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Büro-Immobilien: „Die Mischung aus Präsenz und Mobilität macht es"

Lesezeit: 5 min
26.09.2023 10:06  Aktualisiert: 26.09.2023 10:06
Seit der Pandemie ist hybrides Arbeiten das Schlagwort in Deutschland. Vor einem Hintergrund wachsender Büroleerstände, stark steigender Zinsen, der Krise in der Bauindustrie und einer Konjunkturflaute muss sich die Büroimmobilie neu erweisen. Wie schaffen deutsche Firmen die beste Balance in der Ära der mobilen Arbeit?
Büro-Immobilien: „Die Mischung aus Präsenz und Mobilität macht es"
Trotz aktuellen Leerständen sind moderne Büros in guter Lage und mit guter Ausstattung immer noch gefragt in Deutschland. (Foto: Foto: istockphoto.com/Caiaimage/Nartin Barraud)
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Rund dreieinhalb Jahre nachdem Millionen von Büroangestellten weltweit zum Start der Pandemie nach Hause geschickt wurden, gibt es noch laufende Diskussionen, wie man sich auf die Arbeit der Zukunft am besten einstellen soll.

Weltweit und auch in Deutschland haben schwierige Rahmenbedingungen und unsichere Aussichten über die weitere konjunkturelle Entwicklung Büromärkten im ersten Halbjahr 2023 einen Dämpfer verpasst und für Leerstände gesorgt. Global schrumpfte der Flächenumsatz im Jahresvergleich um rund 15 Prozent auf 15,3 Millionen m². Das geht aus dem Report „Global Real Estate Perspectives“ von Immobiliendienstleister JLL hervor, für den weltweit 100 Immobilienmärkte analysiert wurden. Insbesondere in Europa, wo der Flächenumsatz in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um ein Viertel sank, hielten sich Unternehmen mit Anmietungen zurück.

Bei dem 2023 Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) Tag der Büroimmobilie in Berlin diese Woche bestätigte ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner, dass es beim Vermieten und auch bei Verkäufen von Büro-Immobilien in Deutschland im letzten Jahr rückgängige Quoten gegeben hat. Doch Mattner sagte er sei überzeugt, dass sich qualitative Büroimmobilien auch weiter durchsetzen werden und die Branche im Jahr 2024 wieder aus der Krise herauskommen würde. „Wir sind der Meinung, dass das Büro ein zentraler Eckpfeiler in Deutschland bleiben wird", so der Leiter des Spitzenverbands der deutschen Immobilienwirtschaft.

Mobile Arbeit ist da und bleibt da

In Deutschland ist klar: Mobile Arbeit ist gekommen, um zu bleiben. Viele Unternehmen bieten das hybride Arbeitsmodel an, bei dem die Arbeit zum Teil im Büro und zum Teil von einem anderen Ort erledigt wird. Bei manchen Firmen wird noch ausprobiert, was am besten funktioniert, während andere schon gute Hybridlösung gefunden haben.

Einen gesetzlichen Anspruch auf Home-Office gibt es in Deutschland nicht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich auf eine Home-Office-Regelung einigen. In den Niederlanden hingegen haben Arbeitnehmer seit Juli 2015 einen Rechtanspruch auf Home-Office.

Branchen-Experten verweisen auf einige der wichtigsten Themen, die aktuell im deutschen Büro-Markt diskutiert werden: Wie die Arbeit am besten zwischen dem Büro und dem Home-Office organisiert wird und welche Rolle sogenannte „Co-working Spaces“ in der neuen Arbeitswelt spielen. Sie betonen, dass der Trend zum Home-Office schon vor der Pandemie mehr Flexibilität für Arbeitnehmer angeboten hat. Einige der Home-Office Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind Zeitersparnis durch den Wegfall des Pendelns zur Arbeit, Kostensenkungen auf Seiten der Unternehmen und höhere Arbeitszufriedenheit unter Mitarbeitern.

Hybrides Arbeiten erfordert gut durchdachte Investitionen

In ihrer Rede bei dem ZIA-Tag der Büroimmobilie, sagte Lilian Tschan, Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Büros werden weiter wichtig sein, doch die Mischung zwischen Präsenz und Mobilität sei der entscheidende Faktor. „Hybrides Arbeiten bietet zahlreiche Vorteile und wird nicht mehr verschwinden“, so Tschan. „Dies wird Anpassungen und wohlüberlegte Investitionen erfordern“.

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wies Susanne Tattersall, Geschäftsführende Gesellschafterin bei Immobilienverwaltungsfirma Tattersall Lorenz, darauf hin, dass die Büro-Immobilie eine „Denkfabrik ist, in der produziert wird“. Sie fügte hinzu: „Büros sind Orte der Transformation der Arbeitswelt. Wir sind produktiv, wenn wir zusammen in der Denkfabrik sind, und deswegen ist es wichtig, Büros und auch Quartiere in den Städten attraktiv zu halten“.

Deutschland beim Home-Office in Europa vorne, international führt Kanada

Die deutschen Arbeitnehmer können im europäischen Vergleich besonders viel von zu Hause aus arbeiten. In einer Studie des Münchner Ifo-Instituts kommt Deutschland mit im Schnitt gut einem Tag Home-Office pro Woche auf den zweiten Platz unter 17 europäischen Ländern. Davor lag in Europa nur das Vereinigte Königreich mit 1,5 Tagen. Weltweit liegen unter insgesamt 34 Ländern Kanada mit 1,7, die USA mit 1,4 und Australien mit 1,3 Tagen pro Woche vor Deutschland.

Nicole Pötsch, PIMCO Prime Real Estate Co-Head Investment Europe, betonte bei der ZIA-Veranstaltung, dass Menschen in den USA viel mobiler aufgestellt sind als in Deutschland. Dies wirke sich aktuell sehr negativ auf Büroflächen im US-Markt aus, sagte Pötsch. Laut Bloomberg haben ungleiche Arbeitsweisen den globalen gewerblichen Immobilienmarkt dieses Jahr auf den Kopf gestellt. Leere Büros und die schnellsten Zinserhöhungen seit einer Generation haben bei einigen Vermietern zu einer Schuldenkrise geführt.

Dax-Konzerne: Eine Größe passt nicht allen

Eine DWN-Umfrage einiger Dax-Konzerne ergab, dass viele Firmen das hybride Arbeitsmodel bevorzugen, doch es gibt auch Varianten. Außerdem sind mehrere Firmen noch dabei ihre Arbeitsweisen zu verbessern, um die optimale Lösung zwischen Büro und Home-Office zu finden.

Vonovia SE

Nina Henckel, Leiterin Corporate Media Relations, Unternehmenskommunikation bei Vonovia SE sagte: „Während der Corona-Pandemie haben wir sehr positive Erfahrungen mit mobilem Arbeiten gesammelt und sehen darin auch zukünftig einen festen Bestandteil unserer Arbeitswelt“. Eine Vonovia-Umfrage des Betriebsrates habe ergeben, dass sich eine Mehrheit der Mitarbeiter ein hybrides Arbeitsmodell wünschten.

„Selbstverständlich ist es nicht in allen Bereichen unseres Unternehmens möglich, die berufliche Tätigkeit remote von zu Hause zu erledigen. Sofern sich mobiles Arbeiten jedoch mit den individuellen beruflichen Tätigkeiten vereinbaren lässt, bieten wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre Arbeit eigenverantwortlich von zu Hause aus zu erledigen“, so Henckel.

Volkswagen AG

Laut einer Volkswagen AG Sprecherin gestaltet das Unternehmen hybride Arbeitsmöglichkeiten im Sinne von Beschäftigten und Unternehmen. „Um hybride Arbeit optimal zu gestalten, ist es wichtig, die richtige Balance zwischen mobiler Arbeit und Büro-Arbeit zu schaffen. Demensprechend bietet Volkswagen seinen Beschäftigten weiterhin die Möglichkeit, mobil zu arbeiten, wenn es die Tätigkeit zulässt“, so die Sprecherin.

„Der Umfang der mobilen Arbeit wird in maximalen Arbeitstagen pro Woche zwischen Führungskraft und Beschäftigtem unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse vereinbart. Es können zwischen einem und bis zu maximal vier Tagen pro Woche mobil gearbeitet werden. Die vereinbarten mobilen Arbeitstage können nach Abstimmung mit der Führungskraft innerhalb eines Kalendermonats flexibel verteilt werden“.

Der Konzern erklärte, es gäbe noch ein sogenanntes Workshopkonzept „HYBRID.team“. Dies sei ein internes Format, das die Volkswagen Führungskräfte und ihre Teams dabei unterstützte, gemeinsam die individuell richtigen Balancen zwischen mobiler Arbeit und Präsenzarbeit im Büro zu finden. „Es geht in den Workshops vor allem darum, gemeinsam zu reflektieren, welche Arbeitsweisen sich im hybriden Kontext bewährt haben und an welchen Stellen es noch weitere Absprachen bedarf. Wo gibt es Verbesserungspotenzial? Was funktioniert gut und wo muss nachjustiert werden, um eine gute Performance durch eine optimale Arbeitsorganisation zu erreichen und den richtigen Mix zu finden“.

Zalando

Veronica Schilling, Head of Culture, New Work und Diversity & Inclusion bei Zalando, erklärte, dass der Online-Versandhändler in enger Zusammenarbeit mit Mitarbeitern und Betriebsräten beschlossen habe, eine Präsenz vor Ort von 40 Prozent anzustreben. "Dies ist eine Richtlinie, die den einzelnen Büro-Teams die Flexibilität bietet, den Anteil der Vor-Ort-Präsenz selbst zu bestimmen. Wir sind davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit in Teams am besten ist, wenn Menschen Zeit miteinander verbringen - ob persönlich oder über die Distanz. Wir möchten deshalb das Beste aus beiden Welten miteinander verbinden," sagte Schilling.

Deutsche Börse AG

Johanna Schneider, Group Communications & Marketing Corporate Communications & Engagement Deutsche Börse AG, kommentierte: „Bei der Gruppe Deutsche Börse gilt ein hybrides Arbeitsmodell, in dem Mitarbeitende an bis zu zwei Tagen pro Woche Remote arbeiten können. An vielen unserer weltweiten Standorte haben wir die Büros zu Open Work Spaces umgebaut, auch in Deutschland. Damit haben wir Räume für flexible Zusammenarbeit, Kreativität und Innovation geschaffen, die gut angenommen werden“.

Astrid Güß, Head of Global Business Services, Global Real Estate bei der BASF-Gruppe, sagte im Rahmen einer Podiumsdiskussion bei der ZIA-Veranstaltung, dass es sehr wichtig sei, Mitarbeitern Flexibilität anzubieten. „Arbeiten von zu Hause wird zu einem hohen Anteil wertgeschätzt und wir versuchen das auch zu ermöglichen“.

Katharina von Schacky, WeWork Managing Director & General Manager, Germany and Central & Eastern Europe betonte bei derselben Podiumsdiskussion, dass Büros da sind, um zu bleiben, sowie auch hybrides Arbeiten und sogenannte „Co-Working Spaces“. „Der Grund ist, dass die Nutzer das wollen. Deshalb bin ich mir 100 Prozent sicher, das es weiterhin flexible Büro-Anbieter geben wird“, sagte von Schacky.

Die Zukunft: Orte und Ideen

CEO der Avantgarde Gruppe, Dr. Marc Schumacher, beendete den 2023 ZIA-Tag der Büroimmobilie mit einige zum Nachdenken anregende Bemerkungen: „Konsumenten haben in den letzten drei Jahren mehr Veränderungen erlebt als in den letzten 30 Jahren und befinden sich in einer sogenannten Permakrise. Dadurch haben Menschen sich von ihren Routinen verabschiedet. Wir sprechen von einer Enthabitualisierung und einer Flexibilisierung". Schumacher fügte hinzu: „Am Ende des Tages werden Menschen schlicht weniger Raum und Büro-Räume gebrauchen ... Orte und Ideen werden in der Zukunft am wichtigsten sein".


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