Politik

„Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird nicht reichen – Brüssel plant auch tiefgreifende Reformen im Steuer- und Insolvenzrecht.
31.05.2025 17:28
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
„Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
Reformen für ein neues Regime, das für innovative Unternehmen freundlich ist, werden von Irlands EU-Kommissar Michael McGrath geleitet unter dem Namen "Choose Europe". (Foto: dpa) Foto: Sebastian Gollnow

Brüssel will Firmen in Europa halten und verspricht Kapital, Reformen und Tempo

Die Europäische Union plant einen neuen öffentlichen-private Fonds, mit dem wachstumsstarke Technologieunternehmen gefördert und am Standort Europa gehalten werden sollen. Die EU-Kommission würde sich im Rahmen dieser Initiative direkt an Tech-Firmen beteiligen, gemeinsam mit Wagniskapitalgebern.

Im Fokus stehen sogenannte Schlüssel- und Hochrisikotechnologien, darunter künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Kryptografie, Biotechnologie, 3D-Druck sowie moderne Fertigungs- und Werkstofftechnologien, wie die irische Zeitung Business Post berichtet.

Konkrete Summen wurden bislang nicht genannt. Ziel sei es jedoch, ein Vielfaches der EU-Beiträge aus der Privatwirtschaft – insbesondere von großen Pensionsfonds – einzuwerben.

Inspiration: EIC-Innovationsfonds mit 10 Milliarden Euro

Der neue Fonds soll sich am bestehenden European Innovation Council (EIC) orientieren, der seit 2018 über ein Volumen von zehn Milliarden Euro verfügt und Start-ups mit Eigenkapital oder Zuschüssen von bis zu 30 Millionen Euro unterstützt.

Beispielhaft nennt die Kommission drei irische Unternehmen – das Meeresforschungsunternehmen Technology from Ideas sowie die MedTech-Start-ups Versono Medical und Nemysis –, die bereits von einem Accelerator-Programm des EIC mit insgesamt 22,5 Milliarden Euro profitiert hätten.

Gesetzesreformen sollen Gründungen erleichtern und Verlagerung verhindern

In einem aktuellen Strategiepapier zu Start-ups und Scale-ups appelliert die Kommission an europäische Technologieunternehmen, Europa treu zu bleiben und sich nicht ins Ausland zu orientieren. „Choose Europe“ lautet der Leitsatz.

Um Gründer zu überzeugen, kündigt die Kommission umfassende politische Maßnahmen an: Steuer-, Arbeits- und Insolvenzrecht sollen reformiert und Unternehmensgründungen deutlich beschleunigt werden – mit dem Ziel, neue Firmen innerhalb von 48 Stunden registrieren zu können.

Diese Maßnahmen sind Teil eines geplanten „28. Rechtsregimes“ für innovative Unternehmen unter der Federführung des EU-Kommissars Michael McGrath. Die Veröffentlichung der Vorschläge ist jedoch erst für Anfang nächsten Jahres vorgesehen.

Eine der diskutierten Optionen ist die steuerliche Gleichstellung von Mitarbeiteraktienoptionen, um Start-ups im globalen Wettbewerb attraktivere Vergütungspakete zu ermöglichen. Derzeit gelten große Unterschiede im Steuer- und Insolvenzrecht als „massives Problem“ für Gründer, so ein hochrangiger EU-Beamter.

Deutschlandbezug: Kapital, Talente und Standortbindung im Fokus

Auch deutsche Start-ups sind betroffen: In den vergangenen Jahren ist ein signifikanter Teil vielversprechender Gründungen in die USA abgewandert – auf der Suche nach Kapital, günstigeren Rechtsrahmen und besseren Skalierungsmöglichkeiten. Von den in der EU gegründeten „Unicorns“ (Milliardenunternehmen) verließen rund ein Drittel Europa, so die Kommission.

Weltweit haben nur 8 Prozent aller Scale-ups ihren Sitz in der EU, während 60 Prozent den Standort USA oder Kanada bevorzugen. Für die EU ist das ein alarmierendes Signal – insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele dieser Firmen ursprünglich aus Ländern wie Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden stammen.

„Unternehmen, die in Europa gegründet werden, müssen auch in Europa wachsen“, erklärte der zuständige Kommissionsvizepräsident Stéphane Séjourné.

Fazit: Kapital allein reicht nicht – die EU muss Strukturen modernisieren

Der angekündigte Scale-up-Fonds ist Teil einer ganzen Reihe von Strategiepapieren, mit denen Brüssel die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken will. Neben Finanzierungsinstrumenten geht es um Deregulierung, Steuerharmonisierung und Innovationsförderung. Doch klar ist auch: Kapital wird nur dann im Binnenmarkt bleiben, wenn strukturelle Reformen und regulatorische Erleichterungen tatsächlich umgesetzt werden – schnell und einheitlich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliardenzuschuss senkt Strompreise ab 2026 um rund vier Prozent
04.10.2025

Ab 2026 sollen Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland durch einen staatlichen Milliardenzuschuss bei den Stromnetzgebühren...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2026: Geht der Höhenflug des Edelmetalls zu Ende?
04.10.2025

Der Goldpreis hat Aktienkurse übertroffen und neue Rekorde erklommen. Doch die Goldpreis-Prognose 2026 zeigt: Zinssenkungen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KNDS-Börsengang rückt näher: Chancen für die KNDS-Aktie in Europas Rüstungsindustrie
04.10.2025

KNDS, Hersteller der Leopard- und Leclerc-Panzer, bereitet einen Börsengang vor, der für Investoren und die europäische...

DWN
Panorama
Panorama Kultur im Wandel: Steht das Ende der Nine-to-five-Kultur bevor?
04.10.2025

In Deutschland ist das Arbeiten nach dem klassischen Nine-to-five-Rhythmus noch weit verbreitet – und das spiegelt sich auch bei...

DWN
Finanzen
Finanzen Kunst als Investment? 95 Prozent aller Werke sind nur Dekoration
04.10.2025

Die meisten Käufer träumen davon, dass jedes Bild irgendwann Gold wert ist. Doch die Realität ist ernüchternd: Nur ein winziger...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Indonesien-Abkommen: Was sich Unternehmen davon erwarten können
04.10.2025

Die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Indonesien stehen vor einem neuen Kapitel. Nach jahrelangen Verhandlungen...

DWN
Panorama
Panorama Erkältung, Grippe, Corona – So kommen wir durch die Infektionssaison
04.10.2025

Kaum beginnt die kühle Jahreszeit, häufen sich die Krankheitsfälle. Ob Erkältung, Grippe oder Corona – die Ansteckungsgefahr steigt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 95 Prozent scheitern: Warum Künstliche Intelligenz in Unternehmen zur Falle wird
04.10.2025

Die meisten KI-Piloten bleiben stecken, liefern keine Ergebnisse und entlarven fehlende Strategien im Management. Nur wer Prozesse radikal...