Weltwirtschaft

Pharmaindustrie: Der Milliardenmarkt der Medikamente

Lesezeit: 4 min
14.05.2024 13:14
Die Pharmaindustrie ist ein Schlüsselsektor der Wirtschaft. Jedes Jahr werden hunderte Milliarden Euro mit Medikamenten umgesetzt. Ein genauerer Blick auf den Markt und seine Entwicklungen lässt Rückschlüsse auf die Zukunft der Medizin zu.
Pharmaindustrie: Der Milliardenmarkt der Medikamente
Die Pharmaindustrie verdient jedes Jahr zig Milliarden an Krankheiten der Bevölkerung. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Pharmaindustrie ist riesig. Der globale Markt für verschreibungspflichtige und -freie Medikamente sowie sonstige Behandlungen ist circa 1,4 Billionen (Tausend Milliarden) Euro schwer, so eine Analyse von „Grandview Research“. Laut einer Studie des Branchenverbands BPI machte der Pharmasektor in Deutschland 2023 einen Jahresumsatz von 52 Milliarden Euro und beschäftigt derzeit rund 123.000 Menschen.

Krebs ist mit Abstand der größte Umsatzbringer für die Pharmakonzerne. 2023 wurden rund 180 Milliarden Euro mit Krebsmedikamenten umgesetzt, was einem Marktanteil von 13 Prozent entspricht. Davon entfallen allein 25 Milliarden auf den weltweit umsatzstärksten Arzneistoff „Keytruda“ von Merck – eine Immuntherapie, die gegen verschiedene Krebsarten helfen soll. Ab einem Jahresumsatz von mindestens einer Milliarde Dollar (aktuell umgerechnet 1,07 Milliarden Euro) spricht man übrigens von einem sogenannten Blockbuster-Medikament, welches jede Pharmafirma am liebsten mehrfach im Produktportfolio hätte.

Wachstumsmarkt Übergewicht

Am zweitwichtigsten sind Mittel gegen Adipositas. Der dänische Pharmariese Novo Nordisk dominiert hier mit seinem Medikament namens „Ozempic“, das gegen Typ-2-Diabetes und zur Gewichtsreduktion Verwendung findet (14 Milliarden Euro Umsatz). „Mounjaro“ von Eli Lilly erwirtschaftet jährlich mit 5 Milliarden Euro nur etwas mehr als ein Drittel dessen, ist aber auch erst seit September 2022 zugelassen und hat seitdem ein exponentielles Wachstum hinter sich. Novo Nordisk kann hier mit „Wegovy“ (3,3 Milliarden Euro Umsatz) sogar noch ein zweites Blockbuster-Medikament aufbieten.

Dass Krebs- und Diabetets-Medikamente die führenden Umsatzbringer für die Pharmaindustrie sind, verwundert nicht. Es handelt sich sozusagen um eine der ältesten und eine der neuesten Zivilisationskrankheiten. Besonders die Abnehmspritzen sind zurzeit ein Dauerthema und stehen bisweilen auch in der Kritik. „Diese Medikamente sind ein Durchbruch“, äußerte sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Sie werden momentan nur dann von den Krankenkassen bezahlt, wenn es um die reine Eindämmung von Diabetes geht, was etwa für „Wegovy“ nicht gilt.

Medikamenten-Umsätze sind volatil

Ein weiterer Verkaufsschlager ist auf Platz Zwei der Covid-Impfstoff „Comirnaty“ von Pfizer/Biontech mit 15 Milliarden Euro Umsatz, wobei es 2022 mit 38 Milliarden noch die umsatzstärkste Arznei der Welt war. Dahinter folgen in der Rangliste das Rheuma- beziehungsweise Arthritis-Mittel „Humira“ des US-Konzerns Abbvie mit 14,5 Milliarden Euro und „Eylea“, eine Lösung gegen Netzhauterkrankungen des bekannten deutschen Chemie- und Pharma-Unternehmens Bayer mit 13 Milliarden.

Die Beispiele „Comirnaty“ und „Humira“ zeigen, wie schnell sich die Gegebenheiten in der Pharmabranche ändern können. Letztes Jahr lagen diese Arzneimittel noch auf Platz eins und zwei. Die Covid-Impfung von Pfizer/Biontech ist massiv von der politischen Nachfrage abhängig. Vor der Coronakrise hingegen war Abbvies´ Rheuma-Mittel viele Jahre lang das erfolgreichste Medikament. Mit dem Ablauf des Patentschutzes begann Ende 2018 ein schleichender Ertragsschwund. Nachahmerpräparate, auch Generika genannt, können auch das beste Medikament irgendwann marginalisieren. Es hängt dann stark davon ab, wie einfach sich der Wirkstoff kopieren lässt und wieviel Geld man in dem Bereich verdienen kann. Massentaugliche Diabetes-Medikamente sind offensichtlich mehr durch Nachahmer gefährdet als teure Arzneien für seltene Krankheiten.

Große Hoffnungen auf Genomsequenzierung

Ein sehr junges Feld mit gewaltigem Zukunftspotential und zugleich noch unbekannten Risiken ist die Genomsequenzierung. Ärzte erhoffen sich dadurch so große Fortschritte in der Diagnostik, dass einzelne auf den jeweiligen Patienten zugeschnittene Gentherapien realisierbar werden. Die Forschungs- und Entwicklungskosten sind enorm. Jennifer Doudna, Pionierin auf dem Gebiet der CRISPR-Forschung und Leiterin des „Innovative Genomics Institute“, meint, dass noch viel mehr in die Genom-Medizin investiert werden müsse, um die Technologie für alle Menschen zugänglich zu machen.

In der EU wurden bereits zahlreiche Gentherapien gegen beispielsweise Blutkrebs, Hämophilie und Tuberkulose von teils namhaften Pharmakonzernen wie Pfizer, Biogen und Janssen zugelassen. Darunter ist auch das mit über 2 Millionen Dollar angeblich teuerste Arzneimittel der Welt, eine Muskelschwund-Genmedizin namens „Zolgensma“ von Novartis. In Deutschland sind grundsätzlich nur somatische Gentherapien erlaubt, also solche, die nur die Behandlung nicht vererbbarer Körperzellen betreffen. Die Genom-Medizin wird politisch vorangetrieben. Deutschland ist Teil einer EU-Initiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, eine Million menschlicher Genome zu sequenzieren und damit die Gesundheitsversorgung zu verbessern.

Neben personalisierter Medizin gelten auch Methoden der regenerativen Medizin und Zelltherapien als sehr zukunftsträchtig, weil sie komplexe Krankheiten wirklich heilen könnten. Klassische Arzneien können Krankheitsbilder wie Krebs, Alzheimer oder Multiple Skleros häufig nur bekämpfen und verzögern damit maximal den gesundheitlichen Verfall.

Hohe F&E-Ausgaben – mit Fokus auf Krebsforschung

Laut Zahlen von Statista investierten Pharmaunternehmen letztes Jahr weltweit grob 260 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung - davon rund 10 Milliarden in Deutschland. Die Tendenz ist steigend. Die langwierigen und teuren Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten sind nicht nur bei Gentherapien, sondern in der gesamten Pharmaindustrie ein Problem. Für junge Firmen stellen sie eine massive Markteintrittsbarierre dar, bei Investoren sorgen sie für ein hohes Risiko eines Totalverlusts und selbst für etablierte Konzerne kann es böse Folgen haben, wenn man die Kosten aus den Augen verliert. Gewinne müssen laufend in neue Projekte investiert werden, aber hohe Umsätze mit zukünftigen Medikamenten sind nicht garantiert. Es kann schon an der nötigen Zulassung scheitern.

Es herrscht ein gewisser Zwang zur Innovation. Aufgrund des stets endlichen Patentschutzes ihrer erfolgreichen Arzneimittel sind auch die Platzhirsche darauf angewiesen, ständig an einer ganze Reihe von Neuentwicklungen zu forschen. Die Schweizer Pharmariesen Roche und Novartis zählen nicht nur zu den konstantesten Unternehmen in ihrem Sektor, was die Finanz-Kennzahlen angeht, sondern haben auch weltweit die meisten Wirkstoffe in der Pipeline. Mit weitem Abstand am meisten geforscht wird in der Onkologie, vor allem im Bereich Brustkrebs, Lungenkrebs und Darmkrebs.

US-Konzerne dominieren Pharmamarkt

Unter den zehn wertvollsten Pharma-Konzernen der Welt findet sich kein einziger deutscher Vertreter.

Wenig überraschend dominieren US-Firmen wie Eli Lilly (673 Milliarden Euro) und Johnson & Johnson (338 Milliarden) die Toplisten. Die dänische Novo Nordisk ist mit Abstand der führende europäische Hersteller mit einer Marktkapitalisierung von 402 Milliarden Euro. Die traditionsreichen Schweizer Konzerne Novartis und Roche stehen mit einem Börsenwert von um die 200 Milliarden Euro auf Rang sechs und sieben.

Auf Platz 14 liegt Merck mit 68 Milliarden Euro und auf Platz 17 Bayer mit 28 Milliarden Euro. Biontech ist nur noch 22 Milliarden Euro wert, nachdem es in der Spitze fast 100 Milliarden waren. Das Mainzer Pharma-Unternehmen ist mit seiner mRNA-Technologie und dem in Kooperation mit Pfizer entwickelten Covid-Impfstoff bekannt geworden. Zuletzt litten Biontechs Zahlen massiv unter dem Ende der Corona-Pandemie. Nun will das Unternehmen verstärkt auf die Krebsforschungs-Sparte setzen.

                                                                            ***

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Boom-Segment aktive ETFs: BlackRock startet fünf neue Fonds
07.09.2024

Blackrocks ETF-Tochter iShares erweitert ihr Angebot in Europa um fünf neue aktive ETFs. Ziel der Fonds ist es, Anlegern kostengünstige...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Flexible Arbeitszeiten: Sind Vollzeitjobs ein Auslaufmodell?
07.09.2024

Eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nur noch eine Minderheit eine Stelle mit festen Arbeitszeiten...

DWN
Finanzen
Finanzen Derivate Erklärung: So funktionieren Zertifikate, CFDs und Optionsscheine
07.09.2024

Derivate wie Futures, Optionen, Zertifikate, Optionsscheine, Swaps und CFDs sind heftig umstritten. Einige sehen darin notwendige...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoffprojekt in Namibia könnte KZ-Gedenkstätte gefährden
07.09.2024

Deutschland unterstützt ein Großprojekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Lüderitz. An diesem Ort befand sich einst das erste...

DWN
Immobilien
Immobilien Tag des offenen Denkmals: 7 ungewöhnliche Monumente in Deutschland
07.09.2024

Ob Schloss Neuschwanstein oder Siegessäule: Viele Denkmäler in Deutschland sind international bekannt. Hier werfen wir einen Blick auf...

DWN
Technologie
Technologie Stromerzeugung aus Windkraft: Die Dynamik nimmt ab
07.09.2024

Im vergangenen Jahr war Windkraft erstmals die Hauptquelle der hiesigen Stromerzeugung, weit vor Kohle. Doch in diesem Jahr ist eine...

DWN
Politik
Politik Trump-Erfolg im Schweigegeld-Prozess: Urteil erst nach US-Wahl
07.09.2024

Im New Yorker Prozess wegen Schweigegeldzahlungen von Ex-Präsident Donald Trump wird das Strafmaß erst nach der Präsidentschaftswahl...

DWN
Panorama
Panorama Studie: Ungesunde Ernährung bereits bei Kleinkindern weit verbreitet
07.09.2024

Laut einer aktuellen Studie ernähren sich bereits Kleinkinder zu süß und ungesund. Wie das Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, ein...