Im DWN-Interview redet Immobilieninvestorin Indra Schormann über die aktuelle Lage am angespannten deutschen Immobilienmarkt. Sie gibt zu bedenken, warum wir anfangen müssen, anders über Zinsen zu denken.
DWN-Interview: Mieten oder Kaufen im jetzigen Markt?
Der Immobilienmarkt in Deutschland ist angespannt, auch in Berlin. (Foto: iStock.com/21AERIALS)
Foto: 21AERIALS

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DWN: Frau Schormann, steigende Mieten und ein knappes Angebot an Mietwohnungen macht den Kauf einer Immobilie im jetzigen, noch sehr angespannten Markt attraktiver, wenn man genug Eigenkapital hat. Doch was von den hohen Zinskosten, und das Risiko, dass Zinsen in der Zukunft noch weiter steigen könnten?

Indra Schormann: Tatsächlich habe ich und auch viele andere Experten im Marktumfeld gerade das Gefühl, dass die Zinsen sich ein bisschen einpendeln und gegebenfalls sogar ein kleines bisschen wieder zurückgehen. Aber natürlich - und das ist leider gerade in den Ballungszentren extrem zu erkennen - ist es so, dass die, die früher gekauft haben, sehr häufig sehr gut-verdienende Menschen waren, aber wenig Eigenkapital hatten. Viele Menschen in dieser Kategorie konnten bei niedrigen Zinsen sehr einfach kaufen.

Jetzt können diese Personen das aber nicht mehr, weil aufgrund der sehr hohen Zinsen die Rate sehr teuer geworden ist. Das gilt für jeden Bereich, aber besonders für weniger gut-Verdienende, die sich früher eine höhere Rate jeden Monat hätten leisten können aufgrund des Einkommens. Doch die jetzige Rate ist nicht mehr erschwinglich, und somit landen viele Menschen wieder im Mietmarkt.

Das heißt, der sowieso angespannte Mietmarkt in unseren großen Metropolen - der in allen Städten schon vor der Zinserhöhung explodiert ist - steht unter noch größerem Druck. Das führt dazu, dass Vermieterinnen sicherlich höhere Preise verlangen können und dass Mieterinnen bereit sind, auch höhere Preise zu zahlen. Umso mehr Nachfrage, umso mehr steigen die Preise - obwohl der Staat versucht, die Situation einzugrenzen.

Daher, steigende Zinsen führen in diesem Fall ganz klar auch zu höheren Nachfragen für Mietwohnungen. Unabhängig davon, ob die Zinsen weiter steigen oder sich jetzt so einpendeln, wird es erst mal so bleiben DENN - und das ist das große Problem - wir haben zu wenig Wohnungen. Das Thema ist nicht, dass Menschen zu viel für Wohnraum zahlen wollen, sondern dass wir einfach in ganz Deutschland zu wenig Wohnungen haben an den Orten, wo viele Menschen wohnen wollen. Es hätte vor Jahren schon gebaut werden müssen, und es ist einfach nicht passiert. Das ist unser großes Problem.

Gesamtwirtschaftlich hängt immer alles miteinander zusammen, und die hohen Zinsen führen dazu, dass der Mangel an Wohnungen jetzt noch deutlicher wird, weil einfach noch mehr Menschen mieten wollen und dadurch die Mietpreise in die Höhe steigen.

DWN: Lohnt es sich in diesem angespannten Markt eine Immobilie als Investition zu kaufen?

Indra Schormann: Da müssen wir erstmal ganz klar unterscheiden zwischen Eigenheim-Kauf und Investitions-Kauf. Als Eigenheim-Kauf muss man natürlich immer emotionale Aspekte mit einbeziehen, doch wenn man eine Kapitalanlage kauft, schauen die meisten Menschen aus reiner kommerzieller Sicht auf die Sache.

Ich glaube nach wie vor, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, eine Immobilie zu kaufen, denn Immobilien sind - historisch gesehen - Werte, die an Wert gewinnen. Auch muss man sich daran erinnern, dass wir ja schon ein viel schlimmeres Zins-Niveau hatten als in der jetzigen Zeit, auch schon einmal an die acht Prozent.

Was besonders wichtig ist - und das ist meine absolute Empfehlung an jeden - man muss jetzt noch besser rechnen und sich bewusst darüber sein, dass bei einer Refinanzierung die Zinsen vielleicht noch weiter ansteigen könnten. Und dann sind die Energie-Themen sehr wichtig: Man muss sich fragen, wie viele Investitionen kommen möglicherweise bei diesem Objekt noch auf mich zu? Möglicherweise muss man sich davon frei machen, dass sich eine Wohnung von Anfang an (insbesondere, wenn man mit wenig Eigenkapital eingestiegen ist) selbst trägt und sich selbst abbezahlt. Der Markt ist jetzt so, dass man monatlich etwas mehr Eigenkapital dazugeben muss, oder von Anfang an mit mehr Eigenkapital einsteigen muss.

Ich finde das persönlich sehr schade: Durch den Zinsanstieg, sind wieder viele Menschen von der Möglichkeit, Immobilen als Vermögens-Aufbau zu nutzen, ausgeschlossen. Dies betrifft insbesondere Menschen die, gerade was die Rentenlücke angeht, eigentlich viel mehr Notwendigkeit danach hätten, weil sie das Eigenkapital nicht haben.

In diesem Fall - wenn am Anfang nicht genug Eigenkapital vorhanden ist - wäre es empfehlenswert darüber nachzudenken, wie man aus den monatlichen Ausgaben jeden Monat eine Zuzahlung mit dazu nehmen könnte. Aber leider ist es so: Hohe Zinsen bedeuten, dass sich Wohnungen nicht mehr so gut rechnen.

DWN: Wie sehen Sie das zukünftiges Zinsszenario: Ein Grund für schlaflose Nächte?

Indra Schormann: Tatsächlich bin ich relativ entspannt. Ich habe meine Immobilien alle sehr solide finanziert und so entwickelt, dass ich selbst bei einer Refinanzierung jetzt nicht in Panik verfalle. Sicher sind sie nicht mehr ganz so Rendite-stark, wie ich es ursprünglich mal geplant hatte, aber ich habe mein Portfolio sehr solide aufgebaut, so dass ich da relativ gut schlafen kann.

DWN: Was ist eine solide Immobilien-Finanzierung, worauf muss man besonders achten?

Indra Schormann: Für mich ist ein Objekt solide finanziert, wenn meine Rechnung von Anfang an stimmt: Wenn ich weiß, dass ich bei den Mieteinnahmen noch etwas Luft habe, um die Rate bezahlen zu können und aus meinem normalen Einkommen weiß, dass ich im Notfall auch noch etwas zur Rate dazuzahlen könnte.

Was gefährlich ist, ist wenn die Zinsen plötzlich steigen und man die Rate dann nicht mehr bezahlen kann, weil zu wenig Miete hereinkommt, oder man aus anderen Quellen nicht genug Eigenkapital jeden Monat mit daraufsetzen kann. Ich habe von Anfang an immer darauf geachtet, dass meine Wohnungen so finanziert sind, dass noch Luft da ist.

DWN: Was würden Sie Menschen, die zu diesem Zeitpunkt in den Immobilien-Markt einsteigen wollen, anraten?

Indra Schormann: Zuallererst würde ich immer sagen: Kümmert euch um eure Finanzen, egal ob Immobilen, Aktien, ETFs oder andere Vorsorge. Achtet darauf, dass ihr so früh wie möglich mit den Investitionen anfängt. Selbst wenn noch nicht genug Eigenkapital für eine Immobilie da ist, investiert in ETF-Sparpläne, um Eigenkapital anzubauen und loszulegen. Man kann mit ganz kleinen Beträgen anfangen, um diese für sich arbeiten zu lassen.

Auf Immobilien bezogen, höre ich immer wieder: Das Eigenheim. Ich würde ganz rational und wirtschaftlich herangehen und mich selbst fragen, ob das Eigenheim für mich gerade Sinn macht, weil es günstiger ist zu kaufen als zu mieten. Eine sehr einfache Berechnung ist die folgende: Wenn die Zinsen, die man für das Darlehen zahlen würde, höher sind als die Miete, die man bezahlt - dann macht das Mieten meistens mehr Sinn, weil es wirtschaftlich günstiger ist. Da kommt natürlich auch noch hinzu, dass man sich die gesamte Rate (Zinsen plus Tilgung) leisten können muss.

Für mich ist immer die Frage: Was ist wirtschaftlich am sinnvollsten? Wenn ich zum Beispiel etwas Eigenkapital habe, aber das gerade nicht ausreicht, um ein Eigenheim zu kaufen, dann würde ich raten, zumindest den Kauf einer Immobilie als Kapitalanlage in Betracht zu ziehen. Dies könnte vielleicht an einem anderen Standort sein und zu einem anderen Kaufpreis. Das ist meiner Meinung nach besser, als gar nichts zu tun.

DWN: Haben Sie noch einige letzte Anmerkungen?

Indra Schormann: Es ist sehr wichtig, sich zu informieren und sich nicht von Plattitüden abschrecken zu lassen. Ja, es stimmt, dass Immobilienpreise fallen, aber was bedeutet das? Für mich und mein Portfolio ist das vollkommen irrelevant, denn ich muss nichts verkaufen und ich muss nichts refinanzieren. Das heißt, es interessiert niemanden, was meine Immobilien gerade wert sind und wenn ich verkaufen will oder refinanzieren muss, dann sieht die Situation womöglich schon wieder ganz anders aus.

Man muss sich mit der Angst, die man zum Beispiel vor fallenden Preisen hat, auseinandersetzen: Was bedeutet das im Moment für mich, als Eigentümerin? Das ist so, wie wenn die Aktien am DAX fallen. In der Situation heißt es, ruhig bleiben und nicht panisch verkaufen - das kann man bei Immobilien sowieso nicht tun.

Der andere Punkt ist, dass wir uns - so denke ich - an die neuen Zinsen gewöhnen müssen. Es war großer Luxus, dass wir so lange - weltweit und insbesondere in Deutschland - diese wahnsinnige Niedrigzinsphase hatten. Diese Phase ist vorbei. Das bedeutet jedoch nicht, dass jetzt jedes Immobilien-Investment dadurch schlecht geworden ist, nur weil die Zinsen höher sind. Es bedeutet, dass wir jetzt bei der Finanzierung der Immobilie noch viel, viel genauer hingucken und rechnen müssen. In diesem Sinne ist Wissensaneignung tatsächlich das Erste, was ich jedem, der in den Markt einsteigen möchte, sehr stark empfehlen würde.

Zur Person: Indra Schormann ist Immobilieninvestorin, studierte Juristin und Gründerin der Immobilienplattform Project Treehouse, einer Immobilienplattform mit Bildungsauftrag. Ende 20 kaufte sie ihre erste Wohnung als Kapitalanlage, mit dem Ziel ihre Rentenlücke zu schließen und so entwickelte sich ihre Leidenschaft als Immobilieninvestorin. Mit der Gründung von Project Treehouse verhilft sie Erstanleger - insbesondere Frauen - bei den ersten Schritten zum Einstieg in den Immobilienmarkt.

                                                                            ***

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.



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