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Europa: Schlimmste Dürre seit einem halben Jahrtausend

Eine der größten Dürren seit 500 Jahren sucht die einzelnen Länder Europas heim und sorgt für eine sich immer stärker ausbreitende Alarmstimmung.
15.08.2022 11:53
Aktualisiert: 15.08.2022 11:53
Lesezeit: 3 min

Andrea Toreti vom Gemeinsamen Forschungszentrum der EU (EC-JRC) warnt vor einer der größten Dürren in Europa seit 500 Jahren. Dabei könne extreme Trockenheit bis zu 47 Prozent des Kontinents betreffen. «Wir haben die Ereignisse des aktuellen Jahres noch komplett analysiert, weil es noch andauert, aber basierend auf meiner Erfahrung ist das schlimmer als 2018», zitiert Euronews den Wissenschaftler. Wenn man 500 Jahre zurückschaue, dann gäbe es nichts Vergleichbares zum Dürrejahr 2018.

Aber dieses Jahr sei es noch schlimmer, schätzt der Experte. Er gehe davon aus, dass man in den nächsten drei Monaten noch weiterhin ein hohes Risiko für Trockenheit in West- und Zentraleuropa sowie in Großbritannien habe. In den vergangenen zwei Monaten habe es kaum signifikante Regenfälle gegeben, und neue seien nicht zu erwarten.

Pegel sinkt unter 40 Zentimeter

Täglich gibt es neue Berichte, wie sich schon jetzt die Dürre auswirkt. Der Logistik-Dienstleister Contargo rechnet wegen der anhaltenden Trockenheit damit, seine Binnenschifffahrt am Ober- und Mittelrhein in den nächsten Tagen einstellen zu müssen. Wenn der Pegel bei Kaub ab dem Wochenende wie erwartet unter 40 Zentimeter falle, sei für die Binnenschiffe eine gefahrenfreie Passage nicht mehr möglich, teilte das Duisburger Unternehmen am Freitag mit.

Dieser Wert wurde bereits erreicht. Er lag nach Angaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) am Samstagmittag bei 37 Zentimetern und damit rund 5 Zentimeter niedriger als zum gleichen Zeitpunkt des Vortags. Am Morgen war er sogar auf 36 Zentimeter abgesackt. Einer Prognose der Behörde zufolge könnte am Montag die Marke von 30 Zentimetern erreicht werden.

Das Bundesamt für Gewässerkunde rechnet nicht mit einer baldigen Änderung. Vereinzelte Niederschläge in der vergangenen Woche hätten keine Veränderung gebracht. «Die andauernde Niedrigwassersituation wird daher auch in den kommenden Wochen das Abflussgeschehen prägen».

Die Analysen der EU-Forscher beim EC-JRC zeigen fast in allen europäischen Flüssen einen Niedrigstand an, sagte Toreti. Der Po in Italien ist zwei Meter niedriger als sonst, in Serbien führt die Donau immer weniger Wasser.

Dürre-Notstand in Großbritannien und Waldbrände in Frankreich

Wegen anhaltender Trockenheit war am Freitag in großen Teilen Großbritanniens der Dürre-Notstand ausgerufen worden. Wie das Umweltministerium in London mitteilte, sind davon Gebiete im Südwesten, Süden, der Mitte und dem Osten Englands betroffen.

Kurz zuvor war im Südosten Englands ein Gartenschlauch- und Rasensprenger-Verbot in Kraft getreten. Wie der Wasserversorger South East Water mitteilte, ist die private Nutzung von Gartenschläuchen oder ähnlichen Vorrichtungen bei allen Haushalten, die durch das Unternehmen versorgt werden, bis auf weiteres verboten.

Die anhaltenden Waldbrände – begünstigt durch die Dürre in vielen Regionen – in Frankreich geben nach Satellitendaten Rekordmengen an Kohlenstoff in die Atmosphäre ab. Die Feuersbrünste in der Region Gironde im Südwesten des Landes hätten von Juni bis August fast eine Million Tonnen CO2 freigesetzt, teilte die europäische Satelliten-Umweltbeobachtungsstelle CAMS am Freitag mit. Das entspreche in etwa dem jährlichen Ausstoß von 790'000 Autos.

Die anhaltende Trockenheit führt in der Auvergne in Frankreich zur vorübergehenden Einstellung der Erzeugung einer herkunftsgeschützten Käsesorte. Am Freitag wurde demnach die Herstellung von Salers-Käse, der nach der gleichnamigen Gemeinde benannt ist, eingestellt, berichtete der Sender France 3.

«Diese Trockenheit ist die schlimmste, die in unserem Land jemals verzeichnet wurde», so scharf formuliert Frankreichs Premierministerin Élisabeth Borne, wenn es um diesen Sommer geht. Wie schlimm es steht, sieht man auch der Loire an.

Eigentlich ist die Loire der größte Strom, der in den Atlantik mündet. Doch von diesem Glanz ist aktuell nichts mehr übrig. Mancherorts lasse sich der Fluss inzwischen sogar zu Fuß durchqueren.

Und nach dem Bericht des britischen Guardian ist sogar der Stromexporteur Norwegen beunruhigt. Das Land, das für etwa 90 Prozent seiner Stromerzeugung auf Wasserkraft angewiesen ist, hat gesagt, dass die ungewöhnlich niedrigen Pegel seiner Stauseen es letztendlich dazu zwingen könnten, die Stromexporte zu begrenzen. Erst im Mai hatte Deutschland ein neues Stromkabel nach Norwegen in Betrieb genommen. Damit sollten mehr als drei Millionen Haushalte mit Öko-Strom versorgt werden. (ps)

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