Deutschland

Draghis Erbe: Deutschen Sparern gehen Milliarden Euro verloren

Infolge der Geldpolitik der EZB sind die durchschnittlichen Zinseinnahmen der deutschen Sparer im Verlauf der vergangenen zehn Jahre auf weniger als ein Viertel eingebrochen.
12.09.2019 15:21
Aktualisiert: 12.09.2019 15:41
Lesezeit: 2 min
Draghis Erbe: Deutschen Sparern gehen Milliarden Euro verloren
EZB-Chef Mario Draghi (Foto: dpa) Foto: Arne Dedert

Mit ihrer lockeren Geldpolitik hat die EZB massiv Vermögen umverteilt. Besitzer von kleineren Sparkonten haben in den vergangenen Jahren kaum noch Zinsen auf ihre Guthaben erhalten. Die wohlhabenden Haushalte hingegen, die Finanzwerte wie Immobilien und Aktien besitzen, haben massiv vom Preisanstieg dieser Anlageklassen profitiert, der von den Interventionen der EZB ausgelöst wurde.

Zu den Profiteuren gehören auch die Schuldner, die kaum noch Zinsen zahlen müssen, darunter auch sogenannte Zombie-Unternehmen. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die hoch verschuldet sind, unter normalen geldpolitischen Bedingungen längst bankrott wären und nur durch die extrem tiefen Schuld-Zinsen über die Runden kommen.

Zu den von der EZB verwendeten Instrumenten gehört der Einlagensatz, der bereits seit 2014 negativ ist, was bedeutet, dass Geschäftsbanken Strafzinsen auf ihre Guthaben bei der Notenbank zahlen müssen. Hinzu kamen unkonventionelle Instrumente wie massive Wertpapierkäufe (auch bekannt als Quantitative Easing oder QE). Diese Instrumente sowie die Prognosen der EZB über ihren künftigen Kurs haben einen entscheidenden Einfluss auf die kurz- und langfristigen Zinssätze am Markt.

EZB bringt deutschen Sparern Verluste von 158 Milliarden Euro

Infolge der extrem lockeren Geldpolitik der EZB seit der Finanzkrise sind die durchschnittlichen Zinseinnahmen der deutschen Haushalte dramatisch zurückgegangen, sagt Eric Dor von der Pariser IESEG School of Management in einem aktuellen Bericht. Der Forscher hat auch eine grobe Schätzung erstellt, wie viel Geld die deutschen Sparer verloren haben. Dazu stellt er deren tatsächliche Zinsen den Zinseinnahmen gegenüber, die sie erhalten hätten, wenn das Zinsniveau des Jahres 2012 angehalten hätte. Demnach hat die EZB-Geldpolitik zwischen 2012 und 2019 für die deutschen Haushalte einen Verlust an Bruttozinseinkommen in Höhe von 158 Milliarden Euro nach sich gezogen.

Natürlich ist die Geldpolitik den deutschen kreditnehmenden Haushalten zugute gekommen. Zwischen 2012 und 2019 haben die verschuldeten Haushalte in Deutschland insgesamt 99 Milliarden Euro an Zinsaufwendungen "eingespart". Eric Dor kommt zu diesem Ergebnis, indem er für alle Jahre nach 2012 die Differenz zwischen dem effektiven Zinsaufwand und dem Ausgangsniveau addiert. Für die deutschen Haushalte insgesamt ergibt sich also auch unter Berücksichtigung der "Gewinne" der Schuldner noch ein Verlust durch Niedrigzinsen in Höhe von 59 Milliarden Euro.

Die EZB rechtfertigt die Absenkung der Zinssätze damit, dass billige Kreditmöglichkeiten die Haushalte und Unternehmen veranlassen würden, ihre Ausgaben zu erhöhen, was die Wirtschaft ankurbeln soll. Das Problem ist aber, dass eine Zinssenkung in der Realität genau zum umgekehrten Ergebnis führen kann, wenn nämlich die Haushalte nicht ihre Ausgaben erhöhen, sondern stattdessen verstärkt Geld sparen, um die niedrigeren Zinserträge auszugleichen. Und genau das haben die Deutschen getan. Die Sparquote der deutschen Haushalte nimmt seit 2014 immer weiter zu.

Und was für Haushalte gilt, gilt im Übrigen in ähnlicher Form auch für Banken. Niedrige oder sogar negative Zinssätze verringern deren Zinseinnahmen und gefährden ihre Rentabilität. In der Folge könnten niedrige Zinsen also dazu führen, dass Banken die Kreditvergabe an den privaten Sektor nicht erhöhen, sondern verringern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Medienkrieg: Warum Paramount Skydance das Netflix-Angebot sprengt
10.12.2025

Ein Übernahmekampf erschüttert die US-Medienbranche, weil Paramount Skydance das vermeintlich entschiedene Rennen um Warner Bros....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Volkswagen beendet Fahrzeugproduktion: Umbaupläne für Gläserne Manufaktur in Dresden
10.12.2025

Die VW-Fahrzeugproduktion in Dresden endet aus wirtschaftlichen Gründen nach mehr als 20 Jahren. Über die Zukunft des ehemaligen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jobabbau bei BASF und Co.: Deutsche Chemie-Industrie historisch schlecht ausgelastet
10.12.2025

Teure Energie, Wirtschaftskrise und Preisdruck: Die deutsche Chemiebranche steckt in der schwierigsten Krise seit 25 Jahren. Auch 2026...

DWN
Politik
Politik Schutz vor Einschüchterung: Bundesregierung beschließt besseren Schutz vor Schikane-Klagen
10.12.2025

Die Bundesregierung schützt Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten künftig besser vor sogenannten Schikane-Klagen. Mit dem Vorhaben...

DWN
Finanzen
Finanzen Kapitalmarkt 2026: Mehr Börsengänge in Deutschland und Europa erwartet
10.12.2025

Mit Ottobock, TKMS und Aumovio zählen drei deutsche Börsendebüts zu den gewichtigsten in Europa im laufenden Jahr. Doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Weihnachtsfeier steuerlich absetzen: So gelingt es – Tipps vom Steuerberater
10.12.2025

Viele Unternehmen möchten ihre Weihnachtsfeier steuerlich absetzen und gleichzeitig die Kosten im Blick behalten. Eine gut geplante Feier...

DWN
Politik
Politik „Reichsbürger“-Verfahren: Prinz Reuß wird zu Vorwürfen sprechen
10.12.2025

Der mutmaßliche „Reichsbürger“ Heinrich XIII. Prinz Reuß wird zu den Vorwürfen eines geplanten „Staatsstreichs“ Stellung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Warum die Rekordausgaben der Tech-Giganten zum Risiko werden
10.12.2025

Die Tech-Konzerne pumpen Milliarden in künstliche Intelligenz und treiben ihre Investitionslast auf historische Höhen. Doch aus dem...