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Genossenschafts-Wohnungen: Die letzte günstige Wohnoption?

In Großstädten wie München ist bezahlbarer Wohnraum rarer als Gold. Wohnbaugenossenschaften stellen unter den Prinzipien der Selbsthilfe und Selbstverwaltung den Mieter in den Mittelpunkt. Was eine Wohngenossenschaft bzw. eine Wohnbaugenossenschaft ist, wo ihre Vorteile und ihre Nachteile liegen und wie Sie an die heiß begehrten Genossenschafts-Wohnungen kommen, lesen Sie hier.
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09.03.2025 12:23
Lesezeit: 4 min
Genossenschafts-Wohnungen: Die letzte günstige Wohnoption?
"Hier bauen Genossenschaften" steht auf einem großen Banner an einem Baugerüst auf einer Baustelle in der Hafencity (Foto: dpa). Foto: Christian Charisius

Genossenschafts-Wohnungen: Das Prinzip

Eine Genossenschaft (auch Kooperative genannt) definiert sich als Zusammenschluss oder Verband aus (natürlichen oder juristischen) Personen mit dem Hauptziel wirtschaftlicher und/oder sozialer Förderung ihrer Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb. Genossenschaften können mit verschiedenen Zielsetzungen geschlossen werden und finden sich in zahlreichen Bereichen, zum Beispiel im Finanzwesen, Wohnbau oder auch in der Landwirtschaft, wieder. Die vielleicht bekanntesten deutschen Genossenschaften sind die DATEV, Rewe Group und die ZG Raiffeisen. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es in Deutschland fast 8.000 Genossenschaften und jede vierte Person in Deutschland ist Mitglied.

Genossenschaften heben sich von Kapitalgesellschaften (darunter GmbHs und AGs) dadurch ab, dass sie selbständig sind und nicht primär außenstehenden Investoren unterstehen beziehungsweise Rechenschaft schuldig sind. Mit dem Grundprinzip "Hilfe durch Selbsthilfe" folgt die Genossenschaft dem Ethos, gemeinschaftlich Ziele zu erreichen, welche die Leistungskraft des Einzelnen übersteigen, während die Selbständigkeit des Einzelnen weiterhin gewahrt wird. Genossen verwalten sich selbst; die Genossen teilen sich also die Verantwortung zur Steuerung der verwaltenden Organe. Dazu gehören unter anderem der Vorstand und der Aufsichtsrat.

Bei einer Wohnbaugenossenschaft ist das primäre Ziel, die Mitglieder mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen, also ihnen den Einzug in Genossenschafts-Wohnungen zu ermöglichen - im Austausch für Kapital und die aktive Teilnahme am Gemeinschaftsbetrieb. Heute liegt der Anteil an genossenschaftlichem Wohnraum in Berlin bei etwa 10 Prozent.

Vorteile und Nachteile von Wohnungen über Genossenschaften

Genossenschaftswohnungen sind äußerst begehrt. Der Sirenenruf bezahlbaren Wohnraums ist nicht umsonst ein ausschlaggebendes Thema der Bundestagswahl. Doch was genau bedeutet es, ein “Genosse” zu sein – und wo liegen die Vor- und Nachteile?

Wohnen in einer Genossenschaft: Vorteile

Der vordergründige Vorteil des Genossenschaftsmodell für Mieter ist, dass die Mieten in der Regel niedriger ausfallen, weil, im Gegensatz zum freien Markt, keine Gewinnmaximierung stattfindet.

Auch das meistimplementierte lebenslange Wohnrecht, das in Genossenschaftswohnungen gilt, ist für Mieter vorteilhaft. So ist es nicht möglich, durch die Anmeldung von Eigenbedarf sein Heim zu verlieren.

Das Genossenschaftsmodell pocht zudem stark auf die Gemeinschaft, was bedeutet, dass die Genossen ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Wohnanlage, zum Beispiel zu Renovierungszwecken, erhalten. In der Regel haben genossenschaftliche Wohnprojekte auch deswegen einen guten Ruf, weil ein hoher Wert auf Gepflegtheit und regelmäßige Nachbarschaftsprojekte gelegt wird. Die Mieter werden dazu angehalten, die Wohneinheit als Besitz zu sehen und so motiviert zu sein, das “Eigentum” und die Gemeinschaft zu stärken und stetig zu verbessern. Man ist kein Mieter im klassischen Sinne; die Genossenschaft macht den Einzelnen zu einem Miteigentümer.

Wohngenossenschaft: Nachteile

Günstige Mieten, lebenslanges Wohnrecht und erweitertes Mitbestimmungsrecht: Das klingt eigentlich zu gut, um wahr zu sein. Gleichzeitig muss den Interessierten klar sein, dass es sich beim Genossenschaftsmodell um eine sehr spezielle Lebensform handelt, welche auch gewisse Anforderungen und Erwartungen an den Einzelnen stellt.

Das beginnt damit, dass jeder Genosse dazu angehalten ist, eine Einlage zu zahlen. Als Genosse ist man in dem Sinn ein Miteigentümer – und das kostet. Die Geschäftsanteile kosten oft mehrere tausend Euro. Das kann man sich zwar nach Auszug wieder auszahlen lassen, bis dahin ist das Kapital jedoch gebunden. Viele Wohnbaugenossenschaften erwarten inzwischen auch ein Eintrittsgeld, welches nicht zurückgezahlt wird. Wer also erwartet, durch Genossenschaft ausschließlich Geld zu sparen, wird in dem Sinne enttäuscht.

Ob man so viel Mitspracherecht möchte, sei auch dahingestellt. Denn obwohl man als Genosse explizit mit an den Tisch geholt wird, um Entscheidungen zu treffen, so heißt das nicht, dass man Entscheidungsfreiheit hat. Da alle Entscheidungen demokratisch getroffen werden, kann es auch dazu kommen, dass man Resultate außerhalb der eigenen Wünsche annehmen und mittragen muss. Das kann auch zu zusätzlichen Kosten oder Mühen führen, zum Beispiel sollte die Gruppe für Renovierungsarbeiten oder Projekte stimmen, welche aktive Mitarbeit fordern.

Der vielleicht größte Nachteil der Genossenschafts-Wohnung liegt in seiner Attraktivität: Die Nachfrage ist riesig. Laut Immowelt dauert es Monate bis sogar mehrere Jahre, eine Genossenschaftswohnung zu bekommen, weil deutlich mehr Wohnraum angefragt wird, als verfügbar ist.

Wie wird man Teil einer Bau- und Wohngenossenschaft?

Mitglied einer Bau- und Wohngenossenschaft können natürliche und juristische Personen (des privaten und öffentlichen Rechts) sowie Personengesellschaften des Handelsrechts werden. Um sich zu qualifizieren, muss man eine Einlage zahlen; für die Anmietung einer Wohnung kommen darüber hinaus weitere Geschäftsteile hinzu. Wie hoch die Einlagen sind, hängt stark von der Genossenschaft selbst sowie der Größe der Wohnung ab. Am Beispiel des Münchener Bürgerbauvereins liegt der Pflichtanteil bei 1000 Euro und das Eintrittsgeld bei weiteren 500. Ob man aufgenommen wird, entscheidet ein Vorstand. Alle Mitglieder der Genossenschaft unterliegen einer Satzung, welche die Rechte und Pflichten der Mitglieder und verwaltenden Organe definiert.

An sich klingt das einfach – man muss sich bewerben und seinen Soll zahlen. Die Realität ist, wie so oft, etwas komplizierter: Der Genossenschaft beizutreten bedeutet nicht, dass man baldigen – geschweige denn sofortigen – Anspruch auf eine Wohnung hat. Wie lange man Mitglied ist, gilt oft als wichtiges Vergabekriterium. Die Bearbeitungszeiten bei eingehenden Anträgen beim München Modell betragen rund 4 Monate; dann wird die Bewerbung überhaupt erst ordentlich gesichtet. Wer an Genossenschaftswohnungen interessiert ist, muss einen langen Atem haben.

Genossenschafts-Wohnungen: Lösung oder Pflaster?

Das Prinzip Wohnbaugenossenschaft ist ein sozialdemokratisch geschütztes und geschätztes Modell, das Eigenverwaltung und gemeinschaftliche Verantwortung belohnt. Gleichzeitig müssen Neubewerber viel Geduld aufbringen, um sich diese Vorteile zu sichern. Die hohen Grundstückspreise und der Druck durch Investoren führt dazu, dass Städte und Gemeinde Grundstücke lieber an private Investoren oder große Immobilienunternehmen verkaufen, um Profit zu machen. Der Mangel an politischer Förderung tut sein Übriges, um die Attraktivität von Genossenschaftswohnungen auf Ebene von Stadt und Gemeinde zu drücken.

Dennoch gib es Städte, in denen nach wie vor neue Wohnungsgenossenschaften gegründet werden und so bezahlbarer Wohnraum gefördert wird. Um das Prinzip Wohnbaugenossenschaft attraktiver zu machen, muss auf politischer Ebene mehr investiert und Anreize für Städte und Gemeinden geschaffen werden. Insbesondere im Hinblick auf die bundesweite Wohnraumkrise würde dies Erleichterung bringen.

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