Am Freitag werden die Staats- und Regierungschefs der EU in einer Videokonferenz über das von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Konjunkturpaket beraten. Eine Finanzierung dieses 750 Milliarden Euro schweren Pakets mithilfe von Einnahmen aus dem Emissionshandel, wäre "absolut inakzeptabel", sagte im Vorfeld die polnische Entwicklungsministerin Jadwiga Emilewicz.
Die Europäische Kommission hat die Einnahmen aus dem Emissionshandel, den sie künftig auf weitere Industriezweige wie die Schifffahrt ausweiten will, als eine von mehreren Geldquellen benannt, die sie bei der Rückzahlung der Schulden nutzen will, die zur Finanzierung des neuen Konjunkturpakets aufgenommen werden müssen.
Polen ist jedoch strikt dagegen, die Einnahmen aus dem Emissionshandel zur Rückzahlung der Kredite zu verwenden. In einem Interview mit der Financial Times sagte die polnische Entwicklungsministerin Jadwiga Emilewicz, eine Erhöhung der CO2-Steuern würde die Wirtschaft ihres Landes unfair belasten, da diese fast 80 Prozent ihres Stroms aus Kohle erzeugt.
Kohle-Wirtschaft wurde in Moskau beschlossen
Die steigenden Preise für Emissionszertifikate - zwischen 2017 und 2019 haben sie sich versechsfacht - würden die polnische Unternehmen wettbewerbsunfähig machen, so Emilewicz. Polen dürfe nicht für einen Kohlesektor bestraft werden, der die Folge von einstigen planwirtschaftlichen Entscheidungen in der Sowjetunion ist.
"Es war Ende der 1960er Jahre nicht unsere Entscheidung, immer stärker in Kohle zu investieren und Kraftwerke auf Kohlebasis zu betreiben", so die Ministerin. "In Moskau wurde beschlossen, dass wir vom Bau von Atomkraftwerken ausgeschlossen werden, während die Tschechoslowakei oder Ungarn dies tun konnten." Statt über den Emissionshandel sollte die EU ihre Einnahmen auf anderem Wege steigern.
Emilewicz nennt etwa eine mögliche Steuer auf digitale Plattformen, für die sich Polen schon länger einsetzt, oder die Beseitigung von Hindernissen im Binnenmarkt, insbesondere für Dienstleistungen. Polen hat schon in der Vergangenheit gesagt, dass die Aufhebung von Barrieren im Binnenmarkt das Bruttoinlandsprodukt der EU jährlich um bis zu 300 Milliarden Euro steigern könnte.
Laut Schätzungen der EU könnte der Emissionshandel jährlich bis zu 10 Milliarden Euro einbringen. Daher betrachtet die Kommission dies als eine der realistischsten Quellen für neue Finanzmittel. Doch die Verhandlungen über neue Finanzierungsmöglichkeiten für die EU dürfte schwierig werden, da dabei die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten erforderlich ist.
"Die härtesten Gespräche in der EU-Geschichte"
Polens Europaminister Konrad Szymanski sagte am Mittwoch gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur PAP, dass die Gespräche über den Konjunkturfonds und den nächsten Mehrjahreshaushalt der EU wahrscheinlich die "härtesten in der Geschichte der EU" sein werden, da die Interessen der Mitgliedsstaaten "noch nie so widerstrebend" gewesen seien.
Polen soll der dritthöchste Empfänger des EU-Wiederaufbaufonds werden, der sich aus 500 Milliarden Euro an Zuschüssen und 250 Milliarden Euro an Darlehen zusammensetzt. Polnischen Medienberichten zufolge soll sich der Anteil Polens auf 37,7 Milliarden Euro an Zuschüssen und 26,1 Milliarden Euro an Darlehen belaufen.
Nach Ansicht der Regierung in Warschau ist das Verhältnis zwischen Zuschüssen und Darlehen "gut genug". Es sei nicht notwendig, die Darlehen mit Bedingungen zu verknüpfen, wie es einige nordeuropäische Länder gefordert haben, so Emilewicz. "Es ist jetzt definitiv nicht der Zeitpunkt, Geld zu sparen.".