Die physischen Geldbestände der Banken in Deutschland stiegen im Dezember auf den Rekordstand von 43,4 Milliarden Euro, so die am Freitag veröffentlichten Daten der Bundesbank. Das ist fast dreimal so viel wie noch Ende Mai 2014, bevor die Europäische Zentralbank damit begann, Strafzinsen auf die Einlagen der Banken zu erheben, was den Druck auf die bereits angeschlagenen deutschen Banken weiter erhöhte.
Im vergangenen Jahr drückte die EZB die Zinsen sogar noch weiter unter Null, um die in ihren Augen zu niedrige Inflation in der Eurozone anzufachen. Negative Zinsen sollen die Kreditaufnahme für Unternehmen und Privatpersonen noch günstiger machen. Doch für die deutschen Banken sind negative Zinssätze eine Bedrohung, da ihre Geschäfte stark von Kreditzinsen abhängig sind und sie auf einem Berg von Einlagen sitzen.
"Die negativen Zinssätze der EZB machen das Horten von Bargeld attraktiv", zitiert Bloomberg den FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schaeffler. "Dies ist erst der Anfang. Wenn es so weitergeht, werden wir einen Boom für Tresorbauer und Sicherheitsfirmen erleben".
Tatsächlich gibt es im Moment nicht mehr genug Platz für das viele Bargeld, das die Banken aufbewahren wollen. so hat Pro Aurum, ein in München ansässiger Edelmetallhändler, mehrere Anfragen von Banken erhalten, die Banknoten in seinen Tresoren aufbewahren wollten. Die Firma musste die Anfragen jedoch aus Kapazitätsgründen ablehnen.
Die Annahme von Einlagen zur Finanzierung von Krediten ist das Herzstück des Bankwesens. Doch die europäischen Kreditgeber sagen, dass die Einlagen bei ihnen heute viel größer sind, als dies zur Vergabe von Krediten nötig wäre. Sie sitzen daher auf Milliarden von Euro, die sie zur EZB bringen oder für die sie eine andere Lösung finden müssen.
Mehr Bargeld zu halten, reicht für einen Bankensektor mit etwa 3 Billionen Euro Einlagen nicht aus, um der Last der negativen Zinsen zu entgehen. Der Bundesverband deutscher Banken schätzt, dass die Strafzinse der EZB die Kreditgeber hierzulande jährlich etwa 2 Milliarden Euro kosten werden. Zudem erheben haben zahlreiche deutsche Banken zum Jahresbeginn Negativzinsen für Privatkunden eingeführt oder bereits bestehende Strafzinsen erhöht.
Deutschland ist von den Negativzinsen besonders schwer betroffen, da die Deutschen mehr als die meisten anderen Europäer sparen und riskantere Finanzprodukte vermeiden, die den Banken Gebühren einbringen. Die Sparquote hierzulande lag laut Zahlen der Deutschen Bank im Jahr 2017 bei rund 10 Prozent und damit fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Eurozone. Im vergangenen Jahr hielten die Deutschen laut Zahlen der DZ Bank nur 21 Prozent ihres 6,6 Billionen Euro Geldvermögens in Form von Investmentfonds, Aktien, Zertifikaten und Anleihen.
Zwar ist das Volumen der Banknoten, die von den Banken in den Tresoren gehortet werden, im Vergleich zu den Einlagen, die sie halten, noch gering. Doch die deutschen Kritiker der EZB fühlen sich durch den Trend bestätigt. Sie sagen, dass die negativen Zinssätze an ihre Grenzen stoßen und die Wirtschaft nicht so stimulieren, wie es das erklärte Ziel der Zentralbank war.
Die EZB hat die Kritik der deutschen Banken an den negativen Zinssätzen zurückgewiesen und gesagt, dass sich ineffiziente Banken auf die Senkung der Kosten konzentrieren sollten, anstatt die lockere Geldpolitik der Zentralbank für ihre hausgemachten Probleme verantwortlich zu machen.
Zudem hat die EZB versucht, die Nebenwirkungen ihrer negativen Zinssätze zu begrenzen, indem sie einen Teil der Einlagen bei der Zentralbank von den Gebühren befreit hat. Dieses als "Tiering" bezeichnete System hat den Druck auf die Banken möglicherweise verringert, sagt Cornelia Schulz, Sprecherin des Verbandes der deutschen Genossenschaftsbanken. So erwartet der Verband, dass seine Mitglieder Ende 2019 ihre gemeinsamen Bargeldbestände gegenüber den Vorjahren reduziert haben.
Doch nicht nur die Banken horten Bargeld. Auch vermögende Privatpersonen setzen zunehmend auf Bargeld (und Gold). Denn zum einen wollen sie die Gebühren bei ihren Banken vermeiden, zum anderen haben sie ein tiefes Misstrauen gegenüber der Geldpolitik. Daher verzeichnen Tresorhersteller und Anbieter von Schließfächern eine extreme Nachfrage.
"Wir stellen eine verstärkte Nachfrage nach unseren Tresoren fest, häufig zur Aufbewahrung von Bargeld", zitiert Bloomberg Markus Weiss, Geschäftsführer von Degussa Goldhandel. "Diese hohe Nachfrage hält nun schon seit Monaten an, und wir bauen unsere Kapazitäten kontinuierlich aus", so Weiss, dessen Unternehmen Gold verkauft und seinen Kunden Raum zur Aufbewahrung ihrer Wertsachen bietet.