Technologie

Kernfusionsreaktor: Deutschlands Weg zur Fusionsenergie

Kernfusionsreaktor – eine Technologie mit gigantischem Potenzial, aber vielen offenen Fragen. Die CDU will Deutschland an die Spitze der Fusionsforschung bringen und fordert das weltweit erste Fusionskraftwerk. Milliarden fließen in die Entwicklung, doch wann wird die Vision Realität? Während private Unternehmen und Staaten weltweit um Fortschritte ringen, bleibt unklar, ob die Kernfusion rechtzeitig die wachsende Energielücke schließen kann.
10.03.2025 06:00
Lesezeit: 10 min
Kernfusionsreaktor: Deutschlands Weg zur Fusionsenergie
Kernfusionsreaktor: Mit Wendelstein 7-X wird im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik der weltweit größte Stellarator betrieben. Das Stellarator-Prinzip stellt beim magnetischen Einschluss von Fusionsplasmen eine vielversprechende Alternative zum Tokamak-Reaktor dar. (Bild: MPG IPP)

Kernfusionsreaktor - die CDU will den ersten weltweit in Deutschland bauen

Die CDU will, dass Deutschland den ersten Kernfusionsreaktor der Welt baut. Die Forschung läuft auf Hochtouren, zuletzt hatte die Ampelregierung die Förderung der Kernfusionsforschung im Jahr 2024 angehoben – auf mehr als einer Milliarde Euro bis 2029. Das Geld fließt in das Förderprogramm "Fusion 2040", das den Weg zu Deutschlands erstem Fusionskraftwerk ebnen soll.

Hoffnungsträger Kernfusion

In Deutschland wird keine Energie mehr durch Kernspaltung erzeugt, die letzten drei Atomkraftwerke gingen im April 2023 vom Netz. Dennoch setzen manche - wie die Union - auf eine Art Nachfolgetechnologie: die Kernfusion. Diese birgt deutlich geringere Risiken als die Kernspaltung und könnte zudem mehr Energie erzeugen – theoretisch. Denn die Technologie ist längst noch nicht ausgereift. Es gibt aber neue Entwicklungen, die Hoffnung machen.

Weltweiter Wettbewerb um Fusionstechnologien

Mittlerweile gibt es weltweit 40 Fusionsunternehmen, vier davon in Deutschland. Nach Angaben der "Fusion Industry Association" sind die Gesamtinvestitionen für diese Technik bereits auf mehr als sechs Milliarden US-Dollar gestiegen. Jeder noch so kleine Fortschritt wird international gefeiert – kein Wunder. Denn sollte sie tatsächlich einmal funktionieren, hätte die Kernfusion enorme Vorteile, die das Bundesministerium für Forschung und Entwicklung (BMBF) in ihrem Förderprogramm optimistisch im Präsens auflistet, so als gäbe es die Kernfusion bereits - was zwar der Fall ist, allerdings in Form der Sonne und anderen Sternen und noch nicht in Form eines funktionierenden Fusionsreaktors auf der Erde:

  • Fusionsenergie ist ressourcenschonend. Potenzielle Brennstoffe sind die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium. Einige Ansätze setzen auf Wasserstoff und Bor. Diese Brennstoffe sind aufgrund ihres natürlichen Vorkommens (Wasserstoff und Deuterium im Meerwasser, Bor in Erzen, Tritium durch Erbrütung aus Lithium im Fusionsprozess selbst) in den benötigten Mengen nahezu unbegrenzt verfügbar.
  • Fusionsenergie ist sauber. Bei der Fusion werden keine fossilen Brennstoffe verbrannt. Der erzeugte Strom wäre somit CO2-neutral. Zudem entstehen lediglich kurzlebige, schwach radioaktive Abfälle, die keiner Endlagerung bedürfen.
  • Fusionsenergie ist sicher. Gefährliche, unkontrollierte Kettenreaktionen sind physikalisch unmöglich, sagen Experten. Ein Betriebsausfall, Unfall oder Anschlag würde die Reaktion sofort stoppen.
  • Fusionsenergie ist grundlastfähig. Anders als bei der wetterbedingten Schwankung von Windkraft- oder Solaranlagen kann ein Fusionskraftwerk das Stromnetz kontinuierlich mit elektrischer Energie versorgen und somit stabilisieren.
  • Fusionsenergie ist bezahlbar. Schätzungen zufolge wird Strom aus Fusion zu ähnlichen Konditionen verfügbar sein wie Strom aus erneuerbaren Energien. Die komplementäre Verfügbarkeit im Verhältnis zu erneuerbaren Energien könnte zudem positiv auf den Netzstrompreis wirken.

Kernfusion: Deutschlands wachsender Energiebedarf

Günstige und idealerweise klimaneutrale Energie kann Deutschland gut gebrauchen - sogar sehr gut. Nach Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) dürfte hierzulande im Jahr 2050 etwa doppelt so viel Strom verbraucht werden wie heute. Denn energieintensive Prozesse werden voraussichtlich zunehmend auf elektrische Energie umgestellt. Beispiele sind neben der fortschreitenden Digitalisierung wie etwa im Bereich von KI-Anwendungen und Super-Computing die wachsende Zahl von Elektrofahrzeugen und elektrischen Heizsystemen wie Wärmepumpen.

Zusätzlicher Bedarf entsteht durch die Produktion von Grünem Wasserstoff, Ammoniak oder synthetischem Kerosin sowie durch den Ausbau der Kreislaufwirtschaft und die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre. Mit steigendem Strombedarf wächst somit auch die Notwendigkeit sicherer, grundlastfähiger, bezahlbarer und CO2-neutraler Kraftwerke.

Fusionsenergie: Die Energie der Sterne

Fusion ist die Energiequelle der Sterne und damit wohl die bedeutsamste Energiequelle im Universum. Gleichzeitig ist sie jedoch die einzige bislang von der Menschheit ungenutzte Primärenergiequelle. Bei extremen Temperaturen von 15 Millionen Grad Celsius und einem Druck von 100 Milliarden Bar verschmelzen im Zentrum von Sternen wie unserer Sonne zwei Wasserstoffatome zu einem Heliumatom.

Die Grundlage dafür liefert Albert Einsteins berühmte Formel E=mc² (Energie gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit im Quadrat). Sie beschreibt die Äquivalenz von Energie und Masse. Bei der Kernfusion verschmelzen zwei leichte Atomkerne zu einem schwereren Kern. Die Masse dieses schwereren Kerns ist jedoch geringer als die Masse der beiden leichten Kerne zusammen. Dieser Massenunterschied wird bei der Kernfusion in Form von Energie freigesetzt. Die durch die Bindung freigesetzte Energie ist so gewaltig, dass sie den Energiegewinn im Vergleich zu herkömmlichen Verbrennungsprozessen bei Weitem übertrifft. So lässt sich aus einem Gramm Fusionsbrennstoff etwa so viel Energie gewinnen wie aus elf bis 13 Tonnen Öl oder Steinkohle.

Risiken der Kernspaltung

Herkömmliche Atomkraftwerke, in denen Energie mithilfe der Kernspaltung (Fission) erzeugt wird, haben verschiedene Nachteile. Besonders im Fokus stehen die hohen Sicherheitsrisiken. Ein denkwürdiges Beispiel aus jüngster Zeit ist der Reaktorunfall im japanischen Fukushima, durch den acht Prozent der Landmasse Japans mit radioaktivem Cäsium verstrahlt wurden. Zudem ist die Lagerung der radioaktiven Abfallprodukte weiterhin ungeklärt. Bis heute existiert weltweit kein einziges Endlager für Atommüll.

Atomkraft mal anders: Wie ein Fusionskraftwerk funktioniert

Zusammenbringen, statt zu spalten: Kernfusion funktioniert mittels Verschmelzung. Damit eine Kernfusion stattfinden kann, muss zunächst Plasma erzeugt werden. Im Plasmazustand lösen sich Atomverbände auf, das Plasma besteht dann nur noch aus geladenen Teilchen. Um dies zu erreichen, sind jedoch extrem hohe Temperaturen erforderlich. Während auf der Sonne 15 Millionen Grad Celsius ausreichen, um Fusionsprozesse in Gang zu setzen, müssen auf der Erde Temperaturen von 100 Millionen Grad Celsius herrschen. Der Grund: Im Sonneninnern ist der Druck um ein Vielfaches höher als auf der Erde.

In einem Fusionskraftwerk sollen die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium als Brennstoffe dienen – sie gelten bislang als beste Optionen. Diese werden erhitzt und verschmelzen dabei zu einem Neutron und einem Heliumkern. Dabei werden riesige Energiemengen freigesetzt. Die Energie des Heliumkerns ist hundertmal höher als die des Ausgangsmaterials. Diese Energie überträgt sich wiederum auf die Teilchen in der Umgebung – eine Kettenreaktion setzt sich in Gang. Ist diese Reaktionskette groß genug, kann sie die Temperatur des Plasmas selbstständig halten – wie in der Sonne.

Doch dabei gibt es ein Problem: Kein Material hält Temperaturen von 100 Millionen Grad Celsius aus, ohne sofort zu schmelzen. Deshalb wird das Plasma in einem magnetischen Käfig eingeschlossen. Der Tokamak und der Stellarator sind zwei Möglichkeiten, ein solches Magnetfeld zu erzeugen. Beim Tokamak geschieht dies durch die Induktion eines elektrischen Stroms. Beim Stellarator hingegen wird das benötigte Magnetfeld ausschließlich durch Spulen erzeugt.

ITER Kernfusion: Test der Fusionsenergie

Ein nach dem Tokamak-Prinzip arbeitender Fusionsreaktor wird derzeit im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) im südfranzösischen Cadarache gebaut. Wissenschaftler erforschen dort die physikalischen und technischen Grundlagen, die nötig sind, um ein Fusionskraftwerk zur Stromerzeugung zu nutzen. Grundlegende Ziele des ITER sind die Erprobung von Schlüsseltechnologien wie supraleitende Magnete oder die Plasmaheizung.

Der momentan im Bau befindliche Testreaktor ITER (lat. der Weg), der durch Zusammenarbeit aller großen Fusionsprogramme der Welt – Europa, Japan, der USA, der russischen Föderation sowie China, Süd-Korea und Indien – realisiert wird, soll die Machbarkeit der Fusionstechnologie demonstrieren und weitere Kenntnisse für den Bau eines kommerziellen Kraftwerks liefern.

Das Programms Fusion koordiniert am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die Entwicklung der hierfür notwendigen Fusions-Komponenten und Prozesse mit dem Ziel, zukünftig geeignete Technologien für den Bau und Betrieb eines grundlastfähigen Fusionskraftwerks bereitzustellen. Hinsichtlich der Realisierung von ITER wird dieses durch "Fusion for Energy" (European Joint Undertaking for ITER and the Development of Fusion Energy) implementiert. Die Realisierung des Begleitsprogramms, d.h. die wissenschaftliche Vorbereitung von ITER sowie die Vorarbeiten für ein Demonstrationskraftwerk "DEMO" erfolgt in der Verantwortung des EUROfusion-Konsortiums (European Consortium for the Development of Fusion Energy).

Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Versuchsanlagen, die sowohl das Tokamak- als auch das Stellarator-Prinzip testen. Sie alle eint das Ziel, Fusionsreaktoren bis Mitte des Jahrhunderts für die kommerzielle Nutzung einsatzbereit zu machen. Damit es dazu kommt, müssen jedoch noch diverse Probleme gelöst werden. So ist es bislang nur unter Einsatz enormer Energiemengen möglich, die Temperatur des Plasmas in der Fusionskammer zu halten.

Kernfusionsreaktor: Viele Probleme ungelöst

Kraftwerke mit Fusionsreaktoren gelten als Hoffnungsträger für eine saubere Energiezukunft. "In den letzten Jahren wurden spektakuläre Fortschritte bei der Erzeugung und Handhabung von Fusionsplasmen erzielt", erklärt Dr. Thomas Giegerich vom Institut für Technische Physik (ITEP) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). "Viele Fragen des praktischen Betriebs bleiben aber ungelöst." Das betrifft beispielsweise den Brennstoffkreislauf in Stellaratoren, einem Reaktortyp, bei dem das Plasma in einem verdrehten Magnetfeld eingeschlossen wird, sodass ein Dauerbetrieb möglich ist.

"Bisher gibt es kein Konzept für die Handhabung des Brennstoffs in einem zukünftigen Fusionskraftwerk", betont Giegerich. "Es existiert auch keine Anlage, mit der ein solcher Brennstoffkreislauf validiert werden könnte." Beides soll nun in dem vom KIT koordinierten Projekt SyrVBreTT (Synergie-Verbund Brennstoffkreislauf und Tritium-Technologien) in einem Konsortium direkt mit der Industrie realisiert werden.

Der innere und äußere Brennstoffkreislauf

Fusionskraftwerke benötigen als Brennstoff ein Gemisch aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium, das im Reaktor zu Helium umgesetzt wird. Damit der Heliumanteil im Fusionsplasma nicht zu stark ansteigt, muss das Reaktionsgemisch im Stellarator kontinuierlich abgepumpt, gereinigt und anschließend zusammen mit neuem Brennstoff injiziert werden. Die Gesamtheit der hierfür erforderlichen Systeme wird als innerer Brennstoffkreislauf bezeichnet.

Weil das für die Fusionsreaktion benötigte Tritium aufgrund seiner geringen Halbwertszeit von wenigen Jahren nicht direkt in der Natur vorkommt, muss es in sogenannten Brutblankets technisch erzeugt werden. Alle dafür erforderlichen Systeme bilden den äußeren Brennstoffkreislauf. "In unserem Projekt entwickeln wir die für beide Kreisläufe notwendigen technischen Komponenten wie Pumpen, Speicherbetten und Pellet-Injektionssysteme", so Giegerich.

Forschung am KIT

Um Schnittstellenprobleme zwischen den einzelnen Komponenten zu vermeiden, werden innerer und äußerer Brennstoffkreislauf gemeinsam und aufeinander abgestimmt entwickelt. Ergänzend sollen gezielte Simulationen und experimentelle Untersuchungen sicherstellen, dass die Technologien realitätsnah validiert werden können. "Bei uns am KIT entsteht dafür eine Fuel Cycle Test Facility, in der alle relevanten Systeme unter realen Bedingungen geprüft werden können", sagt Giegerich. Das sei ein entscheidender Schritt, um den Übergang vom Experiment zur praktischen Anwendung zu ermöglichen.

PriFUSIO treibt die Trägheitsfusionsenergie voran

In Deutschland verfolgt das Projekt PriFUSIO mit einem Konsortium aus hoch spezialisierten Unternehmen wie Focused Energy GmbH, Marvel Fusion GmbH, Layertec GmbH, Laseroptik GmbH, Schott AG, Heraeus Group, Trumpf Laser AG, dem Laserzentrum Hannover sowie den Fraunhofer-Instituten ILT (Aachen) und IOF (Jena) das Konzept der Trägheitsfusion. Ziel des Konsortiums ist es, photonische Schlüsselkomponenten für die laserbasierte Fusion zu erforschen und industriell nutzbar zu machen.

Bei der Trägheitsfusion sollen winzige Brennstoffpellets aus Deuterium und Tritium durch hochenergetische Laser oder ionenbeschleunigte Teilchen gezündet werden. Das Kügelchen erreicht dadurch eine Dichte, die das Hundertfache des ursprünglichen Wertes beträgt, und Temperaturen von bis zu 120 Millionen Grad Celsius. In diesem stark verdichteten Zustand können Fusionsreaktionen ablaufen.

Das PriFUSIO-Konsortium sieht Deutschlands starke Position in der Laser- und Optiktechnologie als entscheidenden Vorteil. Daher fördert die Bundesregierung das Projekt mit 18 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren. Langfristig strebt sie an, eines der ersten Fusionskraftwerke weltweit in Deutschland zu entwickeln und zu bauen.

Durchbruch der Laserfusion in den USA

Im Dezember 2022 gelang Forschenden der National Ignition Facility (NIF) des Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien ein Durchbruch: Ein leistungsstarker Laser verschmolz Wasserstoff zu Helium – und erstmals in der Geschichte der Kernfusionsforschung wurde mehr Energie freigesetzt, als in Form von Laserenergie eingebracht wurde. Die Laser schossen 2,05 Megajoule in ein millimetergroßes Kügelchen aus gefrorenen Wasserstoff-Isotopen, dem Target. Erzeugt wurden 3,15 Megajoule.

Dieses bahnbrechende Experiment sorgte international für Schlagzeilen. Dennoch muss der Erfolg relativiert werden: Positiv war lediglich die direkte Energiebilanz der Reaktion. Um die zwei Megajoule Laserenergie zu erzeugen, wurde jedoch rund einhundertmal mehr Energie benötigt, als letztlich herauskam. Von einer wirtschaftlichen Energiegewinnung ist man also noch weit entfernt. Um die Fusion praktisch nutzbar zu machen, müsste wesentlich mehr Energie aus der Kernverschmelzung gewonnen werden. Zudem müsste der Prozess mit höherer Frequenz wiederholt werden. Während der Laser der US-Forschungseinrichtung nur einmal pro Tag ausgelöst werden kann, wäre in einem kommerziellen Kraftwerk eine Frequenz von zehn Schüssen pro Sekunde erforderlich. Solche Hochleistungs-Laser müssen jedoch erst noch entwickelt werden.

Noch nicht marktreif

Mit einem funktionierenden Fusionskraftwerk sei in Europa laut IPP allerdings nicht vor 2050 zu rechnen. Es wird auf dem Prinzip der Magnetfusion basieren und entweder nach dem Stellarator- oder dem Tokamak-Konzept arbeiten. Im Jahr 2100 könnten etwa 20 bis 30 Prozent des europäischen Strombedarfs mit Fusionsenergie gedeckt werden. Andere Staaten wie die USA oder China gehen von früheren Zeitplänen aus - und die neueste Studie von Proxima Fusion klingt sehr vielversprechend.

Proxima Fusion

Laut Proxima Fusion, einem Spin-off des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, könnte das gelingen. Die neue, von Experten begutachtete Studie zur konzeptionellen Machbarkeit wurde gerade veröffentlicht. "Der Weg zu kommerziellen Fusionskraftwerken ist nun frei. Stellaris ist das erste von Fachleuten geprüfte Konzept für ein Fusionskraftwerk, das so ausgelegt ist, dass es zuverlässig und kontinuierlich läuft – ohne die Instabilitäten und Unterbrechungen, die bei Tokamaks und anderen Konzepten auftreten", sagt Francesco Sciortino, Mitbegründer und CEO von Proxima Fusion. Sein Unternehmen habe sich "verpflichtet, Europa in eine fusionsgestützte Zukunft zu führen".

Ein erster Prototyp soll 2031 fertiggestellt sein, ein kommerzieller Fusionsreaktor soll noch in den 2030er-Jahren folgen. Das sind die ambitionierten Ziele der deutschen Kernfusionsfirma Proxima Fusion mit ihrem Konzept "Stellaris". Die neue Studie zeigt, dass das Design in Simulationen vielversprechend ist. Nun gilt es, die theoretischen Erkenntnisse experimentell zu überprüfen und technisch umzusetzen.

Kernfusionsreaktor: ein vielversprechendes Konzept

Es klingt verlockend: Ein Fusionskraftwerk, das vor allem auf verfügbare Rohstoffe setzt, keinen CO₂-Ausstoß verursacht und theoretisch 3,15 Gigawatt Wärmeleistung erzeugt – die sich in rund ein Gigawatt elektrische Bruttoleistung umwandeln ließen, vergleichbar mit einem Kohle- oder Kernkraftwerk. Das alles unter maßgeblicher deutscher Beteiligung und, wenn alles nach Plan läuft, noch in den 2030er-Jahren.

Das große Problem: Die Technologie ist noch nicht einsatzbereit, und ein funktionierender Fusionsreaktor existiert ebenfalls nicht. Bisher ist es lediglich gelungen, mithilfe von Lasertechnologie ein Plasma zu erzeugen, das mehr Fusionsenergie freigesetzt hat, als zur Aufheizung des Plasmas nötig war. Der Weg zu einem echten Kraftwerk ist also noch weit. Kritiker betonen daher, dass die Technik zu spät kommen und zu teuer sein könnte, um einen sinnvollen Beitrag zu einem klimaneutralen Energiesystem zu leisten.

Internationale Verzögerungen bei ITER

Wie komplex der Weg zur Kernfusion ist, zeigt das Großprojekt ITER. 35 Staaten, darunter die EU-Mitgliedsländer, die USA, Russland und Japan, arbeiten zusammen, um einen Fusionsreaktor zu bauen, in dem geprüft werden soll, ob durch Fusionsenergie tatsächlich über längere Zeit Strom erzeugt werden kann. 2007 begannen nach langer Planung die Bauarbeiten, 2025 sollte der Betrieb ursprünglich starten – inzwischen wird mit 2035 gerechnet.

Kernfusion: Eine Zukunftstechnologie mit vielen Fragezeichen

Kernfusion ist eine Hoffnung für die Zukunft, aber keine Lösung für aktuelle Probleme. Experten gehen von Zeiträumen zwischen 25 und 35 Jahren aus, bis Kernfusion tatsächlich Energie liefern könnte. Doch diese Hoffnung ist mit vielen Unsicherheiten behaftet. Ob Kernfusion jemals ein relevanter Energieträger wird, bleibt ungewiss und wird von einigen Fachleuten infrage gestellt.

Für die ferne Zukunft könnten Fusionskraftwerke vielleicht einen Beitrag leisten, doch Deutschland ist strukturell nicht auf deren Nutzung ausgelegt. Aktuell setzt das Land stark auf den Ausbau von Wind- und Solarenergie. Da die Sonne nicht immer scheint und der Wind nicht ständig weht, braucht es Technologien, um diese sogenannten Dunkelflauten zu überbrücken. Energiespeicherung gilt hier als vielversprechende Lösung. Fusionskraftwerke nur während Dunkelflauten hochzufahren, dürfte wirtschaftlich nicht tragfähig sein.

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Maximilian Modler berichtet über spannende Entwicklungen aus den Bereichen Energie, Technologie - und über alles, was sonst noch für die deutsche Wirtschaft relevant ist. Er hat BWL, Soziologie und Germanistik in Freiburg, London und Göteborg studiert. Als freier Journalist war er u.a. für die Deutsche Welle, den RBB, die Stiftung Warentest, Spiegel Online und Verbraucherblick tätig.

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