Unternehmen

Massiver Stellenabbau bei deutschen Großunternehmen – auch Fach- und Führungskräfte betroffen

Krisenzeit in Deutschland: Großkonzerne streichen massiv Stellen. Die Konjunkturschwäche und hohe Kosten zwingen zum Handeln. Auch einige Schlüsselbranchen sind betroffen.
07.03.2024 08:01
Lesezeit: 4 min

Es wird ein Kahlschlag werden – viele führende deutsche Unternehmen bauen in großem Umfang Stellen ab. Harte Zeiten für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Betroffen sind auch hochqualifizierte Mitarbeiter, die trotz Fachkräftemangel jetzt nicht mehr gebraucht werden.

Schwächelnde Konjunktur, hohe Energiepreise, andauernde Inflation und weiterhin hohe Zinsen fordern die Unternehmen. Insbesondere in der Automobilindustrie und der Chemiebranche sieht es düster aus. Aber auch Unternehmen wie SAP und Deutsche Bank streichen in großem Stil Stellen.

Automobilindustrie: Autoproduktion in Deutschland rückläufig

Wurden im Jahr 2016 noch 5,7 Millionen Fahrzeuge in Deutschland gebaut, so sank die Zahl auf 4,1 Mio. im Jahr 2023. Auch in diesem Jahr sieht es nicht besser aus - der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht für 2024 eine Stagnation auf diesem Niveau.

VW hatte bereits angekündigt, 2024 in einem umfangreichen Sparprogramm 10 Milliarden Euro Kosten einzusparen und einen Einstellungsstopp für mehrere Standorte zu verhängen. Die Kostenreduktion sei dringend notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, so Vorstand Thomas Schäfer. In der Verwaltung sollen ein Fünftel aller Kosten eingespart werden. Kurzfristige Entlassungen sind dabei nicht geplant, da das Unternehmen mit den Arbeitnehmervertretern eine Jobgarantie bis 2029 vereinbart hat. Allerdings sollen demografische Effekte maximal genutzt werden und neue Modelle zu Ruhestandsregelungen und der Altersteilzeit umgesetzt werden.

Automobilzulieferer bauen ein Viertel ihrer Stellen ab – 70.000 Arbeitsplätze betroffen

In der Automobilzulieferindustrie, in der aktuell 270.000 der insgesamt rund 780.000 Mitarbeiter der Automobilindustrie arbeiten, geht es ebenfalls rund. Wie Frank Schwope, Dozent für Automobilwirtschaft an der Hochschule FHM Hannover, der Zeitschrift Automobilwoche mitteilte, werde es bis 2030 wohl nur noch rund 200.000 Beschäftigte in der Zulieferindustrie in Deutschland geben.

Große Automobilzulieferer, wie Bosch, ZF und Continental planen aktuell einen umfangreichen Personalabbau. Bosch will 1500 Stellen in Deutschland bis Ende 2025 streichen in den Bereichen Entwicklung, Verwaltung und Vertrieb. Hoher Kostendruck und die unsichere Zukunft beim Geschäft mit dem autonomen Fahren seien die Hauptgründe. Auch hier sind keine direkten Entlassungen geplant, jedoch werden Stellen bei Personalwechseln nicht erneut ausgeschrieben. Es sollen Abfindungsvereinbarungen und Vorruhestandsregelungen eingesetzt werden, um die Ziele zu erreichen. Weitere Stellen sollen auch bis Ende 2026 weltweit in der Softwareentwicklung wegfallen. Auch hier sind mehrere deutsche Standorte betroffen. Continental kündigte bereits Mitte Februar an, 7150 Arbeitsplätze im Zuliefergeschäft für die Automobilbranche weltweit zu streichen. Die Produktion im hessischen Babenhausen soll bis 2028 nach Südosteuropa verlagert werden. Davon sind in Babenhausen allein rund 1080 Mitarbeiter betroffen.

Und auch beim großen Zulieferer ZF Friedrichshafen könnte es zu einem Rundumschlag kommen. Der Konzern sieht potenzielle Einsparungen von 12.000 Stellen bis 2030. Von Seiten des Betriebsrates wird befürchtet, dass es bis zu 18.000 Stellen treffen könnte. Der ZF Konzern hat mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen; das Unternehmen drückt 11 Milliarden Euro Schulden. Außerdem kämpft es mit dem Umbau zur Elektromobilität aufgrund der schwachen Konjunktur.

Barbara Resch, die Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg führte dazu aus, dass laut einer Strukturstudie Baden-Württemberg 2023 das Bundesland als Automobilbauerzentrum bis 2040 rund 32 Prozent seiner 480.100 Beschäftigten verlieren könnte.

Chemie- und Pharmariesen in der Dauerkrise

Auch bei Konzernen wie Bayer und BASF sieht es düster aus. Wie Klaus-Peter Stiller, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Chemie (BAVC), gerade mitteilte, befindet sich die Chemiebranche in der tiefsten Krise seit dem Bestehen der Bundesrepublik. Durch die mangelnde Nachfrage und große strukturelle Probleme produzieren die Unternehmen aktuell so wenig wie zuletzt im Jahr 2005.

BASF als weltgrößter Chemiekonzern legt deshalb ein weiteres Sparprogramm und Stellenabbau auf, mit dem bis Ende 2026 zusätzlich zu den bisherigen Sparmaßnahmen Kosten in Höhe von einer Milliarde Euro eingespart werden sollen. Dies ist mit einem weiteren Stellenabbau verbunden. Bereits im Jahr 2022 hatte BASF wegen schlechten Umsätzen ein Sparprogramm aufgelegt, mit dem die jährlichen Kosten bis Ende 2026 um insgesamt 1,1 Milliarden Euro gesenkt werden sollten. Damit ist ein Stellenabbau um 3300 Jobs verbunden, wovon allein 700 Stellen in der Ludwigshafener Produktion entfallen. Auch sollen Anlagen in energieintensiven Sparten wie der Ammoniakproduktion stillgelegt werden. Von den 38.710 Beschäftigten in Ludwigshafen sind derzeit ca. zwei Drittel in der Produktion tätig. Umsatz und Gewinn bei BASF blieben im Jahr 2023 weit hinter den Erwartungen zurück. Schwache Nachfrage und stark gestiegene Energiekosten seien die Hauptursachen, hieß es aus dem Management.

Auch beim Pharmariesen Bayer in Leverkusen laufen umfangreiche Umstrukturierungen, die viele Arbeitsplätze obsolet machen. CEO Bill Anderson will bürokratische Unternehmensstrukturen massiv abbauen und plant dafür einen umfangreichen Stellenabbau, der zur Streichung ganzer Führungsebenen im Konzern führen soll. Deshalb sind insbesondere die Führungskräfte im Unternehmen betroffen.

Aktuell beschäftigt der Konzern weltweit 17.000 Führungskräfte in 12 verschiedenen Hierarchieebenen. Betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland sind erst ab Ende 2026 möglich. Der Stellenabbau soll mit Abfindungen und Unterstützungsmaßnahmen der Mitarbeiter zügig vorangetrieben werden. Wie viele der rund 22.200 Mitarbeiter in Deutschland betroffen sind, ist derzeit noch unklar. Bayer leidet zurzeit unter fehlenden Umsatzschlagern, da Patente für hochprofitable und nachfragestarke Produkte auslaufen. Zusätzlich belastet den Konzern die Klagewelle gegen die Konzerntochter Monsanto in der Agrarsparte.

Auch bei SAP, Miele und der Deutschen Bank massive Stellenstreichungen

Auch bei SAP sollen trotz gut laufender Geschäfte 8000 Stellen weltweit abgebaut werden. Grund ist der Umbau des Konzerns, der in Zukunft stärker auf KI-Produkte setzen will. Für die neue Geschäftsausrichtung werden neue Qualifikationen bei den Mitarbeitern benötigt.

Bis Ende 2024 sind zwar betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, zwei Drittel der 8000 betroffenen Mitarbeiter sollen nach Unternehmensangaben jedoch durch Vorruhestandsangebote oder Abfindungen zum Verlassen des Unternehmens bewegt werden. Ein Teil der betroffenen Mitarbeiter kann sich durch Umschulungsmaßnahmen für andere Positionen im Unternehmen qualifizieren. Betroffen sind hier besonders auch hochqualifizierte Softwareentwickler, die für die neue KI-Ausrichtung nicht mehr gebraucht werden.

Beim Traditionsunternehmen Miele sollen 2.700 Stellen in Deutschland entfallen. Davon werden 2.000 Stellen abgebaut und 700 nach Polen verlagert. Das Effizienzprogramm sei notwendig, um gestiegenen Kosten und geringer Nachfrage zu begegnen. Durch die Maßnahmen sollen bis Ende 2026 500 Mio. Euro eingespart werden, hieß es in einer Pressemitteilung des Managements. Im Jahr 2023 sanken bei Miele die verkauften Stückzahlen um 8 Prozent und der Umsatz sank um 9 Prozent.

Auch die Deutsche Bank plant, 3.500 Stellen anzubauen. Begründet wird dies insbesondere mit der gestiegenen Steuerquote, die den Gewinn 2023 im Vergleich zum Vorjahr schmälerte. Obwohl die Geschäfte im Jahr 2023 wieder besser liefen, hat die Bank weniger verdient. Der Überschuss lag im Jahr 2023 mit ca. 4,2 Mrd. Euro ganze 16 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres.

 

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