Politik

Lieber Herr Spahn, beenden Sie endlich Ihre politische Karriere?

Lesezeit: 4 min
26.05.2021 22:08  Aktualisiert: 27.05.2021 21:43
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hält an seiner Taktik der Verunsicherung der Bevölkerung fest. Jeder andere Politiker hätte längst seine Karriere beenden müssen. Doch über Spahn schwebt eine „unsichtbare Hand“, die ihn schützt, fördert, hätschelt und tätschelt.
Lieber Herr Spahn, beenden Sie endlich Ihre politische Karriere?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) setzt sich vor dem Pflege-Campus der St. Elisabeth-Gruppe seinen Mund-Nasen-Schutz richtig herum auf. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hält an seiner Linie der Verunsicherung der deutschen Bevölkerung fest.

Wie begann dieses unwürdige Drama?

Am 28. Januar 2020 sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass die Gefahr durch das Corona-Virus für die Gesundheit der Bürger weiterhin gering bleibe. Man sei zudem gut vorbereitet.

Am 3. Februar 2020 wiederholt Spahn, dass das Gesundheitssystem gut gerüstet sei für einen Anstieg der Corona-Infektionen. „Für diese Situation jetzt haben wir Intensivstationen, ausreichend Isolierstationen und -zimmer und die Ausstattung, die wir brauchen. Wir haben ja gelernt aus den letzten Jahren. Selbst für eine Grippepandemie hätten wir Pläne in der Schublade“, zitiert „Tagesschau.de“ Spahn.

Am 26. Februar 2020 meint Spahn, dass man nicht „das gesamte öffentliche Leben in Deutschland, Europa und der Welt beenden“ könne. Er spricht sich gegen „pauschale Absagen“ von Großveranstaltungen aus.

Am 4. März 2020 sagt Spahn: „Die Folgen von Angst können weit größer sein als die durch das Virus selbst.“

Das Robert-Koch-Institut (RKI) pflichtet ihm inhaltlich bei. Am 28. Februar 2020 titelt „BR24“: „RKI zu Corona: Desinfektion und Mundschutz im Alltag unnötig. Experten halten Desinfektionsmittel und Schutzmasken gegen das Coronavirus im Alltag für unnötig. Wasser und Seife reichen völlig aus, so das RKI. Desinfektionen seien nur beim Umgang mit Patienten angebracht.“

Tagesschau.de berichtet weiter: 14. März: Das Gesundheitsministerium warnt vor ,Fake News‘. Es kursierten ,Gerüchte im Netz‘, wonach die Bundesregierung weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens plane. Dies sei falsch. Wenige Tage später wird das öffentliche Leben in Deutschland massiv eingeschränkt“. Damit erweisen sich diese als „Fake News“ und „Verschwörungstheorie“ titulierten sogenannten Gerüchte als „reine Wahrheit“.

Anschließend folgen weitere zahlreiche Widersprüche, die nicht als reine Widersprüche abgetan werden können. Spahn sagt im September 2020, dass die Schließung von „Friseuren“ und des „Einzelhandels“ im Verlauf der Pandemie mit dem heutigen Wissen falsch gewesen sei. Exakt am 1. September 2020 sagt Spahn in Bottrop: „Man würde mit dem Wissen heute, das kann ich Ihnen sagen, keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen. Das wird nicht noch mal passieren.“

Am 2. September 2020 titelt die „Zeit“: „Bundesgesundheitsminister schließt zweiten Lockdown aus.“

Am 10. Oktober 2020 sagt Spahn in einem Interview mit dem Sender RTL: „Wir werden jedenfalls nicht nochmal solche Maßnahmen brauchen wie im Frühjahr, weil wir heute auch mehr wissen. […] Wir wissen, dass wir im Einzelhandel, bei Frisören, im öffentlichen Nahverkehr […] mit AHA-Regeln, mit aufeinander aufpassen, keine Ausbrüche haben, kein Infektionsgeschehen oder so gut wie keins.“

Im November 2020 verhängt die Bundesregierung einen „Lockdown Light“. Am 13. Dezember 2020 titelt die „Zeit“: „Bund und Länder einigen auf Lockdown ab Mittwoch.“

Eine Woche später sagt Spahn in einem Interview mit der „Zeit“: „Wir hätten als Bundesregierung früher beginnen sollen, Masken zu besorgen. Und ich hätte das als Gesundheitsminister früher anstoßen sollen“.

Wenige Tage später kommt er mit der nächsten Hiobsbotschaft. Er meint, dass Reiserückkehrer aus Osteuropa, vom Balkan und aus der Türkei eine neue Corona-Welle auslösen könnten. Das Timing dieser Aussage ist bemerkenswert. Denn sie fällt zu einem Zeitpunkt, an dem die deutschen Medien aus dem Tiefschlaf erwacht sind, um Spahns „mögliche Verfehlungen“ im Zusammenhang mit „gewissen anderen Dingen“ zu hinterfragen. Danach fanden die Dinner-Affäre und weitere Fauxpas statt.

Die CDU liebt Spahn – außer Friedrich Merz

Kürzlich sagte er, dass Lockerungen nur dann stattfinden sollen, wenn eine Corona-Inzidenz von unter 20 erreicht wird. Nahezu zeitgleich hatte er sich zur Massenimpfung der Kinder Deutschlands geäußert, was viele Eltern verständlicherweise in Schrecken versetzt hat. Denn es darf nicht vergessen werden: Bei allen Impfstoffen handelt es sich um Notfallzulassungen. Das bedeutet, dass kein Bürger das Recht hat, gegen die Pharmakonzerne zu klagen, wenn Langzeitschäden entstehen. Es ist nachvollziehbar, dass die Deutschen besonders sensibel reagieren, wenn es um die Gesundheit ihrer Kinder geht. Spahn missachtet auch die Empfehlung des Weltärztebund-Präsidenten Frank-Ulrich Montgomery. Montgomery hatte sich am 26. Mai 2021 gegen eine Empfehlung für eine Corona-Impfung von Kindern ausgesprochen. „Gegenwärtig gibt es noch zu wenig Daten, die Aussagen über das Risiko der Corona-Impfung bei Kindern zulassen“, sagte Montgomery den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Doch auch innerhalb der CDU gibt es Widerstand gegen Spahn. „Ich fordere den Bundesgesundheitsminister dringend auf, nicht ständig niedrigere Inzidenzwerte zu fordern, die zudem nicht im Gesetz stehen“, sagte Friedrich Merz der in Hagen erscheinenden „Westfalenpost“. Die gesetzlichen Schwellenwerte lägen bei 100, bei 50 und bei 35. „Wir brauchen keine noch niedrigeren Grenzwerte, die die Bevölkerung nur weiter verunsichern, die Wirtschaft noch mehr belasten, und die keinen Beitrag leisten zur Lösung des Problems“, kritisierte der CDU-Bundestagskandidat für den Hochsauerlandkreis, der auch Mitglied im Wahlkampf-Team von CDU-Chef Armin Laschet werden soll.

Friedrich Merz kann man viel vorwerfen. Doch Merz ist innerhalb der CDU einer der wenigen Politiker, die Rückgrat haben, obwohl seine Ansichten manchmal kritikwürdig sind. Sie folgen nicht widerspruchslos den Anweisungen der CDU-Führung. Das ist eindeutig eine positive Charaktereigenschaft, die viele CDU-Politiker vermissen lassen. Man mag für oder gegen Merz sein. Aber eine gewisse Standfestigkeit weist er jedenfalls auf.

Spahn hat im Verlauf der Pandemie komplett versagt, weshalb der Chefredakteur der Deutschen Wirtschaftsnachrichten bereits im September 2020 seinen Rücktritt gefordert hatte – HIER. Allerdings ist davon auszugehen, dass das Gegenteil der Fall sein wird. Der Bundesgesundheitsminister hat in Deutschland noch eine lange Karriere vor sich. Denn aus irgendwelchen Gründen schwebt eine „unsichtbare Hand“ über ihm, die ihn beschützt und fördert.

Es ist aber nicht die „unsichtbare Hand“ von der Adam Smith gesprochen hatte. Denn Smiths „unsichtbare Hand“ war niemals existent.

Doch die schützende „unsichtbare Hand“, von der Spahn gehätschelt und getätschelt wird, ist real und sehr mächtig.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...