Die Inflation in Deutschland hat im Juli wegen nicht mehr so stark steigender Lebensmittelpreise nachgelassen. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 6,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, hieß es am Freitag in der ersten Schätzung des Statistischen Bundesamts. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten einen Rückgang in dieser Höhe erwartet. Im Juni hatte die Teuerungsrate noch bei 6,4 Prozent gelegen, im Mai bei 6,1 Prozent. Von Juni auf Juli erhöhten sich die Lebenshaltungskosten um 0,3 Prozent.
"Der Rückgang der Inflation bleibt eine äußerst zähe Angelegenheit", sagte der Chefvolkswirt von HQ Trust, Michael Heise. Immerhin: Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) stark beachtete Inflationsrate ohne Nahrungsmittel und Energie, oftmals auch als Kerninflation bezeichnet, nahm etwas deutlicher ab von 5,8 auf 5,5 Prozent.
"Vorerst sinkt die viel zu hohe Teuerung nur in quälend gemächlichem Tempo", sagte die Chefvolkswirt der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. Es bleibe das Risiko, dass sich die Inflation auf einem zu hohem Niveau verfestigen könnte. "Dazu zählt ein möglicher neuer Preisschub bei Lebensmitteln", warnte die Ökonomin. "Dürren und das Ende des Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine haben die Wahrscheinlichkeit dafür steigen lassen."
TEURER URLAUB
Energie kostete zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 5,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (Juni: +3,0 Prozent). Nahrungsmittel verteuerten sich zwar mit 11,0 Prozent erneut besonders deutlich, allerdings nicht mehr so stark wie im Juni mit 13,7 Prozent. Dienstleistungen kosteten im Schnitt 5,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (Juni: +5,3 Prozent). Besonders für Pauschalreisen mussten die Kunden tiefer in ihre Taschen greifen. "Hier zeigt sich, dass die Deutschen nach der Pandemie trotz knapper Kassen das Leben wieder genießen und richtig Urlaub machen möchten", sagte Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. "Das erleichtert es den Anbietern, in diesen Bereichen höhere Kosten auf die Verbraucher zu überwälzen."
In den kommenden Monaten rechnen die meisten Analysten mit einer zunehmenden Entspannung bei den Preisen. "Wir gehen davon aus, dass die deutsche Inflationsrate gegen Ende des Jahres auf etwa drei Prozent fallen wird", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Dazu beitragen dürfte die Europäische Zentralbank, die ihren Leitzins am Donnerstag bereits das neunte Mal in Folge erhöhte - auf das höchste Niveau seit dem Jahr 2000. Sie will damit die Teuerungsrate wieder auf das von ihr angestrebte Ziel von zwei Prozent drücken.
Dass der Weg dahin holprig werden könnte, signalisiert eine Umfrage des Ifo-Instituts: Erstmals seit acht Monaten sind die Preiserwartungen der Unternehmen für die kommenden Monate wieder gestiegen - wenn auch nur minimal. Vor allem bei den Einzelhändlern und den konsumnahen Dienstleistern plant demnach eine wachsende Mehrheit der Unternehmen weitere Erhöhungen. "Damit dürfte sich der Rückgang insbesondere der heimischen Inflation weiter hinziehen", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. (Reuters)