Weltwirtschaft

Deindustrialisierung: Deutsche Batterie-Industrie zeigt Auflösungserscheinungen

Lesezeit: 4 min
30.05.2024 18:00
Die deutsche Batterie-Industrie steht vor dem Aus: Immer mehr Unternehmen geben ihre Produktionsstandorte auf, um in kostengünstigere Regionen zu verlagern. Die bedenkliche Entwicklung steht exemplarisch für die Deindustrialisierung Deutschlands.
Deindustrialisierung: Deutsche Batterie-Industrie zeigt Auflösungserscheinungen
Deutschlands Batterie-Industrie steht vor dem Aus - die Deindustrialisierungs-Welle rollt weiter durch das Land (Bild: iStockphoto.com\wacomba).

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Im internationalen Spitzenvergleich hat Deutschland eine sehr kleine Batterie-Industrie. Nun mehren sich die Anzeichen, dass auch die letzten Firmen, welche diese energieintensiven Produktionsprozesse hierzulande trotz nachteiliger Standortfaktoren gestemmt haben oder stemmen wollten, Deutschland den Rücken kehren.

Solarwatt beendet Produktion von Solarmodulen und Batteriespeichern in Dresden

Die jüngste Hiobsbotschaft kommt aus Sachsen: Solarwatt bestätigte am Montag offiziell den Plan, die Batteriespeicher-Fabrik am Standort Dresden, wo unter anderem der Akku „Battery flex“ gefertigt wird, zum Jahresende aufzugeben. Die Erklärung lässt tief blicken und ist in dieser Form schon zig Mal in den letzten Monaten zu hören gewesen. „Der Weiterbetrieb in Deutschland über 2024 hinaus ist aus wirtschaftlichen Gründen auf absehbare Zeit leider nicht mehr möglich“, sagte CEO Detflef Neuhaus.

Schon im April hatte Solarwatt das baldige Ende der Modulfertigung in Dresden verkündet – ebenfalls aus wirtschaftlichen Erwägungen. Fast zeitgleich hatte Meyer Burger die Solarmodul-Fabrik im sächsischen Freiburg geschlossen. Es scheint so, also sei die deutsche Solarindustrie nun endgültig nach China abgewandert – trotz teils gigantischer Subventionen in der Vergangenheit.

Die Module und Batteriespeicher wird Solarwatt in Zukunft exklusiv von Auftragsfertigern in Asien herstellen lassen. Durch die beiden Fabrik-Schließungen werden nun 170 der insgesamt 750 Solarwatt-Mitarbeiter ihren Job verlieren. Das Unternehmen will sich aber darum bemühen, die Mitarbeiter in anderen Bereichen unterzubringen, etwa in der Beratung oder Installation.

Parallel laufe bereits die Entwicklung der nächsten Generation von Batteriespeichern. „Für die neue Generation qualifizieren wir derzeit einen Produktionspartner“, erklärt Neuhaus. Das Unternehmen fokussiert sich künftig auf die Komplettlösungs-Sparte und Energiemanagement und will darin auch stark investieren. Solarwatt will zudem mehrere neue Zweigstellen in Deutschland hochziehen, in denen Experten die Planung und Installation von PV-Anlagen sowie Wärmepumpen für Hausbesitzer und Gewerbetreibenden betreuen sollen.

Svolt baut Fabrik doch nicht – wegen Marktschwankungen und Subventions-Problemen

Andere Region, ähnliches Problem. Der chinesische Batteriehersteller Svolt wird die angekündigte Fabrik im brandenburgischen Lauchhammer - auf einem früheren Gelände des Windanlagenbauers Vestas - nun doch nicht bauen. Zu dieser Entscheidung kam das Unternehmen laut eigenen Angaben nach einer Neubewertung der Standort-Strategie. Der Europachef von Svolt, Kai-Uwe Wollenhaupt, hob die Nachfrageschwäche bei E-Autos hervor und sprach von einem entscheidenden Schritt, um widerstandsfähiger gegenüber Marktschwankungen zu werden.

In einer Pressemitteilung heißt es wörtlich: „Bei Svolt ist neben einer ohnehin geringen Planungssicherheit auf unterschiedlichsten Ebenen – von international drohenden Strafzöllen bis hin zu Marktverzerrungen durch langwierige sowie ungleich verteilte Fördermittel – nun außerdem ein signifikantes Kundenprojekt weggefallen. Hinzu kommen die wieder aufflammenden Diskussionen über das Verbrenner-Aus in der EU, die sich kontraproduktiv auf die geplanten Lokalisierungsbemühungen auswirken.“

Man wolle sich künftig mehr auf standardisierte Batterien konzentrieren, „die leichter skalierbar und schneller umsetzbar“ seien. „Dazu gehören Antriebsbatterien für Nutzfahrzeuge, stationäre Energiespeichersysteme sowie deren Batteriezellen (so genannte Energy Storage Solutions, kurz: ESS) und Anwendungen im Non-Automotive-Bereich.“ Der Fokus liege weiterhin auf technologischer Innovation. Svolt möchte dabei das eigene Angebot diversifizieren und „die hohe Nachfrage nach hochwertigen Energiespeicherlösungen abseits des Pkw-Sektors agiler bedienen“.

Die chinesische Hightech-Firma produziert Lithium-Ionen-Batterien und Batteriesysteme für Elektroautos sowie Batteriespeicher. Svolt hatte angekündigt, für seine Europa-Produktion mehrere Batteriefabriken in Deutschland aufbauen zu wollen. Nun wird die Batteriezellproduktion vorerst bis auf Weiteres nur in China stattfinden. Denn die Entstehung einer weiteren Akkufabrik im Saarländischen Überrhein ist ungewiss, weil immer noch keine Baugenehmigung vorliegt.

Bereits im Februar hatten die deutsche Batterie-Industrie sowie in diesem Bereich tätige Forschungseinrichtungen die Bundesregierung in einem Brandbrief vor schweren Rückschlägen gewarnt und den Subventions-Wirrwarr angeprangert. „Wenn Batteriezellen zur Schlüsselindustrie werden sollen, brauchen wir Verlässlichkeit in der Politik, Forschungsförderung, Investitionsunterstützung und einen ganzheitlichen Plan“, zitierte das Handelsblatt damals den Vorstandsvorsitzenden von Customcells. Auslöser für den Protest war der Regierungsbeschluss, Fördergelder im Gesamtumfang von 155 Millionen Euro zu streichen, mit denen der Aufbau einer leistungsfähigen Produktions- und Forschungsinfrastruktur im Batteriesegment angeschoben werden sollte.

Deutsche Batterieindustrie nicht wettbewerbsfähig

Zwischen den Zeilen lässt sich heraus lesen, dass Svolt für den Standort in Deutschland Subventionen einkalkuliert hatte, die final aber doch nicht oder nur in geringerem Umfang kamen. Gerade jüngst wurden zugesagte Fördermittel für eine Lithiumhydroxid-Fabrik (ein Vorprodukt für Elektroauto-Batterien) des kanadisch-deutsche Unternehmens Rock Tech in der Lausitz wieder zurückgezogen, sodass die Brandenburger Landesregierung einspringen musste.

Dort wo die Subventionen ankommen, sind sie mitunter der einzige Grund dafür, dass Technologiefirmen überhaupt in Deutschland aktiv sind. Die Chipfabrik von Intel in Magdeburg wird den Bund 10 Milliarden Euro kosten. Und das Batteriewerk von Northvolt in Heide wäre ohne die 900 Millionen Euro an Fördergeldern von Bund und Landesregierung bestimmt nicht zustande gekommen. Letztlich handelt es sich nur um sündhaft teure Symbolpolitik, die das eigentliche Kernproblem – nämlich die unattraktiven Standortbedingungen, allen voran die hohen Energiekosten, die Steuerlast und Überregulierung – überhaupt nicht adressiert.

Was die Svolt-Mitteilung nicht explizit erwähnt, aber man durchaus ableiten kann, ist die Tatsache, dass die Batterieproduktion im Heimatland China eben deutlich lukrativer ist. Das hat nicht nur mit den Produktionskosten, sondern auch mit dem durch hohen Milliarden-Investitionen aufgebauten Kapitalstock und der Marktstellung zu tun. Die deutsche Industrie hat den Batterietrend eben massiv verschlafen und wird den Rückstand nun schwerlich aufholen.

Im global hart umkämpften Markt kann man kaum nicht mit den dominanten Technologieführern auch China und Korea mithalten. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) sind in China 85 Prozent der globalen Produktionskapazität für Batteriezellen angesiedelt. In China und dem Rest Asiens konzentriert sich zudem die Weiterverarbeitungskette bei wichtigen Batterie-Rohstoffen wie Lithium, Kobalt und Graphit.

Deindustrialisierung

Die Deindustrialisierung Deutschlands ist nicht mehr zu leugnen. Die Industrieproduktion befindet sich auf einem ähnlichen Niveau wie vor grob 15 Jahren. Bei der energieintensiven Industrie, zu denen die Batteriefertigung und etwa auch die Chemieindustrie (siehe Abwanderung von BASF nach China) zählt, sieht es noch schlimmer aus. Hier sank der Output 2023 um rund 9 Prozent. Der Trend bei den Kapitalabflüssen ins Ausland (negative Netto-Investitionen) – 94 Milliarden Euro letztes Jahr und 125 Milliarden in 2022 – ist ebenfalls besorgniserregend. Am bezeichnendsten ist wohl der folgende Indikator: Der Energieverbrauch in Deutschland befindet sich gemäß Kalkulationen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB) auf einem Allzeit-Tiefstand.

Was könnte man gegen den Negativtrend tun? Statt die Fertigung teuer zu subventionieren und dann, wie im Falle der Solarbranche, die Industrie letztendlich trotzdem ins Ausland abwandern zu sehen, müsste die Politik eine Ebene tiefer ansetzen: Forschung erleichtern und im kleinen Stil fördern, (Klima-)Bürokratie abbauen, Steuern senken. In Ermangelung von wichtigen Rohstoffen im Land muss man es der heimischen Industrie ganz besonders leicht machen, Produktionskapazitäten aufzubauen.

Hilfreich wäre es auch, wieder energetische Planungssicherheit und damit bezahlbare Energiekosten zu gewährleisten, indem die Atommeiler zurück ans Netz genommen werden und das bis 2035 geplante Abschalten der Kohlekraftwerke und andere wahnwitzigen Ideen wie der Gasnetz-Rückbau und das Energie-Effizienz-Gesetz bis auf Weiteres verschoben oder ganz ausgesetzt werden.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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