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Neuer Trick: EU will Sozialkassen in Griechenland plündern

Lesezeit: 4 min
04.06.2014 01:47
Die wirtschaftliche Lage Griechenlands ist verheerend. Die EU feiert 0,6 Prozent Wachstum - nachdem die Wirtschaft in den vergangenen fünf Jahren um 24 Prozent eingebrochen ist. Bundesfinanzminister weiß, dass Griechenland mindestens 90 Milliarden Euro an Schulden zu erlassen sind. Die Frage, die Schäuble umtreibt: Wie kann man diese Summe verstecken, ohne dass es zu einem gewaltigen Aufschrei der europäischen Steuerzahler kommt?

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Dass Wolfgang Schäuble nun ein drittes Hilfspaket für Griechenland in Milliardenhöhe will, kommt nicht von ungefähr. In einer Pressepräsentation feiert zwar die EU-Kommission die griechischen Erfolge mit großen Schlagzeilen: „Ökonomische Stabilität und fiskalische Nachhaltigkeit sind wiederhergestellt worden“ oder „Klarer Fokus auf wachstumsstärkende Strukturreformen“. Wer aber den über 300 Seiten dicken aktuellen Bericht von EU-Kommission und EZB zu Griechenland bis zum Ende liest (und das hat Wolfgang Schäuble wohl inzwischen getan), dem kommen Zweifel auf.

Die guten Nachrichten aus Griechenland können schnell abgehakt werden: 0,6 Prozent Wirtschaftswachstum werden für 2014 erwartet. Aber was bedeutet das schon, nachdem die griechische Wirtschaftsleistung 2008 bis 2013 um insgesamt 24 Prozent gefallen ist und nachdem dadurch 28 Prozent der griechischen Bevölkerung arbeitslos geworden sind?

Tatsächlich ist es mittlerweile kaum noch möglich, klare Aussagen über Griechenland zu treffen: Der griechische Ökonom Yanis Varoufakis deckte auf, dass der von Athen gemeldete und von Brüssel anerkannte Primär-Überschuss im griechischen Staatshaushalt eine plumpe Manipulation ist. Varoufakis geht davon aus, dass die Zahlen mit Wissen der EU und von Angela Merkel frisiert worden waren, um vor den EU-Wahlen keine Diskussion über einen saftigen griechischen Schuldenschnitt aufkommen zu lassen (mehr dazu hier im Interview).

Nun sind die Wahlen vorbei. Und es hat sich nichts geändert.

Die andauernde wirtschaftliche Misere Griechenlands schlägt sich nämlich weiterhin im griechischen Staatshaushalt nieder. Obwohl immer noch Gelder in Milliardenhöhe aus dem Euro-Rettungsschirm, also dem EFSF, und vom Internationalen Währungsfonds fließen, gibt es eine Finanzierungslücke, die im Bericht von Kommission und EZB auf insgesamt 5,5 Milliarden Euro bis Mai 2015 geschätzt wird.

Zur Deckung dieser Finanzierungslücke schlagen EU-Kommission und EZB in ihrem Bericht teilweise zweifelhafte Finanzgeschäfte vor. So wird die griechische Regierung zu sogenannten Repogeschäften angehalten. Konkret soll die griechische Regierung neu kreierte Vermögenstitel (für die etwa öffentliche Straße oder öffentliche Gebäude als Sicherheit dienen) verkaufen, um sie später zurückzukaufen. Wer aber soll solche Papiere haben? Infrage kommen nur andere griechische öffentliche Institutionen. Gemeint sind wahrscheinlich die griechischen Sozialkassen, die damit für die griechischen Staatsschulden in Haftung genommen werden sollen.

Diesen riskanten Trick hat Spanien bereits vor einem Jahr angewendet - als der Regierung in Madrid das Wasser bis zum Hals stand und sie nach dem letzten Strohhalm griff, um die Troika aus dem Land zu halten (mehr dazu hier).

Neben kurzfristigen Finanzierungslücken macht Wolfgang Schäuble aber auch die langfristige Perspektive Sorgen. Die Verschuldung Griechenlands werde erst 2022 ein tragfähiges Niveau erreichen, so der Finanzminister (mehr hier). Und selbst das ist aus mehreren Gründen höchst unsicher.

Da ist zum einen die Frage, was überhaupt ein „tragfähiges Niveau“ ist. Laut Bericht von Kommission und EZB soll die Staatsverschuldung Griechenlands von 177 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr langsam auf 112 Prozent des BIPs im Jahr 2022 sinken.

Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Schuldenquote gegenwärtig etwa 78 Prozent.

Die international renommierten Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart (Bestseller: „Dieses Mal ist alles anders“) konnten belegen, dass schon eine Schuldenquote von über 90 Prozent langfristig nicht tragfähig ist und in eine Schuldenspirale führt. Sicherlich ist dabei der Wert von 90 Prozent nicht in Stein gemeißelt. Eine Volkswirtschaft mit wettbewerbsfähigen Zukunftsbranchen und einer wachsenden Bevölkerung kann auch höhere Staatsschulden vertragen. Aber Griechenland?

Neben der Unsicherheit, welches Schuldenniveau langfristig tragfähig ist, besteht zum anderen die Unsicherheit, ob die prognostizierten 112 Prozent wirklich jemals erreicht werden. Diese Vorhersage von Kommission und EZB für 2022 beruht nämlich auf einem sogenannten Basisszenario, dass unter anderem annimmt, dass es in Griechenland nun niemals wieder eine Rezession geben wird. Wie realistisch ist das denn? Außerdem werden weitere Sparmaßnahmen der Regierung vorausgesetzt. Ob da die griechische Bevölkerung noch mitspielt?

Im Bericht findet sich neben dem Basisszenario auch ein „Negativszenario“, das letztlich viel realistischer erscheint. Nach diesem Szenario kann aber die griechische Regierung bis 2022 ihre Schuldenquote nur bis auf knapp 140 Prozent drücken. Das wäre in etwa das Niveau, mit dem 2009/2010 die griechische Staatsschuldenkrise begann.

Um aber von 140 Prozent auf dauerhaft tragfähige 90 Prozent zu kommen, hilft kein neues Rettungspaket, da hilft nur ein wirklicher Schuldenerlass. Und dann geht es nicht um einstellige Milliardenbeträge, sondern eben um Summen in der Größenordnung von 50 Prozent der gesamten jährlichen griechischen Wirtschaftsleistung. Es geht also darum, dass von den Krediten in Höhe von 237 Milliarden Euro, die im Zuge der ersten beiden Rettungspakete aus den anderen Eurostaaten geflossen nach Griechenland sind und noch fließen, etwa 90 Milliarden Euro erlassen werden, einfach nicht zurückgezahlt werden.

Im Grunde genommen weiß das auch der Bundesfinanzminister. Das große Problem Schäubles (und der anderen europäischen Finanzminister) ist, wie man eine Summe in der Größenordnung von 90 Milliarden Euro über die Jahre verteilen und verstecken kann, so dass kein öffentlicher Aufschrei erfolgt. In diesem Zusammenhang ist auch die Ankündigung eines dritten „Hilfspaketes“ zu sehen: Es ist nichts anderes als ein weiterer Kredit, der den europäischen Schuldenpolitikern helfen soll: Sie wollen weitermachen wie bisher.

Die Griechen dagegen können nur weiter auf ein Wunder hoffen.

***

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