Politik

Diplomatische Eskalation: Selenskij erklärt Bundespräsident Steinmeier zur unerwünschten Person

Lesezeit: 2 min
12.04.2022 17:40  Aktualisiert: 12.04.2022 17:40
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist von der ukrainischen Führung zur unerwünschten Person degradiert worden.
Diplomatische Eskalation: Selenskij erklärt Bundespräsident Steinmeier zur unerwünschten Person
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. (Foto: dpa)

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Eine geplante Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kiew ist geplatzt, weil er dort offensichtlich nicht willkommen ist. Der polnische Präsident Andrzej Duda habe in den vergangenen Tagen angeregt, dass sie beide zusammen mit den Staatschefs der baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland in die ukrainische Hauptstadt reisen, "um dort ein starkes Zeichen gemeinsamer europäischer Solidarität mit der Ukraine zu senden und zu setzen", sagte Steinmeier am Dienstag bei seinem Besuch in Warschau. "Ich war dazu bereit. Aber offenbar - und ich muss zur Kenntnis nehmen - war das in Kiew nicht gewünscht."

Steinmeier war zuvor schon vom ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, medial vor sich hergetrieben worden. Melnyk hatte bereits am Wochenende deutlich gemacht, dass die Ukraine eher einen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als von Steinmeier erwartet. Eine Kiew-reise des Bundespräsidenten hätte nur symbolischen Charakter, sagte es der Deutschen Presse-Agentur. «Es sollten lieber der Bundeskanzler oder andere Mitglieder der Bundesregierung kommen, die konkrete Entscheidungen über weitere massive Unterstützung für die Ukraine treffen», sagte Melnyk. Die Ukraine fordert die Lieferung schwerer Waffen wie Panzer und Artilleriegeschützen.

Steinmeier hatte bereits am Freitag signalisiert, dass er Reisepläne für Kiew hat. «Selbstverständlich denke ich auch darüber nach, wann der richtige Zeitpunkt ist für meinen nächsten Besuch in Kiew.» Diese Pläne sind jetzt hinfällig. Und das, obwohl sich westliche Spitzenpolitiker beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj inzwischen die Klinke in die Hand geben. Aus Polen, Großbritannien, Österreich, Tschechien, Slowenien und der Slowakei sind bereits die Regierungschefs nach Kiew gereist, um der Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer den Rücken zu stärken. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war am Freitag dort.

Aus Deutschland trafen am Dienstag drei führende Parlamentarier der Ampel-Koalition in der Ukraine ein - allerdings nicht in der Hauptstadt Kiew, sondern im westukrainischen Lwiw. Dort wollten die Vorsitzenden der Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa - Michael Roth (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne) - Abgeordnete des ukrainischen Parlaments Rada treffen. Alle drei Politiker hatten zuletzt mehr Tempo bei Waffenlieferungen gefordert.

Es sind die hochrangigsten deutschen Politiker, die seit Kriegsbeginn vor sieben Wochen die Ukraine besuchen. In der vergangenen Woche war bereits der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe mit einer Delegation des Europarats dort.

In Warschau dankte Steinmeier Polen für die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge aus der Ukraine und sagte dem EU-Partner dafür weitere deutsche Unterstützung zugesagt. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz wurden hinsichtlich der militärischen Unterstützung der Ukraine und der Befreiung von der Energieabhängigkeit von Russland deutliche Unterschiede sichtbar. Duda schilderte, dass Polen Waffenkäufe für die polnischen Streitkräfte plane, um diese zu modernisieren.

Steinmeier wies darauf hin, dass die Bundesregierung bereits Entscheidungen wie das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr getroffen habe, die von Deutschland nicht erwartet worden seien. Zudem liefere man jetzt Waffen nicht nur in ein Spannungs- sondern ein Kriegsgebiet. Auf die Frage, ob dazu künftig auch schwere Waffen wie Panzer gehörten, antwortete Steinmeier ausweichend.

Den Bezug von Öl und Gas wolle Deutschland so schnell wie möglich reduzieren, sagte Steinmeier. «Wir sagen aber auch mit Blick auf unsere Wirtschaftsstruktur, zu der eine starke Chemieindustrie gehört, geht es nicht ganz so rasch wie manche sich das gegenwärtig wünschen.» Derjenige, der die Sanktionen ausspreche, dürfe sich nicht stärker schädigen als den Sanktionierten.

Lesen Sie dazu unter anderem: Chemie-Branche: „Industrieller Flächenbrand“ bei Wegfall von russischem Gas


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