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29.09.2023 19:05  Aktualisiert: 29.09.2023 19:05
Der neueste Fehlgriff um Funkgeräte, die nicht in die Fahrzeuge passen, für die sie vorgesehen waren, ist nur das jüngste Beispiel für eine Serie an Pleiten, Pech und Pannen bei den Bestellungen der Bundeswehr. Der Bundesrechnungshof befürchtet jetzt schon Unheil bei künftigen Bestellungen, sollte die Bundeswehr alle Mittel aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen einmal zur Verfügung haben.
Milliardengrab Bundeswehr
Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung, steht Mitte September nach dem Produktionsstart sechs neuer U-Boote der Klasse 212CD auf der Werft der Thyssenkrupp Marine Systems GmbH. Bis 2034 sollen vier Boote der neuen Klasse 212CD für Norwegen und zwei für die deutsche Marine gebaut werden. Hoffentlich können diese dann auch schwimmen... (Foto: dpa)
Foto: Marcus Brandt

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Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zeigte sich „einigermaßen verärgert“. Der Grund ist die jüngste und ziemlich peinliche Panne der Bundeswehr. Für rund eine Milliarde Euro hatte die Bundeswehr bei der Firma Rohde & Schwarz hochmoderne Digital-Funkgeräte bestellt. Diese waren für die rund 13.000 Fahrzeuge der sogenannten „Kanzler-Division“ vorgesehen. Dieser Verband, es handelt sich dabei um die 10. Panzerdivision, soll ab Ende des kommenden Jahres der Nato als voll einsatzfähiger Großverband zur Verfügung stehen. Das hatte Bundeskanzler Olaf Scholz der Nato nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges versprochen, daher auch der Name des Verbandes.

Die Pleite mit den Funkgeräten

Voraussetzung aber für die Einsatzfähigkeit der „Kanzler-Division“ ist ihre digitale Nachrüstung, denn – wen wundert´s – auch bei der Bundeswehr hapert es mit der Digitalisierung, sie hinkt der Digitalisierung der anderen Natopartner deutlich hinterher. Doch das Ganze geriet zur Posse und sorgte, mal wieder, für Spott bei den Bündnispartnern. Offenkundig hatte die Abteilung im Bundeswehrbeschaffungsamt in Koblenz, die für Funkgeräte zuständig ist, nicht richtig mit der anderen Abteilung für Fahrzeuge kommuniziert. Das Ergebnis: Nun hat die Bundeswehr zwar hochmoderne digitale Funkgeräte: Nur: In ihrer jetzigen Beschaffenheit passen sie nicht in die dafür vorgesehenen Fahrzeuge. Nun verzögert sich das ganze Einbauverfahren um ein Jahr, mindestens. Und deutlich teurer wird es auch.

Nicht die erste kostspielige Panne der Bundeswehr. Im Gegenteil. Deutschlands Militärs haben eine wenig ruhmreiche Geschichte in ihrem Beschaffungswesen. Seien es Funkgeräte, Drohnen oder Gewehre – irgendetwas geht immer schief.

Das Gewehr, das nicht trifft

Beim Einsatz in Afghanistan merkten die Bundeswehrsoldaten, dass dummerweise Schießen ihrem Gewehr nicht recht bekommt. Das Standardgewehr der Bundeswehr, das G36, hatte die missliche Eigenschaft, dass der Lauf der Waffe nach mehreren hundert Schuss so heiß wurde, dass die Treffgenauigkeit rapide abnahm. Bei einer Entfernung von 300 Metern traf dann nur noch jeder dritte Schuss. Das Einsatzführungskommando sah sich deshalb veranlasst, den Soldaten den Rat an die Hand zu geben, in solchen Fällen die Gebrauchsanweisung zu studieren – nämlich das Rohr „auf Handwärme abkühlen“ zu lassen.

Kurz zuvor hatte sich der damalige Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziére bei der Beschaffung einer Aufklärungsdrohne komplett verheddert. Mit großen Vorschusslorbeeren als „Minister Makellos“ war de Maiziére in das Bundesverteidigungsministerium gekommen, um dann nur wenig später von den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses des Bundestages als „Minister Ahnungslos“ tituliert zu werden. Grund für den rapiden Ansehensverlust des Ministers war das Debakel um die Beschaffung der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“, das den Steuerzahler einen dreistelligen Millionenbetrag kostete. Die Riesendrohne war dafür vorgesehen, in großer Höhe mit ihrer Sensortechnik Telefongespräche und andere Kommunikation abzuhören und per Funk an die Bodenstation zu melden. Doch das Millionen-Projekt nahm ein noch unrühmlicheres Ende als die unpassenden Funkgeräte oder das nur bedingt einsatztaugliche Gewehr: De Maziéres Superdrohne wurde erst gar nicht in den Dienst gestellt. Denn nach und nach stellte sich heraus, dass das in den USA bestellte Gerät keine Flugerlaubnis in Deutschland bekam. Als dann, endlich, der Minister das Projekt stoppte, waren 300 Millionen Euro aber schon in den Sand gesetzt.

Doch De Maiziére setzte damit nur eine alte Traditionslinie der Bundeswehr fort. So recht weiß heute keiner mehr, wer eigentlich auf die Idee kam, dass die Bundeswehr eine Fabrik zur Herstellung eigener Medikamente und Kosmetikprodukte bräuchte. Insgesamt flossen rund 20 Millionen Euro in den Neubau der Fabrik, ehe der Bundesrechnungshof feststellte, dass es der Bundeswehr deutlich preisgünstiger käme, wenn sie ihre Kosmetika wie Nasenspray, Sonnencreme oder Lippenschutzstifte bei „Rossmann“ bestellt. Zur Luftnummer geriet auch die geplante Anschaffung von Luftkissenbooten – alle getesteten Prototypen fielen bei Tests jämmerlich durch. Als die Luft dann endgültig raus und das Projekt gestoppt wurde, waren abermals Millionen schon ausgegeben worden.

Die Befürchtung des Rechnungshofes

Geradezu „legendär“ ist auch der Bau einer „Zielsimulationshalle“ für 16 Millionen Euro. Das Problem war nur, dass die Projektionswand der Halle sich nicht von den Spuren reinigen ließ, die Munition und Geschosse hinterließen. Selbst das für eine Million Euro beorderte Reinigungsgerät aus den Ohrhaaren südamerikanischer Rinder schaffte, so der Bundesrechnungshof, keine Abhilfe. Noch verheerender war die Kritik des Rechnungshofes bei der Beschaffung von Handfeuerwaffen, die nur noch bedingt auf die Bedürfnisse der Truppe abgestimmt war. Und wann immer die Sprache auf das ineffiziente Management des Fuhrparks kommt, greifen sich die Rechnungsprüfer kollektiv ans Herz.

Dabei fürchten die Prüfer des Rechnungshofes, dass das alles nur der Anfang ist und es noch deutlich schlimmer kommen könnte. Denn sollte erst einmal die Bundeswehr über die gesamten Mittel aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen verfügen, droht, so die Befürchtung, eine noch viel größere Welle an Verschwendung. Denn, so die einleuchtende Überlegung des Rechnungshofes, wenn das Bundesverteidigungsministerium der Bundeswehr schon jetzt regelmäßig bei Beschaffungen im viel kleineren Maßstab versagt, wie soll es dann bei den so viel teureren Anschaffungen in der Zukunft funktionieren?


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