Der Goldpreis hat die Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die das gelbe Edelmetall temporär unter 2.400 Dollar schickten, gut überstanden und notiert nun Donnerstag früh bei um die 2515 Dollar, was nur minimal unter dem Allzeithoch von 2531,7 Dollar liegt, das letzte Woche am 20. August erreicht wurde. Gold beweist damit vorerst seinen Status als sicherer Hafen in einem wirtschaftlich und insbesondere geopolitisch fragilen Umfeld.
Erwartete Zinssenkung der Fed gut für Goldpreis
Letzten Dienstag hatte Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), in einer Rede die Markterwartungen einer Zinssenkung der Fed in der nächsten Sitzung im September untermauert. „Die Zeit für eine Anpassung ist gekommen“ sagte Powell und implizierte damit eine Reduktion des Leitzinses um 25 Basispunkte. Schon zuvor wurde bekannt, dass der US-Verbraucherpreisindex im Juli mit 2,9 Prozent zum ersten Mal seit drei Jahren unter die Marke von 3 Prozent fiel. Zudem schwächelt die US-Wirtschaft markant. All dies stärkte das Vertrauen der Märkte in einen baldigen Zinsschritt der Fed nach unten.
Tiefere Zinsen sind tendenziell gut für Gold, das keine laufenden Erträge generiert und dessen Kauf/Halten somit Opportunitätskosten verursacht. Niedrige (Real-)Zinsen zogen in der Vergangenheit meist steigende Goldpreise nach sich und umgekehrt. Durch sinkende Zinsen wird Gold als Geldanlage attraktiver. Fraglich ist natürlich, inwieweit der Goldpreis aktuell diese Zinssenkungsfantasien bereits einpreist.
ETF-Investoren kaufen weiter zu
Es waren in den letzten ein bis zwei Jahren hauptsächlich Institutionelle Anleger, die netto Gold verkauften und deshalb vom rasant zulegenden Goldpreis kaum profitierten. Vor einigen Wochen haben die Deutschen Wirtschaftsnachrichten Faktoren für neue Goldpreis-Rekorde analysiert und in diesem Kontext gemutmaßt, dass Gold-ETFs sehr bald größere Zuflüsse verzeichnen dürften. Dies hat sich bewahrheitet. Edelmetall-Investoren akkumulierten im Juli netto 3,7 Milliarden Dollar oder 48 Tonnen in Gold-ETFs, was der höchste Wert seit Beginn des Ukrainekriegs im März 2022 ist. Im Juni stand unterm Strich nur ein Plus von 1,4 Milliarden Dollar.
Für den Anstieg waren in erster Linie in den USA (26 Tonnen) und der EU (17 Tonnen) gelistete ETFs verantwortlich, wie aus Daten des Branchenverbandes World Gold Council hervorgeht. Auch in Asien wurde über moderate ETF-Zuflüsse berichtet, die aber größtenteils in den Vormonaten passierten, als Investoren relativ kontinuierlich zukauften. Im gesamten Jahresverlauf haben Gold-ETFs immer noch rund zwei Prozent an Goldbeständen verloren (minus 72 Tonnen), aber durch den starken Anstieg des Goldpreises wuchs das in solchen börsengehandelten und physisch besicherten Fonds verwaltete Vermögen um 15 Prozent.
Goldnachfrage auf (fast) allen Kanälen stabil
Die globale Goldnachfrage ist derzeit so stark wie noch nie. Im zweiten Quartal erhöhte sich der Bedarf um 4 Prozent zum Vorjahr auf insgesamt 1258 Tonnen. Die Zentralbanken kauften rund 183 Tonnen des gelben Edelmetalls, was zwar deutlich niedriger als im ersten Quartal (300 Tonnen), aber sechs Prozent über dem Niveau des Vorjahresquartals lag.
Die chinesische Notenbank hält seit einigen Monaten still, was den Markt aber nicht zu beunruhigen scheint. „Es könnte Anzeichen dafür geben, dass China wieder einsteigt, aber selbst wenn nicht, war die Nachfrage der Zentralbanken in diesem Jahr unabhängig vom Preis ziemlich robust, und das wird sich fortsetzen“, meint Peter Grant, Vizepräsident bei Zaner Metals.
Es deutet tatsächlich einiges darauf hin, dass das Kaufinteresse der Zentralbanken vorerst anhalten wird. Eine aktuelle Umfrage des World Gold Council ergab, dass die Mehrheit der befragten 70 Notenbanken in den nächsten fünf Jahren eine Ausweitung der Goldkäufe und eine Reduzierung der Dollarreserven anstrebt. Aus Sicht des Globalen Südens wird der US-Dollar als Sanktionsinstrument missbraucht. Der Trend ist klar: Die Weltleitwährung verliert an Bedeutung und die Zentralbanken wollen ihre Devisenreserven besser diversifizieren. In diesem Umschichtungsprozess besteht noch ein gewaltiges Aufholpotential. Während die Zentralbanken 1980 im Schnitt noch rund 74 Prozent ihrer Reserven in Gold allokiert hatten, sind es derzeit 16 Prozent und in China - zumindest offiziell - sogar nur 5 Prozent.
Außerbörsliche OTC-Transaktionen legten indes um satte 53 Prozent zu (329 Tonnen). Die Investment-Nachfrage stieg mit 254 Tonnen leicht an, während die Schmucknachfrage wohl hauptsächlich aufgrund des hohen Goldpreises um 19 Prozent auf 411 Tonnen sank. Kurzfristig könnte nun die Nachfrage nach Gold(schmuck) aus Indien stark zunehmen. Im Juli senkte Indien die Importzölle auf Gold von 15 % auf 6 % und reduzierte zudem die Kapitalertragssteuern auf Goldbesitz, Gold-ETFs und Investmentfonds.
Die industrielle Nachfrage durch den Tech- und Elektronik-Sektor verzeichnete im zweiten Quartal einen Anstieg um 11,3 Prozent auf 81 Tonne. Hintergrund ist der Boom um Künstliche Intelligenz, was sich zu einem gewissen X-Faktor entwickeln könnte. In neuen Hochleistungschips und bei der Aufwertung bestehender Halbleiter kommt vermehrt Gold zum Einsatz. Das gelbe Edelmetall hat eine exzellente Leitfähigkeit und ist weniger anfällig gegenüber Oxidation als etwa Silber und Kupfer.
Kurzfristig dürfte Gold weiter reüssieren
Fazit: Der rekordverdächtige Anstieg des Goldpreises – seit Jahresauftakt mehr als 20 Prozent – dürfte sich kurzfristig weiter fortsetzen und das vor allem aus drei Gründen. Erstens wird die US-Notenbank mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit einen erneuten Zinssenkungszyklus einleiten, der zwar größtenteils eingepreist ist, aber definitiv eher positiv als negativ für Gold als Investmentobjekt ist. Zweitens sind westliche (ETF-)Anleger wieder auf der Käuferseite zu finden. Drittens eskalieren die geopolitischen Spannungsfelder in der Ukraine und im Nahen Osten immer weiter und geben Gold eine konstante Nachfrage als wertbeständiges Krisen-Asset.