Wirtschaft

Uran: Frankreich prüft Erhöhung der Anreicherungskapazitäten

Die westlichen Staaten sind stark von russischem Kernkraftwerksbrennstoff abhängig. Frankreich überlegt nun, die eigenen Kapazitäten zu erhöhen.
13.10.2022 15:00
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das französische Staatsunternehmen Orano SA, das auf Uranumwandlung und -anreicherung spezialisiert ist, prüft Möglichkeiten, um die Kapazität seiner Anlage George Besse II von derzeit 7,5 Millionen SWU auf 11 Millionen SWU zu erhöhen, heißt es in einer Erklärung des französischen Ausschusses für öffentliche Debatten. In der Überlegung ist eine Erhöhung der Anreicherung des radioaktiven Erzes zu Brennstoff um fast 50%.

Orano benötigt Kundenzusagen

SWU ist das Standardmaß für den Aufwand, der für die Trennung von Uranisotopen (U235 und U238) während eines Anreicherungsprozesses in Nuklearanlagen erforderlich ist. Frankreich erklärt, es wolle die Kapazitäten für die Urananreicherung erhöhen, da der Westen wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine Sanktionen verhängt hat, die zu einer Verknappung des Kernbrennstoffs führen könnten.

Die Kosten für die Kapazitätserweiterung von 7,5 Millionen auf 11 Millionen so genannter separativer Arbeitseinheiten in der von Orano betriebenen Anlage in Zentralfrankreich werden laut Bloomberg auf 1,3 Milliarden Euro (1,3 Milliarden Dollar) geschätzt.

Die Kapazitätserweiterung wäre eine Lösungsidee, um die Abhängigkeit von russischem Kernbrennstoff zu verringern. Christophe Neugnot, Kommunikationschef des Unternehmens, hält sie für zeitlich am schnellsten umsetzbar: „Wir arbeiten an verschiedenen Szenarien, darunter die Erweiterung unserer Anlage Georges Besse II, die die schnellste Option wäre, aber auch der Aufbau zusätzlicher Kapazitäten in den USA.“

Um die Erweiterung auch wirklich umsetzen zu können benötigt Orano jedoch die Zusagen der Kunden, damit der Vorstand im nächsten Jahr eine endgültige Investitionsentscheidung treffen kann. Dann könnte der erste Teil der Erweiterung des Kraftwerks Georges Besse II etwa 2028 in Betrieb genommen werden, so Neugnot.

Französische Strompreise explodieren

Frankreich ist nicht das einzige Land, das künftig stärker auf Kernenergie setzen will. Viele westliche Regierungen, darunter die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich, haben nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine und der durch die eigenen Sanktionen hervorgerufenen Energie-Krise die Stromerzeugung aus Kernenergie verdoppelt. Polen, das aktuell noch sehr von der Kohle abhängig ist, überlegt auch auf lange Sicht verstärkt auf die Kernenergie zu bauen und hat unter anderem mit Investoren aus Frankreich Gespräche geführt.

In Frankreich beträgt der Anteil der Kernkraft am Strommix rund 70 Prozent. Wenn seine Reaktoren voll in Betrieb sind, ist Frankreich ein Nettoexporteur von Strom in andere europäische Länder. Längere Wartungsarbeiten an mehreren Kernreaktoren in diesem Jahr bedeuten jedoch, dass Frankreich - und das übrige Europa - jetzt weniger Strom aus Kernenergie zur Verfügung haben - was die Strompreise für das nächste Jahr in Frankreich in die Höhe schnellen ließ.

Rosatom wurde noch nicht sanktioniert

Wie stark die Abhängigkeit von russischem Kernbrennstoff ist, zeigt die Tatsache, dass die USA und die europäischen Staaten bisher davon abgesehen haben, den russischen Atomriesen Rosatom, den weltgrößten Urananreicherer, mit Sanktionen zu belegen. Die Befürchtung ist zu groß, dass die Stromversorgung von Hunderten Millionen Menschen auf der ganzen Welt unterbrochen werden könnte. Dennoch kappt der Westen zunehmend die Beziehungen zum Kreml, der die Erdgaslieferungen nach Europa reduziert hat. Die immer noch nicht aufgeklärte Sabotage der bereits stillgelegten Nord-Stream-Pipelines dürfte das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland mit Sicherheit nicht entspannt haben.

Anfang dieses Jahres verlängerte der schwedische Staatsbetrieb Vattenfall AB seine Verträge über den Kauf von Kernbrennstoffen bei Lieferanten in Frankreich und den USA, nachdem er die Importe aus Russland eingestellt hatte. In der Zwischenzeit drängt die Regierung Biden laut Bloomberg auf die Entwicklung weiterer inländischer Urananreicherungskapazitäten.

Die USA verfügen nur über eine kommerzielle Anreicherungsanlage in New Mexico, die sich im Besitz von Urenco Ltd. befindet, einem Konsortium aus Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden. Das Unternehmen erklärte in seiner Halbjahrespräsentation, dass es prüfe, wo es eine neue Anlage errichten könne, um die Produktion zu steigern. Die russische Rosatom ist laut ihrer Webseite mit einem Marktanteil von 36 % der größte Urananreicherer der Welt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Debatte neu entfacht: Braucht die Erbschaftsteuer eine Reform?
13.09.2025

Im Bundeshaushalt fehlt das Geld, und immer wieder rücken dabei auch das Vermögen der Deutschen und eine gerechtere Besteuerung in den...

DWN
Technologie
Technologie IoT-Baumaschinen: Wie Digitalisierung die Baustelle verändert
13.09.2025

IoT-Baumaschinen verändern Baustellen grundlegend: mehr Effizienz, Sicherheit und Nachhaltigkeit. Wer nicht digitalisiert, riskiert...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Darf der Chef in mein Postfach? Urteil zeigt Grenzen für Arbeitgeber
13.09.2025

Arbeitsrecht im digitalen Zeitalter: Darf ein Arbeitgeber nach Ende des Arbeitsverhältnisses noch in das E-Mail-Postfach seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kritik am Verbrenner-Verbot der EU: So nicht umsetzbar
13.09.2025

Das Verbrenner-Verbot der EU steht vor dem Scheitern: Käufer verweigern sich Elektroautos, Hersteller warnen vor unrealistischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende: WWF-Ranking sieht Brandenburg ganz vorn
13.09.2025

Die Energiewende schreitet ungleichmäßig voran – während Brandenburg laut Umweltverband WWF glänzt, hinken andere Länder hinterher....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lightcast-Bericht: KI-Kenntnisse treiben Gehälter massiv nach oben
13.09.2025

Wer KI beherrscht, kassiert kräftig ab: Laut einer globalen Studie steigern KI-Fähigkeiten das Gehalt um bis zu 43 Prozent – in manchen...

DWN
Panorama
Panorama Frost, Dürre, steigende Kosten: Weihnachtsbäume werden teurer
13.09.2025

Weihnachtsbäume stehen schon jetzt im Fokus: Frost, Trockenheit und steigende Kosten setzen Tannenbaumproduzenten unter Druck. Zwar gibt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tariftreuegesetz: Schutz vor Lohndumping – oder Gefahr für den Mittelstand?
13.09.2025

Das Bundestariftreuegesetz (BTTG) soll faire Bedingungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe schaffen. Kritiker warnen jedoch, dass vor...