Politik

Bundesrat-Abstimmung zum Milliardenpaket: Was passiert als Nächstes?

Kommt jetzt eine gigantische Schuldenaufnahme? So einfach ist es nicht, auch wenn der Bundesrat zugestimmt hat.
21.03.2025 10:40
Aktualisiert: 21.03.2025 10:40
Lesezeit: 3 min
Bundesrat-Abstimmung zum Milliardenpaket: Was passiert als Nächstes?
Mitglieder des Bundesrates heben ihre Hand für eine Abstimmung (Foto: dpa). Foto: Kay Nietfeld

Schuldenpaket im Bundesrat: Welche Änderungen stehen zur Abstimmung?

Das milliardenschwere Schuldenpaket im Bundesrat zur Finanzierung von Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz hat die letzte große Hürde genommen. Die Länder stimmten am Freitag mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit zu. Diese Entscheidung stellt für den voraussichtlich neuen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sowie die Koalitionsverhandler von Union und SPD eine erhebliche Erleichterung dar – denn diese Milliarden sind essenziell für die geplante schwarz-rote Bundesregierung. Es geht um Anpassungen an drei Artikeln des Grundgesetzes. Diese würden es Deutschland ermöglichen, unbegrenzt in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit zu investieren. Die Schuldenbremse bleibt für einen Teil dieser Ausgaben bestehen, darüber hinaus kann jedoch nahezu unbegrenzt auf Kredite zurückgegriffen werden.

Zusätzlich wird ein Sonderfonds mit einem Kreditrahmen von bis zu 500 Milliarden Euro geschaffen, der nicht unter die Schuldenbremse fällt. Daraus sollen dringend notwendige Infrastrukturprojekte wie Brücken, Energienetze, Straßen und Schulen finanziert werden. 100 Milliarden Euro sind explizit für Klimaschutzmaßnahmen und den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft vorgesehen. Allerdings kann das Geld nur dann genutzt werden, wenn im Kernhaushalt eine bestimmte Investitionsquote eingehalten wird. Damit soll verhindert werden, dass Union und SPD damit verdeckte Wahlgeschenke finanzieren.

Die Länder profitieren von dem Finanzpaket erheblich: Sie erhalten nicht nur 100 der 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz, sondern können künftig auch Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen – bislang lag diese Grenze bei null.

Wann treten die Änderungen in Kraft?

Nach der Zustimmung des Bundesrats fehlt nur noch die Unterzeichnung des Gesetzes durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dies wird für die kommende Woche erwartet. Der Bundespräsident muss prüfen, ob die Grundgesetzänderung verfassungsgemäß zustande gekommen ist. Berichten zufolge haben die Juristen im Bundespräsidialamt diese Prüfung bereits begonnen. Dass das Bundesverfassungsgericht das Verfahren vor der Abstimmung im Bundestag als rechtens eingestuft hat, dürfte die Entscheidung erleichtern.

In einigen Bundesländern ist eine Verfassungsänderung notwendig, um die Schuldenbremse zu lockern – in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Thüringen und dem Saarland existiert diese Beschränkung jedoch nicht in der Landesverfassung.

Wie hoch wird die Schuldenaufnahme in diesem Jahr sein?

Dies ist noch unklar. Die Ampel-Regierung hatte für 2025 Verteidigungsausgaben von 53 Milliarden Euro eingeplant. Durch die neuen Regeln würden davon nur rund 44 Milliarden unter die Schuldenbremse fallen, sodass bis zu neun Milliarden über Kredite finanziert werden könnten. Die Lockerungen für Zivilschutz, Cyberabwehr, Nachrichtendienste und Hilfen für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten erweitern den finanziellen Spielraum weiter. Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet laut "Handelsblatt" mit zusätzlichen 13 Milliarden Euro.

Da das Grundgesetz nun keine Obergrenze für diese Ausgaben vorsieht, könnte die Bundesregierung entscheiden, auch das Bürgergeld für ukrainische Geflüchtete aus Krediten zu finanzieren oder den Verteidigungsetat weiter zu erhöhen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte im November, dass die Bundeswehr 58 Milliarden Euro benötigt, um Fähigkeitslücken schnell zu schließen.

Sind jetzt unbegrenzte Schulden möglich?

Nein, aber der begrenzende Faktor dürfte künftig weniger das Geld als vielmehr die Kapazitäten der Industrie sein. Beim Infrastruktur-Sonderfonds könnten zudem Verfügbarkeit von Handwerkern, Rohstoffen und Behördenplanung die Geschwindigkeit der Mittelverwendung bestimmen. Die tatsächliche Schuldenhöhe wird daher von den möglichen Investitionen abhängen.

Verteidigungsausgaben werden in der Regel erst bei Lieferung bezahlt – und bis es soweit ist, dauert es oft Jahre.

Wer bestimmt, wofür das Geld genutzt wird?

Laut Verteidigungsminister Pistorius liegt die Entscheidung nicht allein bei der Bundesregierung. Der Bundestag beschließt den Haushaltsplan und somit auch die Verteidigungsausgaben. Für das Sondervermögen muss ein Wirtschaftsplan erstellt werden, der vorgibt, welche Projekte finanziert werden. Ein Vorschlag kommt von den Ministerien, das letzte Wort hat aber das Parlament.

Um Details wird weiterhin gerungen. Beispielsweise sind sich Politiker uneinig, ob Hochwasserschutz als Klimaschutzmaßnahme gilt. Zudem muss in einem weiteren Gesetz festgelegt werden, wie die neuen Schuldenmöglichkeiten zwischen den Bundesländern verteilt werden.

Wann beginnt die Rückzahlung der Schulden?

Hier gibt es noch keine klaren Regelungen. Für das Infrastruktur-Sondervermögen muss ein Tilgungsplan erarbeitet werden. Ob die Verteidigungs-Kredite überhaupt getilgt werden, ist unklar. Ein verschuldeter Staat bleibt kreditwürdig, solange seine Wirtschaftsleistung stabil ist.

In der Regel betrachtet man die Schuldenquote, also Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Da die Wirtschaft langfristig wächst, schrumpft dieser Anteil normalerweise. Kritisch könnten allerdings hohe Zinszahlungen werden.

Was bedeutet das für die Koalitionsverhandlungen?

Wer glaubt, das Finanzpaket löse alle Probleme der neuen Bundesregierung, irrt. Trotz der Milliarden bleibt eine erhebliche Haushaltslücke bestehen. Union und SPD haben teure Vorhaben beschlossen, darunter die Ausweitung der Mütterrente, eine höhere Pendlerpauschale und Steuersenkungen für die Gastronomie. Die Gelder aus dem Infrastruktur-Sondertopf dürfen nur genutzt werden, wenn auch im Kernhaushalt ausreichend investiert wird. Merz kündigte daher an, dass an anderer Stelle gespart werden muss – weshalb die Koalitionsverhandlungen weiterhin schwierig verlaufen.

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