Politik

„Convicted Felon“: Urteil gegen Trump könnte das Ende seiner Glückssträhne bedeuten

Eine Jury in einem New Yorker Gericht hat gestern den Unternehmer Donald Trump wegen insgesamt 34 Vergehen schuldig gesprochen - und zwar in allen Anklagepunkten. Die Jury brauchte nur zwei Tage, um sich über den Schuldspruch zu verständigen, der einstimmig ausfiel. Es ging um das Schweigegeld für Pornodarstellerin Stormy Daniels, das Trump in betrügerischer Absicht falsch verbucht hat. Ob er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, ist noch nicht entschieden. Politisch könnte dies jedoch den Wahlkampf zugunsten von Biden entscheiden.
31.05.2024 16:00
Aktualisiert: 31.05.2024 17:00
Lesezeit: 4 min
„Convicted Felon“: Urteil gegen Trump könnte das Ende seiner Glückssträhne bedeuten
Donald Trump (Republikaner), Ex-Präsident der USA und Präsidentschaftsbewerber, geht zu den Medienvertretern, nachdem er im Strafgericht von Manhattan in 34 Fällen für schuldig befunden wurde (Foto: dpa). Foto: Seth Wenig

Amerikaner mögen keine „Convicted Felons“ – also verurteilte Schwerverbrecher, wie die deutsche Übersetzung suggeriert und dennoch nur oberflächlich die immanente Bedeutung des Begriffs im US-Gesellschaftssystem beschreibt. Es war ein heftiger Schlag, den Trump sichtlich mitgenommen in New York eingesteckt hat. Auch seine Familie war da keine Unterstützung mehr, zumal seine Ehefrau Melania nicht einmal im Gerichtssaal anwesend war, zum Erstaunen der breiten amerikanischen Öffentlichkeit. Seine alte Stadt ist längst kein Home-turf mehr.

Wie geht es nun weiter? Nun, Berufung kann Trump! Das hat er stets in Kauf genommen und zumeist weggelacht, wenn er früher vor Gericht gezerrt wurde, in seiner Zeit als Geschäftsmann oder als Prominenter. In der nächsten Instanz würde sicher alles gutgehen – mit viel Geld und guten Anwälten. Das ist diesmal längst nicht ausgemacht.

Diesmal könnte der berühmte Krug auf dem Weg zum Brunnen wirklich zerbrechen. In der Wahrnehmung der Medien und Öffentlichkeit ist Trump zunächst einmal schuldig. Das böse „Convicted Felon“ wird genüsslich in den Medien in jeder Moderation akzentuiert. Und das dürfte an Trump haften bleiben, in der Sicht von „Average Joe“ – dem unentschiedenen Durchschnittsamerikaner, der noch unsicher ist, wen er im November 2024 wirklich wählen soll.

Schuldig – nur noch nicht verurteilt, das ist der schreckliche Zwitter-Zustand, der dem Trump-Team zu schaffen macht. Erst am 11. Juli wird der Richter das Strafmaß bekanntgeben. Das Problem ist: Das ist nur noch wenige Tage vor dem republikanischen Wahlparteitag. Bis dahin werden Trump-Anwälte wie Todd Blanche kein Kaninchen mehr aus dem Hut ziehen. Das Trump-Lager mag den Prozess als „sehr unfair“ empfunden haben. Wirklich handfeste Argumente, das Urteil in nächster Instanz auszuhebeln, können Rechtsexperten aber bislang nicht erkennen. Außerdem gibt es noch weitere Anklagepunkte und Verfahren, die noch ausstehen. Die Bürger wissen, dass über den Sturm aufs Kapitol noch nicht gerichtet wurde und den Versuch des Wahlbetrugs in Georgia und anderen US-Bundesstaaten. Nur die Sache mit den geheimen Akten-Dossiers im Kleiderschrank in Mar-a-Lago wird Trump wirklich weglachen können.

„Verurteilter Verbrecher“ – das klingt bei den Wählern nach

US-Präsident Joe Biden hält sich bislang deshalb auch bedeckt. Es wäre unklug, das Urteil zu kommentieren. Trump darf zwar immer nachtreten und sich wie ein Außerirdischer benehmen – total „outlandish“, wie es Amerikaner nennen. Das kennt man von ihm und erwartet es auch. Biden indessen ist der amtierende Präsident, er sollte sich zurückhalten und staatsmännisch agieren. Das würde ihm sonst sicherlich übel genommen von den Wählern im Lande. So sagt das Weiße Haus nur: „Es gibt nur einen Weg, Trump aus dem Weißen Haus zu halten, und das ist an der Wahlurne“, meinte Bidens Pressesprecher. „Trump ist nun einmal der Kandidat“ – und weiterhin der Gegner bei den anstehenden Wahlen. Dennoch sei Trump nun ein „verurteilter Verbrecher“, schob Sprecher Michael Tyler noch hinterher. Das klingt immer irgendwie nach.

Die Verurteilung von Ex-Präsident Donald Trump mag historisch gewesen sein, da haben die Fernsehsender recht. Die Geschichte darüber wird aber erst mit Abstand geschrieben werden. Deshalb gibt auch Trump in den Interviews danach betont gelassen vor, die Entscheidung der Geschworenen rund um Schweigegeld-Zahlungen und Wahlbeeinflussung sei für ihn ein schlechter Witz – und ohnehin sei ja der Richter „korrupt“ gewesen.

Nach wie vor gilt eines, was gerade in Deutschland schier unverständlich wirkt: Selbst wenn das Gericht im Juli die Strafe verhängt und ihn ins Gefängnis schickt, hat er weiterhin formal das Recht, bei der Wahl anzutreten. Der Wahlausgang ist mit dem Urteil damit keineswegs zugunsten von Amtsinhaber Joe Biden entschieden. Wie stark das Verdikt die Wähler beeinflusst, ist die entscheidende Frage, sagen Wahlkampfstrategen beider Lager, und darauf deuten auch die meisten Umfragen hin.

Gerade in einer Wahl, deren Ausgang knapp werden dürfte, könnten nur wenige Stimmen den Ausschlag geben. „Selbst wenn es nur ein Prozent der Wähler in besonders knappen Wahlkreisen sind, ist das nicht nichts“, sagt Lindsay Chervinsky von der Southern Methodist University in Dallas. Bei der vergangenen Wahl entschieden in einigen Bundesstaaten wenige Tausend Stimmen darüber, ob der Staat an die Demokraten oder Republikaner ging. Diese sogenannten Swing States gaben den Ausschlag für den Sieg Bidens.

Trump wiederum versucht, seine Basis jetzt erst recht zu mobilisieren, nachdem er immer wieder von einem politischen Prozess gesprochen hatte. Auf seiner Wahlkampfseite wird zu Spenden aufgerufen, und er wird als „politischer Gefangener“ bezeichnet, obwohl das Strafmaß noch gar nicht verkündet und Trump nicht in Haft ist. Während Trump bisher viel Zeit im Gerichtssaal und zur Vorbereitung der Verhandlungen verbringen musste, hofft er nun, Zeit zu haben, voll in den Wahlkampf eingreifen zu können. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Analysten und Umfragen: Schwenken Trump-Kritiker nun wieder um?

Bei Umfragen unter Trump-Unterstützern Anfang des Jahres hatte etwas mehr als die Hälfte gesagt, dass sie trotz einer Verurteilung für ihn stimmen würden. Knapp ein Drittel war unsicher. 13 Prozent sagten, sie würden ihn in dem Fall nicht wählen. Das könnte letztlich den Unterschied ausmachen. Dass die Hardcore-Fans aus dem „Make-America-Great-Again“-Lager noch umdenken, gilt als unwahrscheinlich. Angesichts der etwa gleichstarken Lager in den USA, könnten wenige Tausend den Unterschied machen. Wie bei der letzten Wahl, wohlgemerkt.

Republikanische Meinungsforscher wie Bill McInturff zeigen sich von der Entscheidung der Jury unbeeindruckt. Diejenigen, die Trump jetzt angeblich nicht mehr wählen wollten, seien eigentlich die Kernklientel der Republikaner. Dies sei ganz besonders kritisch gegen Biden eingestellt. „Ich glaube, bis November sind die alle wieder zurück in den Reihen von Trump“, sagt McInturff, wenn auch vermutlich nicht ganz objektiv.

Umfragen zeigen, dass Trump die größte Gefahr von weiblichen, gebildeten Wählern droht. Nur 50 Prozent der Frauen sagten, dass sie Trump dennoch wählen würden, während es bei den Männern 62 Prozent waren. Schon bei der letzten Wahl dürfte dies den größten Unterschied ausgemacht haben. Frauen mögen Trumps großspurige Art eher nicht.

Jetzt, wo das Urteil gesprochen ist und weitere Verfahren gegen Trump womöglich nicht mehr rechtzeitig vor der Wahl beginnen werden, könnte sich der Wahlkampf wieder auf Sachthemen konzentrieren. Das Abtreibungsrecht, die Einwanderung und Grenzsicherung sowie die Wirtschaft. Bidens Umfragewerte lagen zuletzt auf einem Rekordtief. Viele Amerikaner beklagen vor allem die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Wer weiß, was bis im Juli noch passiert.

Dagegen sagt Ben Tulchin, der für den linken Demokraten Bernie Sanders Wahlkampf gemacht hat, Biden müsse aus dem normalen Wahlkampfmodus ändern und Trump nun als verurteilten Verbrecher angreifen: „Das Ziel wäre, den Charakter Trumps herauszustellen, seine negativen Seiten zu zeigen und Zweifel an seiner Eignung zu wecken.“ Dass die Amerikaner da noch in Zweifel sind, scheint indessen unwahrscheinlich. Wer Trump wählt, weiß, was dem Land droht. Gut möglich, dass die Vernunft mal wieder siegt – auf den letzten Metern ins Weiße Haus.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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