Finanzen

Inflation in der Eurozone erstmals zweistellig

Lesezeit: 2 min
30.09.2022 16:58  Aktualisiert: 30.09.2022 16:58
Wegen deutlich höherer Energiekosten ist die Inflationsrate im Euro-Raum auf 10 Prozent gestiegen. Nun wird von der EZB ein erneuter Jumbo-Zinsschritt erwartet.
Inflation in der Eurozone erstmals zweistellig
Inflation auf Rekordhoch. Auch das Tanken hat sich in der Eurozone stark verteuert. (Foto: dpa)
Foto: Hauke-Christian Dittrich

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Inflation im Euro-Raum ist im September angetrieben durch einen massiven Preisschub bei Energie erstmals zweistellig. Die Verbraucherpreise stiegen binnen Jahresfrist um 10,0 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag auf Basis einer ersten Schätzung mitteilte. Das ist die höchste Inflationsrate seit es den Euro gibt. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich mit 9,7 Prozent gerechnet. Im August hatte die Rate noch bei 9,1 Prozent gelegen. Auch in Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euro-Raum, hat die Inflation im September die Schwelle von zehn Prozent durchbrochen.

Mit dem unerwartet kräftigen Inflationsschub wird nun ein weiterer Jumbo-Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) auf der nächsten Zinssitzung im Oktober immer wahrscheinlicher. Zuletzt hatten zahlreiche Währungshüter erklärt, dass eine Zinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte auf der Tagesordnung stehen sollte. Denn das Inflationsziel der EZB rückt jetzt immer mehr in die Ferne. Die Teuerungsrate ist mittlerweile fünfmal so hoch wie das Notenbankziel von zwei Prozent.

„Beängstigend ist, dass der Inflationsanstieg rasant breiter wird“, kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe die Daten. Auch der schwache Euro treibe den Inflationsanstieg an. „Dies erhöht den Druck, auf die EZB, den Leitzins schnell und kräftig anzuheben.“

Aus Sicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat die hohe Inflation inzwischen dazu geführt, dass immer mehr Bürger bezweifeln, ob die EZB die Inflation langfristig wie versprochen auf zwei Prozent begrenzen kann. „Diese Entankerung der langfristigen Inflationserwartungen ist gefährlich“, merkte er an. „Die EZB sollte ihren Einlagensatz rasch in Richtung vier Prozent anheben.“

Aktuell liegt dieser für die Finanzmärkte derzeit maßgebliche Schlüsselzins bei 0,75 Prozent. Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, rechnet nun für die Oktober-Zinssitzung mit einer weiteren XXL-Anhebung um 0,75 Prozentpunkte.

In Deutschland war die Inflation nach europäischer Messung (HVPI) im September im Zuge des Wegfalls des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts sogar auf 10,9 Prozent gestiegen. In den Niederlanden lag sie noch höher bei 17,1 Prozent. Die höchsten Inflationsraten im Euro-Raum verzeichneten die drei baltischen Länder mit Teuerungsraten von mehr als 22 Prozent. In Frankreich fiel der Preisanstieg dagegen mit 6,2 Prozent am geringsten aus.

Energiepreise schießen nach oben

Stärkster Inflationstreiber im September waren die in Folge des Ukraine-Kriegs immer weiter hochschießenden Energiepreise. Binnen Jahresfrist verteuerte sich Energie im September um 40,8 Prozent. Im August hatte der Anstieg noch bei 38,6 Prozent gelegen. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak kletterten um 11,8 Prozent nach 10,6 Prozent im August, die für Industriegüter ohne Energie zogen um 5,6 Prozent an nach 5,1 Prozent im August. Dienstleistungen kosteten 4,3 Prozent mehr.

Sorgen dürfte der EZB bereiten, dass selbst ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel die Inflation ungebrochen steigt. Die sogenannte Kerninflation erhöhte sich auf 6,1 Prozent nach 5,5 Prozent im August. Dies zeigt an, dass der Preisschub inzwischen immer weitere Bereiche der Wirtschaft erfasst.

Für die Währungshüter ist das keine einfache Situation, da sich die Konjunktur inzwischen merklich abkühlt. Sie haben zuletzt aber klar gemacht, dass die Inflationsbekämpfung derzeit Vorrang vor Konjunkturerwägungen hat. Chefvolkswirt Krüger von Hauck Aufhäuser Lampe ist sich sicher: „Die hohe Kerninflation wird nur unter Hinnahme einer Rezession zu bekämpfen sein.“ (Reuters)


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...