Politik

Eskalation im Nahen Osten: Israel plant wohl Antwort auf iranischen Drohnenangriff

Lesezeit: 3 min
16.04.2024 08:23
Die Spannungen im Nahen Osten spitzen sich zu, nachdem der Iran Israel mit Raketen attackiert hat. Welche Optionen hat Israel? Wie reagiert das Land? Angeblich hat die israelische Regierung bereits ihren wichtigsten Partner USA darüber informiert, dass der Angriff Irans nicht unbeantwortet bleiben werde - geht nun ein Pulverfass hoch?

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Israel will den Iran für dessen Drohnen- und Raketenangriff bestrafen, ohne internationalen Rückhalt zu verlieren. Man wäge die weiteren Schritte ab, sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi am Montag. Auf einen Angriff mit so vielen Raketen auf Israel werde eine Reaktion folgen. Zugleich fügte Halevi hinzu: "Der Angriff des Irans hat neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit im Nahen Osten geschaffen. Wir bewerten die Lage und halten uns auf höchstem Niveau bereit."

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte einem Bericht des israelischen Rundfunksenders Kan zufolge bei einem Treffen mit Ministern seiner Likud-Partei, auf den Angriff des Irans müsse eine kluge Reaktion folgen. Der Iran solle nervös warten müssen, wann die Gegenreaktion erfolge, so wie es Israel vor dem Angriff am späten Samstagabend ergangen sei.

USA wollen sich zu möglichem Gegenschlag Israels nicht äußern

Am Montag war erneut das israelische Kriegskabinett zusammengetreten. Eine offizielle Stellungnahme zu Ergebnissen des Treffens gab es zunächst nicht. Der Fernsehsender Channel 12 berichtete ohne Angabe von Quellen, es seien verschiedene Szenarien erörtert worden, wie auf den iranischen Großangriff reagiert werden könne. Israels Ziel ist es demnach, dem Iran zu schaden, ohne einen umfassenden Krieg auszulösen.

Die US-Regierung wollte sich nicht öffentlich zu einem möglichen Gegenschlag Israels äußern. "Wir werden den Israelis das Wort überlassen", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Montag. Die USA seien nicht an dem Entscheidungsprozess beteiligt.

Israels Militär hatte bei der erfolgreichen Abwehr des iranischen Angriffs Unterstützung der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens bekommen. Die USA bekräftigten nach dem Angriff auch ihr "eisernes Bekenntnis" zu Israels Sicherheit. Allerdings will sich Washington an einem möglichen Vergeltungsschlag nicht beteiligen und dringt wie andere Verbündete auf eine Deeskalation. Auf die Frage, ob die USA besorgt seien, dass ein israelischer Vergeltungsschlag amerikanische Streitkräfte in der Region gefährden könne und die USA sich deshalb nicht beteiligen wollten, erklärte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Montag, es liege an Israel, zu entscheiden, ob es auf den Angriff reagieren werde oder nicht.

Israels Verteidigungsminister diskutiert weiteres Vorgehen in Rafah

Der iranische Angriff habe gezeigt, wie wichtig Israels Beziehungen zu den USA wie auch zu anderen Partnern seien, schrieb das "Wall Street Journal" am Montag. Analysten zufolge werde dies wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt sein, wenn Israel - das vorher wegen seines harten Vorgehens im Gaza-Krieg zunehmend isoliert war - seinen nächsten Schritt abwäge. Auch die Kriegsziele im Kampf gegen die mit dem Iran verbündete Hamas im Gazastreifen dürften demnach Teil der Kalkulationen Israels sein, einschließlich der geplanten Offensive gegen die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah im Süden des abgeriegelten Küstengebiets.

Israels Verteidigungsminister Joav Galant erörterte am Montagabend mit Vertretern seines Ministeriums und der für Kontakte mit den Palästinensern und humanitäre Hilfe zuständigen Cogat-Behörde das weitere Vorgehen in Rafah. Nach Angaben der Regierungspressestelle ging es bei dem Treffen vor allem um die Evakuierung von Zivilisten aus der Stadt und die Ausweitung von Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen. Vor dem iranischen Großangriff auf Israel hatte Regierungschef Netanjahu verkündet, es gebe schon einen Termin für eine Offensive. Galant widersprach dem jedoch kurz darauf.

EU könnte Iran mit neuen Sanktionen belegen

In der EU werden unterdessen mögliche neue Sanktionen gegen den Iran erwogen. Wie mehrere Diplomaten am Montagabend nach Gesprächen von Vertretern der Mitgliedstaaten in Brüssel sagten, dürfte das Thema an diesem Dienstag bei einer Videoschalte der Außenminister auf den Tisch kommen. Neue Strafmaßnahmen könnten demnach über eine Sanktionsregelung verhängt werden, die nach dem Beginn der iranischen Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine durch Drohnenlieferungen eingerichtet wurde. Über sie wurde bislang unter anderem die Ausfuhr von Bauteilen in den Iran verboten, die für den Bau und die Produktion von Drohnen verwendet werden. Zudem sind auch Personen und Organisationen von Strafmaßnahmen betroffen.

Gegen neue scharfe Sanktionen könnte laut Diplomaten allerdings das Risiko einer Eskalation sprechen. So will der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell weiter versuchen, den Iran dazu bewegen, wieder ein Abkommen zur Einschränkung seines Nuklearprogramms einzuhalten. Es soll verhindern, dass der Iran eine Atombombe baut. Bei der wegen des iranischen Angriffs auf Israel einberufenen Videokonferenz am Dienstag soll grundsätzlich darüber gesprochen werden, wie die Europäische Union zu einer Deeskalation in der Region beitragen kann.

Erdogan spricht mit Emir von Katar über Gaza-Krieg

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan telefonierte nach Angaben seines Büros mit dem Emir von Katar und forderte angesichts des Gaza-Krieges eine verstärkte Zusammenarbeit islamischer Länder. Diese müssten ihre Bemühungen verstärken, um Israels "brutale Angriffe" im Gazastreifen zu stoppen und das Land für "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zur Rechenschaft zu ziehen, hieß es am Montag in einer Mitteilung des Präsidialamts. Es sei entscheidend, zügelnd auf Israel einzuwirken und mit gesundem Menschenverstand zu handeln, um eine Ausbreitung der Spannungen in der Region zu verhindern. Der iranische Angriff auf Israel wurde nicht explizit erwähnt.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...