Politik

Iran: Supermacht der Antike - und noch immer fast unbezwingbar

Folge dreizehn der großen geopolitischen DWN-Serie hat den Iran zum Thema. DWN-Kolumnist Moritz Enders zeigt auf, warum das ehemalige Weltreich auch in Zukunft eine Schlüsselrolle im Nahen und Mittleren Osten spielen wird - allen gegenteiligen Bemühungen seiner Widersacher zum Trotz.
02.05.2021 15:18
Lesezeit: 3 min
Iran: Supermacht der Antike - und noch immer fast unbezwingbar
Auf dem geopolitischen Schachbrett im Nahen und Mittleren Osten ist der Iran kein Bauer, sondern ein König. (Grafik: Google Maps / DWN)

Das Perser-Reich der Antike reichte zeitweise vom Nordosten des heutigen Griechenlands bis tief nach Indien. Das Kernland aber war das Gebiet des heutigen Irans, das aufgrund seiner Gebirge damals wie heute eine fast uneinnehmbare Festung bildet(e). Nicht zuletzt aufgrund seiner Geografie dürfte das Land auf absehbare Zeit ein bestimmender Machtfaktor in der Region bleiben. Eine Analyse.

Das Zagros-Gebirge im Westen stellte in der Antike die Grenze zu Mesopotamien dar; später zerschellten hier die Angriffe der irakischen Armee im iranisch-irakischen Krieg, der zwischen 1980 und 1988 tobte. Der Kaukasus im Nordwesten des Iran stellte im 19. Jahrhundert einen Sperrriegel gegen die Expansionsgelüste der russischen Zaren gen Süden dar. Unweit der Küste des Kaspischen Meeres befindet sich das Elburs- Gebirge mit dem höchsten Gipfel des Landes, dem Vulkankegel Damavand, der sich bis zu einer Höhe von 5.604 Metern in den Himmel schraubt. Gegen Angriffe aus Zentralasien ist der Iran durch die Kopet-Dag-Kette geschützt, und auch das Grenzland zu Afghanistan ist unwirtlich und schroff. Selbst die Südküste des Landes, wo es an den Persischen Golf stößt, ist gebirgig. Hier befindet sich der wichtigste Hafen des Irans und eines der Hauptquartiere seiner Marine in Bandar Abbas.

Die Stadt liegt unweit der Straße von Hormus. Diese Meerenge, die von großen Schiffen nur in zwei jeweils drei Kilometer breiten Rinnen befahren werden kann, ist eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt. Beispielsweise müssen Öltanker sie auf ihrem Weg nach Fernost passieren. Wer die Straße von Hormus kontrolliert – oder sie zumindest sperren kann – hält damit einen wichtigen geopolitischen Schlüssel in Händen.

Uneinnehmbar

Sollte der Iran vom Süden her tatsächlich mit konventionellen Mitteln militärisch attackiert werden, müssten die Angreifer auf ihrem Weg ins Zentrum des Landes nicht nur Gebirgsketten, sondern auch Wüsten überwinden. Die Wüste Dascht-e Lut im Südosten des Iran gilt als heißeste Region des Planeten – hier wurden bereits Temperaturen von über 70 Grad Celsius gemessen. Nördlich davon befindet sich eine weitere Einöde, die Dascht-e Kawir, was auf Persisch „Große Salzwüste“ bedeutet. Seine Geografie macht den Iran also zu einer kaum einzunehmenden Festung. Die bergige Natur würde es selbst für die militärische Supermacht USA sehr schwer machen, das Land mit konventionellen Mitteln einzunehmen, während amerikanische oder israelische Luftschläge weiterhin möglich sind. Allerdings haben die Iraner in den letzten Jahren ihre Flugabwehrsysteme deutlich verbessern können, wie der nächtliche Abschuss einer unbemannten US-Drohne über der Straße von Hormus am 20. Juni 2019 belegt.

Zudem ist das Land deutlich über 1,6 Millionen Quadratkilometer groß und von immerhin rund 83 Millionen Menschen bevölkert. Beachtliche Erdöl- und Erdgas-Lagerstätten befinden sich auf seinem Territorium. All dies verleiht dem Iran großes geopolitisches Gewicht. Sieht man sich den Nahen und Mittleren Osten aus der Vogelperspektive an, erkennt man, dass dieser, was seine Fläche und seine Bevölkerung anbelangt, von drei Kulturräumen dominiert wird: dem türkischen, dem arabischen und dem iranischen.

Ein neuer Verbündeter

Doch während etwa die Türkei aufgrund ihrer geographischen Lage eine Drehscheiben-Funktion zwischen Ost und West sowie zwischen der EU und dem Nahen Osten innehat und demgemäß eine proaktive, expansionistische Geopolitik betreibt, ist der Iran, vor allem gegenüber den USA, in der Defensive. Auf der anderen Seite gewinnt das Land für China an Bedeutung, sowohl als wichtiger Pfeiler der Neuen Seidenstraße als auch in seiner Eigenschaft als Energie-Lieferant. Erst kürzlich haben die beiden Länder ein Kooperationsabkommen geschlossen, das chinesische Investitionen im Wert von 400 Milliarden Dollar vorsieht – gegen Erdöl-Lieferungen zu Vorzugspreisen. Für den Iran, der von den USA kontinuierlich unter Druck gesetzt wird, erscheint es nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geostrategisch sinnvoll, sich stärker ans Reich der Mitte zu binden.

Die aktuelle Situation in Syrien dürfte auch das iranische Verhältnis zu Russland prägen. Beiden Ländern ist gemein, dass sie einen Zerfall des syrischen Staates verhindern wollen. Denn Moskau fürchtet unter anderem ein Erstarken fundamentalistisch islamistischer Kräfte, das sich mittel- und langfristig auch auf die Kaukasusregion auswirken könnte. Der Iran hingegen, der zusammen mit Katar das größte bisher entdeckte Gasfeld der Welt – das im Persischen Golf gelegene „South Pars“ – ausbeutet, braucht ein stabiles und ihm freundschaftlich gesonnenes Syrien, um das „blaue Gold“ über eine geplante Pipeline über syrisches Gebiet bis ans Mittelmeer zu transportieren. Auch China möchte einer Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens entgegenwirken, da dies sein Projekt der Neuen Seidenstraße gefährden würde. Eine Verschärfung der Spannungen zwischen den USA und dem Iran, wie auch weitere Sanktionen, dürften weiteren Annäherung Teherans an Peking also Vorschub leisten.

In unserer großen geopolitischen Serie sind bisher erschienen:

Russland:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/505453/Russlands-rote-Linie-Wie-seine-geografische-Lage-die-Machtpolitik-des-Riesenreiches-bestimmt

China:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/505910/In-der-Mitte-umzingelt-Wie-Chinas-Geografie-seinen-Aufstieg-zur-Weltmacht-erschwert

Deutschland:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/506014/Zwischen-West-und-Ost-Wie-Deutschlands-Geografie-eine-ausbalancierte-Sicherheitspolitik-erfordert

USA:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/506374/Immer-noch-unangreifbar-aber-nicht-mehr-Zentrum-der-Welt-Die-USA-werden-ihr-Imperium-aufgeben-muessen

Großbritannien:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/506643/Großbritannien-Wiedergeburt-eines-Empires

Türkei:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/507181/Ordnungsmacht-oder-Aggressor-Wie-ihre-geografische-Lage-die-Tuerkei-in-ein-politisches-Dilemma-zwingt

Japan:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/507805/Japans-Dilemma-Heikler-Balanceakt-zwischen-zwei-Supermaechten

Saudi-Arabien:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/508354/Saudi-Arabien-Ein-Koenigreich-ringt-um-die-regionale-Vorherrschaft-und-ums-Ueberleben

Frankreich:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/508862/Zwischen-Grandeur-und-Bedeutungslosigkeit-Frankreichs-Hoffnung-liegt-in-Afrika

Zentralasien:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/509203/Zentralasien-Das-Zentrum-des-Schachbretts

Italien:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/510003/Italien-Ein-Land-kann-seinen-groessten-Trumpf-nicht-nutzen

Österreich:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/511103/OEsterreich-Im-Westen-verankert-den-Blick-nach-Osten

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...