Für Robert Habeck läuft es mal wieder gar nicht gut. Die Haushaltsberatungen der Ampel sind alles andere als erfreulich gelaufen. Und nun scheinen sich gleich mehrere Vorzeige-Projekte des grünen Bundeswirtschaftsministers in heißer Luft aufzulösen: die geplante Chip-Fabrik von Intel in Magdeburg steht auf der Kippe, weil der Halbleiterhersteller ökonomisch wackelt.
Und diese Woche wurden Hiobsbotschaften aus Schweden nach Berlin übermittelt. Der Batteriehersteller aus dem hohen Norden scheint sich übernommen zu haben, die Hoffnung auf das große Geschäft mit der Elektromobilität schwindet zusehends. Und damit womöglich auch eine vom Kanzler als bedeutender Ansiedlungserfolg gefeierte Baustelle bei Heide in Schleswig-Holstein. Eine Grippe plagt Habeck nun obendrein.
Wie der schwedische Mittsommernachtstraum zu platzen droht
Noch gar nicht lange her, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an der Küste persönlich zum Spaten griff, um die Fundamente für eine Batteriezellfabrik im ländlichen Norden der Bundesrepublik zu legen. Geradezu überschwänglich feierten Scholz und Habeck mit versammelter Polit-Prominenz aus Kiel den Baubeginn der „Giga-Factory“ - wie derlei Ansiedlungen neumodisch heißen.
„Deutschland war, ist und bleibt ein starkes Industrieland“, betonte Scholz Ende März. „Und die Herstellung guter Autos bleibt auch über den Verbrenner-Motor hinaus Rückgrat unserer Industrie.“ Immerhin werden in Zukunft ja nicht die Elektro-Motoren zum entscheidenden Baustein erfolgreicher Automobil-Industrie, sondern vor allem die Batteriezellen. Sie in Deutschland zu produzieren (und den Markt nicht allen koreanischen und chinesischen Herstellern zu überlassen), bildet den Masterplan der Regierung. Doch die Aussicht auf 3.000 neue Jobs bei Northvolt plus weitere 10.000 im Umfeld der Fabrik durch „riesige Chancen für den Mittelstand“, so Scholz, entlarven sich als trügerisch. Northvolt baut um und nicht zwingend neu: „Es ist an der Zeit, aus Erfahrungen zu lernen und das Kerngeschäft zu stärken.“ Und was heißt das für Heide?
Womöglich haben vor allem die Aussicht auf 900 Millionen Euro Fördergelder den Ansiedlungserfolg bestimmt und nicht die wirtschaftlichen Aussichten. Northvolt-Chef Peter Carlsson hat den Sommer über alle Firmenstandorte einer schonungslosen „Strategieüberprüfung“ unterzogen und die führten nun - laut Carlsson - zu „harten Entscheidungen“. Sie seien unerlässlich, um überhaupt die Geschäftsgrundlage des Startups zu sichern. Die Schweden scheinen sich ihre rosigen Aussichten in romantischen Mittsommernächten ausgemalt zu haben.
Berichte besagen: Northvolt hat zu viel Ausschuss produziert
Doch die Wettbewerber aus China und Korea kalkulieren knallhart. Da kommt man mit EU-Krediten und Fördergroschen langfristig nicht weiter. Northvolt ist womöglich zu schnell und blauäugig gewachsen. Das Unternehmen beschäftigt inzwischen bereits 7.000 Menschen weltweit. Vergleiche zu Varta sind schnell gezogen - die DWN haben berichtet.
In jüngster Vergangenheit haben sich in schwedischen Medien Berichte gehäuft, wonach es bei der Serienfertigung große Probleme gibt. Auf gut Deutsch: Northvolt produziert viel zu viel Ausschuss, die Qualität der Batteriezellen fällt weit hinter die der Konkurrenz zurück. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, welch großen Vorsprung etwa die Chinesen bei der Zellproduktion haben.
Die große Hoffnung, BMW, Volvo und andere Marken-Hersteller auf seine Seite zu ziehen, ist nur Wunschdenken. So hat BMW im Sommer prompt einen Auftrag in Höhe von zwei Milliarden Euro storniert, als die Schwierigkeiten ruchbar wurden. „Wir waren bei unseren Expansionsplänen etwas zu aggressiv“, musste Northvolt-Chef Carlsson daraufhin einräumen. Seither bleibt kein Stein mehr auf dem anderen, der Umbau des Unternehmens ist in vollem Schwange.
Für die polnische Northvolt-Fabrik in Danzig, eines der größten Werke für Batteriespeicher Europas, sucht das Unternehmen dringend neue Investoren. Das Forschungszentrum in Kalifornien wird aus Kostengründen dicht gemacht und nach Schweden verlagert. Am Hauptsitz Skelleftea wiederum wird mangels Nachfrage pausiert und auf Kurzarbeit gesetzt, nur eine Fabrik produziert weiterhin.
Ein zusätzliches Firmengrundstück für die Kathodenherstellung, das das Unternehmen erst 2022 erworben hat, soll verkauft werden - aus 1.000 erhofften Arbeitsplätzen wird also nichts. Northvolt setzt stattdessen verstärkt auf Großserien-Fertigung von Batteriezellen an seinen Standorten in Schweden. Werden neue Fertigungsstätten da also gebraucht?
Was das für den Hoffnungsposten in Heide bedeutet, ist noch nicht ausgemacht. Warum auch? Bislang ist es noch eine Baustelle. Die Entscheidung kann hinten angestellt werden. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Nicht nur im Wirtschaftsministerium. Auch die großen deutschen Hersteller sind beim Wünsch-Dir-was weiterhin mit von der Partie. BMW hofft auf Batteriezellen der nächsten Generation, heißt es. Porsche, Audi, Volvo und Scania stehen grundsätzlich als dankbare Abnehmer bereit, nur Qualität und Zahlen müssen stimmen. Volkswagen zählt zusammen (mit den Investmentbankern von Goldman Sachs) zu Northvolts großen Geldgebern - und ist dabei selbst in Not.
Die Hoffnung der deutschen Automobil-Industrie stirbt zuletzt
Die Unruhe in Schleswig-Holstein ist jedenfalls groß. Mehr als eine Mitteilung, dass es in Dithmarschen (und auch in Kanada) mit der Expansion weitergehen soll, gab es erst mal nicht. Das erinnert irgendwie an Intel in Magdeburg, wo die von ihren Bürgern täglich gelöcherten Politiker hingehalten werden, solange es eben geht.
Auch Habeck, der gerade an Corona laboriert, wie es heißt, darf also weiter mitfiebern und von seinem Leuchtturm im Hohen Norden träumen. Immerhin hätten urgrüne Motive ja die Standortwahl der Schweden bestimmt: die Verfügbarkeit erneuerbaren Energie. Die Stadt Heide habe sich „wegen der Dichte an grünem Strom“ durchgesetzt, schwadronierte Habeck. Die Windkraft habe sich wieder einmal als „Magnet der Firmenansiedlung“ erwiesen.