Deutschlands Überschuss in der Leistungsbilanz ist im vergangenen Jahr nach Angaben des ifo Instituts erneut gestiegen und bleibt der weltweit größte, noch vor Japan (194 Milliarden US-Dollar) und China (183 Milliarden US-Dollar). Christian Grimme, Konjunkturexperte am ifo Institut, sagt dazu: “Wir rechnen mit 293 Milliarden Dollar oder 262 Milliarden Euro, was 7,6 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung entspricht. 2018 waren es nur 7,3 Prozent. Die Rezession in der deutschen Industrie dürfte ein wichtiger Faktor sein, denn dadurch sind die Importe von Waren langsamer gestiegen.”
Auch die Primäreinkommen, das vor allem grenzüberschreitend erwirtschaftete Einkommen aus Vermögensanlagen, wie zum Beispiel Zins- und Dividendenzahlungen umfasst, legten zu. Diese machen inzwischen 37 Prozent des Leistungsbilanzüberschusses aus.
Wie sich die deutsche Leistungsbilanz im Verlauf des Brexits entwickeln wird, bleibt unklar. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zeigt sich jedenfalls pessimistisch. Die Zeit der Unsicherheit für deutsche Unternehmen und für Hunderttausende Beschäftigte ist nach dem Brexit noch lange nicht vorbei. Zwar habe die Hängepartie um den Austritt Großbritanniens aus der EU ein Ende, doch zur Erleichterung bestehe kein Anlass, so der BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Wie es beim zukünftigen Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Großbritannien weitergehen solle, sei offen. Es gehe vor allem um die künftigen Wettbewerbsbedingungen.
Das Risiko eines harten Bruchs mit Großbritannien ohne Abkommen bleibe groß, sagte Lang. Die Unternehmen wüssten weiterhin nicht, worauf sie sich im Verlauf dieses Jahres einstellen müssten. Dies könnte auch Auswirkungen auf Jobs in deutschen Firmen haben. Rund eine halbe Million Arbeitsplätze hingen am Geschäft mit Großbritannien, so Lang. 20 Prozent davon könnten im schlimmsten Fall betroffen sein, etwa weil Firmen ihre Produktion in Großbritannien auslaufen lassen. Zudem sind die deutschen Exporte ins Vereinigte Königreich im vergangenen Jahr bereits deutlich zurückgegangen.
Aufgrund der kurzen Verhandlungszeit sei bis Jahresende ein umfassendes Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien nach dem Vorbild des Abkommens zwischen der EU und Kanada kaum möglich - dafür hätten die Verhandlungen sieben Jahre gedauert.