Wirtschaft

Lithium-Reserven in Bolivien: Morales' Sturz ist ein herber Rückschlag für China

Ende September sollen die Chinesen mit der inzwischen gestürzten bolivianischen Regierung eine vertiefte Zusammenarbeit im Lithium-Markt vereinbart haben. Die Frage, wer künftig Zugriff auf die weltgrößten Reserven des strategischen Rohstoffes haben wird, dürfte von hoher Signifikanz sein.
06.12.2019 11:27
Aktualisiert: 06.12.2019 11:27
Lesezeit: 3 min
Lithium-Reserven in Bolivien: Morales' Sturz ist ein herber Rückschlag für China
Boliviens Ex-Präsident Morales kündigte im Jahr 2013 eine Allianz mit China an. (Foto: dpa) Foto: Wang Zhao / Pool

Das Militärmagazin DIÁLOGO hatte am 7. November 2019, drei Tage vor dem Sturz des bolivianischen Präsidenten Evo Morales, einen Bericht veröffentlicht, in dem China für seine Aktivitäten im Lithium-Sektor Boliviens scharf kritisiert wird. Der Bericht, der den Titel “Chinesische Unternehmen wollen bolivianisches Lithium ausbeuten” trug, wurde inzwischen von der Webseite DIÁLOGO gelöscht.

Dem Bericht zufolge hatte sich die bolivianische Regierung Ende September über ihr staatliches Unternehmen Yacimientos de Litio mit der chinesischen TBEA Group Baocheng aus Xinjiang zusammengeschlossen, um neue Lithiumcarbonat-Verarbeitungsanlagen in den Salzzonen von Pastos Grandes und Coipasa und in den Städten Potosí, Oruro und Tonga zu errichten. Die Investitionssumme sollte sich auf insgesamt 2,4 Milliarden US-Dollar belaufen.

“Wir möchten die Industrialisierung von Unternehmen wie der metallurgischen und chemischen Industrie unterstützen, um Boliviens Energie- und Industrietraum zu verwirklichen. China wird bis 2025 800.000 Tonnen Lithium pro Jahr benötigen”, sagte der chinesische Botschafter in Bolivien, Liang Yu, während einer Pressekonferenz.

Das chinesische Projekt umfasst den Bau von fünf Anlagen, in denen 146.000 Tonnen metallisches Lithium, Lithiumhydroxid, Borsäure, reines Bromid und Natriumbromid pro Jahr hergestellt werden. Das geht DIÁLOGO zufolge aus einem Video des bolivianischen Energieministeriums hervor. DIÁLOGO wörtlich: “Lithium, ein feines, silberweißes Pulver, das in Salzlaken (Wasser mit hohen Salzkonzentrationen) enthalten ist, wird zur Herstellung von wiederaufladbaren Batterien für elektronische Geräte und Elektrofahrzeuge sowie zur Herstellung von Keramik, Glas und Aluminium verwendet.”

Daniel Pou, Forscher am Lateinamerikanischen Institut für Sozialwissenschaften in der Dominikanischen Republik, sagte dem Magazin vor dem Sturz von Morales: “Die Partnerschaft mit China wird das Panorama Boliviens nicht verändern. Diese Art von Vereinbarungen haben nur einseitige Vorteile für denjenigen, der die Technologie besitzt. Es gibt keine wirtschaftlichen und sozialen Vorteile für die Bevölkerung.” Überall, wo es Lithium- und Bauxitreserven gibt, sei China im Rahmen seiner globalen Wachstumsstrategie aktiv. “Mit einem Marktanteil von 63 Prozent ist China der weltweit größte Verbraucher von Lithiumcarbonat”, zitiert das Magazin Ingrid Garcés, Professorin an der Universität von Antofagasta (Chile). Der bolivianischen Regierung zufolge soll das Land über 21 Millionen Tonnen an Alkalimetallen verfügen, “was bedeutet, dass Bolivien möglicherweise über die größte Lithiumreserve der Welt verfügt.

DIÁLOGO zitiert auch das Observatorium für Bergbaukonflikte in Lateinamerika (OCMAL) aus einer Mitteilung: “Die Regierung sollte die Umweltverträglichkeitsprüfungen der Lithiumausbeutung offenlegen. Der Abbau von Lithium wirkt sich unvermeidlich auf die soziale Umwelt aus. Die Lithiumgewinnung in den Salzseen der Anden und in den Salzwiesen von Uyuni, Atacama und Hombre Muerto führt unter anderem zum Einsatz giftiger Chemikalien, zur Versalzung von Boden und Wasser, zur Luftverschmutzung, zum Verlust der biologischen Vielfalt und insbesondere zu einem Ungleichgewicht in der Umwelt regionales hydrologisches System.”

Der Wissenschaftler Pou fügt hinzu: “Wenn die Welt bis 2030 eine beträchtliche Anzahl von Elektrofahrzeugen haben will, müssen Lithium-Alternativen oberste Priorität haben. Batterien auf Natrium- oder Kaliumbasis, Elemente, die auf der ganzen Welt häufiger vorkommen, haben möglicherweise eine längere Lebensdauer, verursachen weniger Umweltverschmutzung und kosten weniger als Lithium-basierte Optionen. Sie sind eine bessere Alternative.”

Lithium gehört zu den begehrtesten Alkalimetallen und Rohstoffen der Welt. Ausschlaggebend für die enorme Bedeutung ist das Wachstum in der Elektro-Autoindustrie. Elektro-Autos funktionieren unter Anwendung von Lithium-Batterien. CNN Money umschreibt Lithium als das "Gold des 21. Jahrhunderts". Insbesondere die US-Konzerne Tesla, Google und Apple wollen in den kommenden Jahren ihre Investitionen im Elektro-Autosektor deutlich anheben, was die Nachfrage nach Lithium erhöhen wird.

Hauptförderländer von Lithium sind aktuell Australien, Chile, Argentinien, China, Zimbabwe, Portugal und Brasilien, berichtet Investing News. China und Europa sind die größten Konsumenten von Lithium. Die strategische Wichtigkeit des Rohstoffs wird auf der Webseite der CIA deutlich, die Lithium und der Lithium-Batterie eine gesamte Webseite gewidmet hat. Die CIA berichtet, dass sie sich ausgiebig im Bereich der Technologie-Entwicklung beschäftige. Die Lithium-Batterie sei erstmals in den 1960er Jahren beim CIA erfunden und zum Einsatz gekommen. Folglich werden die US-Dienste bei der Sicherung der weltweiten Lithium-Vorräte eine wichtige Rolle spielen, um die US-Industrie zu schützen. In diesem Zusammenhang berichtet die New York Times: „Beispielsweise heißt es in einem internen Pentagon-Papier, dass Afghanistan das ,Saudi-Arabien des Lithiums‘ werden könnte. Lithium ist ein wichtiger Rohstoff bei der Herstellung von Batterien für Laptops und Blackberrys. Der große Umfang der afghanischen Bodenschätze wurde von einem kleinen Team von Pentagon-Beamten und amerikanischen Geologen entdeckt.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation ohne E-Mail und Telefon: Wie erreichen Unternehmen Angestellte in der modernen Arbeitswelt?
09.06.2025

Arbeiter ohne E-Mail oder Telefon erfordern authentische, visuelle Kommunikation. Personalisierte Videos und direkte Dialoge steigern das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Analyse: Chinesische Exportbeschränkungen für seltene Erden setzen westliche Industrie unter Druck
09.06.2025

Ein bislang wenig beachteter Aspekt im Handelskonflikt zwischen China und den USA sind die seit April geltenden chinesischen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Algen auf dem Rechenzentrum: Die Revolution der Datenabwärme
09.06.2025

Server produzieren nicht nur Daten – sondern auch wertvolle Wärme. Ein französisches Rechenzentrum verwandelt diese jetzt in grüne...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Studie: Jedes zweite Unternehmen plant KI-Strategie mit Startups
09.06.2025

Der Open Innovation Report 2025 zeigt: 51 Prozent der deutschen Unternehmen setzen für ihre KI-Zukunft auf Startup-Kooperationen. Doch der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Bike war gestern: Wasserstoff-Fahrradmarkt kommt ins Rollen
09.06.2025

Polens Industrie schlägt neue Wege ein: Mit dem ersten Wasserstoff-Fahrrad für Unternehmen will Groclin die Mobilitätswelt verändern....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Sozialabgaben steigen ins Unermessliche - Bürokratie allein verschlingt 25 Milliarden Euro
09.06.2025

Sozialversicherungen kosten Arbeitnehmer und Unternehmen aktuell schon 42 Prozent des Bruttogehalts, Tendenz steigend. Die Bürokratie...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich mit 50? Nur, wenn Sie jetzt aufhören, Fehler zu machen
08.06.2025

Mit 50 ist es Zeit umzudenken: Zwei Finanzveteranen erklären, warum Schuldenabbau, kluge Rücklagen und langfristiges Denken entscheidend...

DWN
Politik
Politik Margrethe Vestager war eine der mächtigsten Personen Europas – jetzt sagt sie das „goldene Zeitalter“ voraus
08.06.2025

Margrethe Vestager gehörte zu den mächtigsten Frauen Europas. Jetzt zeichnet sie ein Bild der EU ohne USA – und sieht darin die große...