Politik

Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten

Lesezeit: 3 min
24.04.2024 18:08  Aktualisiert: 24.04.2024 18:15
Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus stehen der Gaza-Krieg und die Hilfen für die Ukraine. Sunak drängt auf höhere Verteidigungsausgaben von Berlin, während die Diskussionen über Europas Sicherheitsrolle im Zuge des Krieges in der Ukraine anhalten.
Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, rechts) und der britische Premierminister Rishi Sunak bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt (Foto: dpa).

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Während der politischen Unsicherheiten und des drohenden Machtverlusts innerhalb seiner eigenen Partei, Conservative Party, markierte der Antrittsbesuch des britischen Premierministers Rishi Sunak in Berlin einen kritischen Zeitpunkt. Sunak besuchte Deutschland anderthalb Jahre nach seiner Amtsübernahme, im Anschluss an seinen Besuch in Polen.

Trotz der politischen Kontroverse in Großbritannien wegen eines Asylpakts mit Ruanda, brachte die Reise Sunak nicht nur diplomatische Pflichten, sondern auch den dringend notwendigen Rückenwind mit.

„Ohne Sicherheit ist alles nichts“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Bezug auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nach dem Treffen mit Sunak in Berlin. Im Mittelpunkt ihrer gemeinsamen Pressekonferenz standen die bilateralen Kooperationen in den Bereichen Verteidigung, Energie, Sicherheit und illegale Migration. Die Betonung beider Seiten auf die Unterstützung der Ukraine und Sicherheit in Europa im Zuge der deutsch-britischen Beziehungen zeigt, wie tief der anhaltende Krieg in der Ukraine Kapazitäten Europas belastet.

Militärische Allianzen und Verteidigungsausgaben im Fokus

Die Zusammenarbeit in den Bereichen Militär unter anderem im Zusammenhang mit Eurofighter-Jets und Investitionen im Bereich der Energie zwischen Deutschland und Großbritannien steht aktuell hoch im Kurs. Beide Länder arbeiten gemeinsam an der Entwicklung und dem Einsatz der Mehrzweckkampfflugzeuge, die einen wichtigen Teil ihrer Luftverteidigungsstrategie darstellen.

Die Ankündigung Sunaks, die britischen Verteidigungsausgaben bis 2030 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen, sendet ein starkes Signal an die europäischen NATO-Partner. Dies geschah, nachdem Berlin London aufgefordert hatte, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen.

„Wir können nicht davon ausgehen, dass Amerika jeden Preis zahlt oder jede Last trägt, wenn wir nicht bereit sind, Opfer für unsere eigene Sicherheit zu bringen“, betonte Sunak bereits während seines Besuchs am Dienstag in der polnischen Hauptstadt Warschau.

Berlin hat mittlerweile seine Rolle als Hauptwaffenlieferant der Ukraine gefestigt. Dabei wird eine Position weiter verstärkt, die durch die amerikanischen und britischen Zusagen zur Militärhilfe begünstigt wurde.

Energiepartnerschaft mit Großbritannien

Sunak begrüßte in Berlin auch die Investitionen aus Deutschland im Energiesektor, vorwiegend im Bereich der erneuerbaren Energien und im Zusammenhang mit dem Export von grünem Wasserstoff. Das deutsche Energieunternehmen RWE hat angekündigt, bis 2030 mehr als 8 Milliarden Euro in Großbritannien zu investieren.

Auch E.ON in Essen will in den nächsten fünf Jahren 1,14 Milliarden Euro in Großbritannien investieren, um den Übergang zu grüner Energie voranzutreiben. Diese Investitionen sollen die Energieziele beider Länder unterstützen und die Energieversorgungssicherheit stärken.

Britische Asylpolitik und internationale Kritik

Während der Pressekonferenz thematisierte Sunak auch die jüngste Entscheidung, Asylsuchende nach Ruanda abzuschieben. Trotz erheblicher internationaler Kritik verteidigt Sunak die Souveränität seiner Regierungspolitik: „Die gewählte Regierung bestimmt, wer ins Land darf, und nicht ein ausländisches Gericht“. Dabei handelt es sich um eine Anspielung auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Manche EU-Institutionen haben Asylpläne der britischen Regierung, insbesondere die Vereinbarung mit Ruanda, kritisiert. Sie argumentieren, dass diese gegen internationale Menschenrechtsnormen verstoßen könnten. Zudem hat die EU Sunak vor einem Vorhaben gewarnt, Menschenrechtsgerichte zu umgehen.

Die britische Regierung hingegen begründet ihre Asylpolitik mit dem Argument, gefährliche Überfahrten über den Ärmelkanal verhindern und das Geschäft der Menschenschmuggler bekämpfen zu wollen. Sie setzt auch auf die Notwendigkeit nationaler Souveränität in der Einwanderungspolitik, damit die Regierungsbehörden und nicht internationale Gerichte bestimmen, wer ins Land darf.

Seine Politik, die in Großbritannien auch Proteste ausgelöst hat, findet in Deutschland Aufmerksamkeit. Die Verlagerung von Asylverfahren außerhalb der Europäischen Union (EU) wird auch hier schon lange diskutiert. Es zeigte sich in Scholz' Hinweisen auf die Vertiefung der Kooperationen gegen illegale Migration nach Europa.

Handelsbeziehungen und Herausforderungen

Die Gespräche zwischen Sunak und Scholz umfassten nicht nur die Militärhilfe für die Ukraine, sondern auch den Brexit und seine langfristigen Auswirkungen auf die bilateralen Handelsbeziehungen.

Der bilaterale Handel zwischen beiden Ländern hat sich zum Teil erholt. Großbritannien gehört wieder zu den besten zehn Handelspartnern Deutschlands. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern belief sich in den vier Quartalen bis zum Ende des dritten Quartals 2023 auf etwa 168,38 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Anstieg von 11,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Trotzdem gibt es weiterhin Themen wie Sunaks Ablehnung eines EU-Mobilitätsprogramms für junge Menschen. Das unterstreicht den Bedarf an weiterführenden Gesprächen.

Der Besuch Sunaks symbolisierte daher mehr als nur eine formelle diplomatische Pflicht; er war ein Test der Belastbarkeit und eine Betonung der zukünftigen Richtung von deutsch-britischen Beziehungen in einem zunehmend unsicheren Europa.

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch nahe 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
22.11.2024

Ein Bitcoin-Rekordhoch nach dem anderen - am Freitagmorgen kletterte der Bitcoin-Kurs erstmals über 99.000 US-Dollar. Seit dem Sieg von...

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform: Entscheidung über Lauterbachs hoch umstrittenes Projekt heute im Bundesrat
22.11.2024

Krankenhausreform: Kommt sie jetzt doch noch? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht mit seinem hochumstrittenen Projekt vor...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz von HH2E: Rückschlag für Habecks Energiewende - Wasserstoffprojekte in Sachsen in Gefahr
22.11.2024

Der Wasserstoff-Spezialist HH2E hat Insolvenz angemeldet, die Finanzierung durch ein britisches Private-Equity-Unternehmen ist gestoppt....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktien sind heiß gelaufen: Warum immer mehr Analysten den europäischen Aktienmarkt in den Blick nehmen
22.11.2024

Vermögensverwalter Flossbach von Storch sieht zunehmend Risiken für US-Aktien. Nach der jüngsten Rekordjagd an den US-Börsen verlieren...

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...