Politik

Freie Wähler attackieren die AfD: „Partei der Millionäre“

Lesezeit: 3 min
20.05.2014 00:09
Die Freien Wähler hoffen bei der EU-Wahl auf zwei bis drei Mandate. Dann will sich Hubert Aiwanger bei der liberalen Fraktion engagieren. Im Gegensetz zur AfD sieht Aiwanger seine Bewegung als die "Partei der kleinen Leute".
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Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Erwartungen haben die Freien Wähler bei der EU-Wahl?

Hubert Aiwanger: Die Freien Wähler haben 2009 bei der Europawahl 1,7 Prozent der Stimmen erreicht. Damals galt noch die 5-Prozent-Hürde, die es ja jetzt nicht mehr gibt. Wenn wir diese Stimmenanzahl wieder bekommen - wovon ich mindestens ausgehe - sind das schon zwei bis drei Abgeordnete. Damit haben wir den Fuß in der Tür und unsere politikerfahrene Spitzenkandidatin Ulrike Müller, derzeit Landtagsabgeordnete in Bayern, kann mit den weiteren Abgeordneten beweisen, dass wir frischen Wind auch in die Europapolitik bringen können. Diese Abgeordneten können uns dann vor Ort mit Informationen darüber versorgen, was in Brüssel genau abläuft so dass wir bei Fehlentwicklungen schnell und öffentlichkeitswirksam reagieren können - von der Tacho-Pflicht bis hin zur Trinkwasserprivatisierung.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie wollen die Freien Wähler die EU verändern?

Hubert Aiwanger: Europa muss von den Bürgern aus gedacht werden, nicht von Zentralisten und Theoretikern. Europa muss den Regionen und dem Mittelstand einen höheren Stellenwert einräumen und sich mehr um die großen Themen kümmern, anstatt die kleinen Strukturen zu Tode zu bürokratisieren. Friedenslösungen für die Ukraine sind gefragt, nicht Gurkenverordnungen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie verlangen in Ihrem Wahlprogramm weniger Bürokratie: Ist es nicht so, dass es in Bayern mehr Bürokratie gibt als in Brüssel?

Hubert Aiwanger: Wir leiden darunter, dass die Landes- und Bundesregierung auf europäische Vorgaben immer noch eins draufsetzt. Würde Brüssel auf die Bremse treten, hätten Bürokraten hierzulande weniger Tischvorlagen, die sie ausgestalten können

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie fordern einen Verhandlungs-Stopp bei TTIP – unter welchen Bedingungen könnte wieder verhandelt werden?

Hubert Aiwanger: Wenn man sich anschaut, welche Gemeinheiten uns über dieses Freihandelsabkommen zugemutet werden sollen- von Hormonfleisch bis Fracking-, weiß man auch, warum es so geheim verhandelt wird. Wir fordern eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über Sinn und Inhalt eines solchen Abkommens und eine Volksabstimmung im Falle der Inkraftsetzung.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie wollen den Mittelstand in Europa stärken – müsste man dann nicht das TTIP komplett kippen?

Hubert Aiwanger: Ich sehe aus heutiger Sicht mehr Schaden als Nutzen durch TTIP, gerade auch für den Mittelstand und kleine Strukturen. Die Philosophie dieses Abkommens ist weniger Qualität und Regionalität, dafür ein Überschwemmen der Märkte mit Massenware. Das läuft dem Mittelstand und Handwerk zuwider und schadet letztendlich auch dem Verbraucher. Wir tun gut daran, TTIP bis auf weiteres zu stoppen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Freien Wähler „stehen zur gemeinsamen Agrarpolitik“ in der EU. Wäre das nicht ein Bereich, wo radikal gespart werden könnte?

Hubert Aiwanger: Die Landwirte haben hierzulande hohe Umwelt-, Tierschutz- und Verbraucherschutzvorgaben zu erfüllen, sollen aber trotzdem zu Weltmarktpreisen produzieren - und auch andere Länder subventionieren ihre Landwirte. Der Fehler im System ist aber, dass wir erst viel Geld nach Brüssel geben und dann einen Teil davon zurückbekommen, wenn wir erfüllen, was die Kommissare dort wollen. Die Agrarpolitik sollte in vielen Bereichen regionalisiert werden, dann könnten die einzelnen Länder entscheiden, welche Landwirtschaft sie wollen und wieviel Geld sie dafür ausgeben. Die jetzige Gleichmacherei - z.B. einheitliche Prozentzahlen für die Flächenstilllegung in ganz Europa- wird der Situation nicht mehr gerecht. Aber viele Vorschriften und keine Ausgleichszahlungen dafür würden die bäuerliche Landwirtschaft ruinieren und der reinen Agrarindustrie Vorschub leisten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die EU-Agrarpolitik bevorzugt die industriellen Landwirtschaften, die Kleinen müssen sehen, wo sie bleiben. Ist hier nicht eine Reform zwingend nötig?

Hubert Aiwanger: Ja, die Nationalstaaten wissen besser, welches Leitbild und welchen auch gesellschaftlichen Stellenwert die Landwirtschaft vor Ort haben sollte. Dieses Denken ist den Zentralisten in Brüssel aber nicht geheuer, weil sie damit an Einfluss verlieren würden. Aber genau das muss an der Stelle passieren.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie fordern die Auflösung des ESM – wie soll das konkret geschehen?

Hubert Aiwanger: Der ESM widerspricht dem Gründungsgedanken des Euro - jeder haftet für seine Schulden selbst. Der ESM bringt Schuldenvergemeinschaftung und bedeutet Schuldensozialismus. Wir fordern, dass die Investoren, die sich in Krisenländern verzockt haben, lieber einen Schuldenschnitt akzeptieren müssen, so wie jeder andere Unternehmer auch, als sich auf Rettungsnetze zu verlassen, die am Ende keiner mehr bezahlen kann und die nur zu riskantem Handeln animieren. Außerdem fordern wir Parallelwährungen, also die Wiedereinführung eigener Währungen in Krisenländern zusätzlich zum Euro, damit Wechselkursmechanismen wieder in Gang gesetzt und damit regionale Wirtschaftskreisläufe wiederbelebt werden können.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wenn die Freien Wähler ins EU-Parlament kommen – mit welcher Partei können Sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen?

Hubert Aiwanger: Wir sind in engem Kontakt mit der EDP, der Europäischen Demokratischen Partei, die viele kommunale Mandatsträger hat und regional-liberal denkt wie wir. Diese EDP ist derzeit in der drittstärksten Parteienfamilie, der liberalen ALDE-Fraktion engagiert. Wir wollen dort Vernunft reinbringen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Das Programm der FW ist in viele Punkten dem der AfD ähnlich. Was ist der Unterschied zwischen den FW und der AfD?

Hubert Aiwanger: Wir Freien Wähler sind die Partei der kleinen Leute und des Mittelstands und nicht von Geldgebern abhängig, die AfD ist die Partei der Millionäre und Neoliberalen, das weiß deren Fußvolk nur noch nicht. Fragen Sie nur mal nach, woher deren Spenden kommen, mit denen sie an jede Laterne ein Plakat hängen. Die Parteispitze der AfD hat TTIP befürwortet, das spricht für sich.


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