Die Ampelfraktionen haben Aufklärung zu den Bestellungen von Coronaschutzmasken unter dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefordert, die zu einem Milliardenschaden für den Bund führen könnten. Nach Berichten über Milliardenrisiken aus Streitigkeiten um die Lieferung von Corona-Schutzmasken fordern vor allem die Grünen öffentlich Aufklärung. „Wegschweigen und wegducken reicht nicht“, sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch im Deutschen Bundestag. Spahn müsse sich jetzt äußern. Es gehe um riesige Summen, die dann im Haushalt bei Investitionen in die Zukunft fehlen würden.
Das Parlament werde sich „eingehend mit den Auswirkungen“ und möglichen Kosten von Spahns Entscheidungen befassen müssen, sagte auch die Fraktionschefin der Grünen, Britta Haßelmann, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch Vertreter von FDP und SPD forderten eine Aufarbeitung.
Spahns Maskendeals: potenzieller Schaden von 2,3 Milliarden Euro
Wie aus einer Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage des FDP-Haushaltspolitikers Karsten Klein hervorgeht, drohen dem Bund hohe finanzielle Risiken aus noch schwelenden Streitfällen um die Lieferung von Schutzmasken zu Sonderkonditionen in der Corona-Pandemie.
Spahn hatte 2020 zu Beginn der Pandemie Lieferanten eine unbegrenzte Abnahme von Masken zu einem Preis von 4,50 Euro pro FFP2-Maske garantiert. Später verweigerte das Ministerium teils die Bezahlung, unter anderem mit Verweis auf fehlerhafte oder verspätete Lieferungen. Letztlich wurde ein großer Teil der Masken nicht benötigt.
Lieferanten klagen nun gegen den Bund. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht von insgesamt etwa 100 Fälle mit einem Streitwert von 2,3 Milliarden Euro aus.
„Warum hat Minister Spahn Akten unter Verschluss gehalten?“
Auslöser der staatlichen Beschaffungsmaßnahme waren damals dringend benötigte Masken für das Gesundheitswesen in der Frühphase der Corona-Krise. Um schneller zu sein, wandte das Ministerium ein besonderes Verfahren an, bei dem Lieferverträge ohne weitere Verhandlungen zu festen Kaufpreisen zustande kamen.
Grünen-Fraktionsvize Audretsch betonte diesbezüglich, die drohenden Milliardenrisiken seien „nur die Spitze des Eisberges“. Der Bundesrechnungshof habe bereits in Berichten 2021 und 2024 die Vorgänge geprüft, massive Mängel festgestellt und viele Fragen aufgeworfen: „Warum wurden hochriskante Verträge geschlossen, die jetzt vor Gericht nicht standhalten? Warum wurde zu exorbitant überhöhten Preisen eingekauft? Warum hat Minister Spahn Akten unter Verschluss gehalten? Wie kann es sein, dass Milliarden Masken vernichtet werden müssen?“ Die Steuerzahler müssten jetzt das schlechte Management von Spahn ausbaden.
Jens Spahn: „Wir werden einander viel verzeihen müssen.“
SPD-Fraktionsvize Achim Post forderte Spahn auf, seine Sicht der Dinge darzulegen. Bundestag und Bürgerschaft hätten Anspruch auf Klarheit. „Jens Spahn, ansonsten gerne Oppositions-Lautsprecher fürs Grobe, bevorzugt für seine Zeit als Gesundheitsminister offenbar die Rolle als großer Schweiger“, kritisierte Post.
Angesichts der drohenden Milliardenstrafen fordert auch die FDP umfassende Aufklärung. „Die wirtschaftspolitischen Kompetenzen von Jens Spahn liegen mit einem potenziellen Schaden von 2,3 Milliarden Euro schwarz auf weiß auf dem Tisch der Steuerzahler“, sagte der stellvertretende Fraktionschef, Christoph Meyer, den Funke-Zeitungen. „Neben der rechtlichen Klärung muss auch eine politische Aufarbeitung erfolgen, zum Beispiel im Rahmen einer Enquete-Kommission zur Coronapolitik.“
Laut Bundesgesundheitsministerium wurde im Rahmen des umstrittenen „Open-House-Verfahrens“ im Zusammenhang mit der Beschaffung von Coronaschutzausrüstung ein Betrag in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro ausgezahlt. 80 Streitfälle wurden demnach bisher durch Vergleiche beendet. Der Bund gewann den Angaben zufolge rechtskräftig bisher acht Verfahren mit einem Gesamtstreitwert von rund 50 Millionen Euro. In zwei Verfahren mit einem Streitwert von rund 230.000 Euro erlitt der Bund demnach hingegeben rechtskräftig bereits eine Niederlage.
Hochriskante Milliardenverträge
Mit „Milliardendeals“ steht der ehemalige Gesundheitsminister nicht allein da. Die EU-Staatsanwaltschaft ermittelt gerade gegen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die mit Pfizer einen milliardenschweren Impfstoffdeal von 35 Milliarden Euro per SMS besiegelte – und dem Pharmakonzern so nebenbei auch das Quasi-Monopol gesichert hat. Die besagte SMS ist inzwischen verschwunden, die Impfstoffe vergammeln, doch gezahlt werden muss trotzdem – noch bis Ende 2026.
„Wir werden einander viel verzeihen müssen“, hatte Jens Spahn als Gesundheitsminister während der Pandemie gesagt und in einem Buch verarbeitet. Ein passender Satz. Verzeihen heißt aber nicht vergessen.