Es gab einmal Zeiten, da wurde der Vito-Transporter von Mercedes belächelt - vor allem weil in einigen Modellen ein Renault-Motor verbaut wurde. Weder bei Handwerkern noch im Ausbau zum privaten Camper konnte sich das Fahrzeug so recht gegen die VW T-Modelle behaupten. Die Stuttgarter Autoschmiede schleppte seine Van-Sparte mit durch - große Freude bei den Ertragszahlen gab es freilich eher nicht. Das scheint sich nun gerade schlagartig zu ändern.
Gewinnmarge bei Vans höher als bei Limousinen
Das Nischenprodukt aus dem baskischem Vitoria-Werk hat sich bestens entwickelt. Die operative Gewinnmarge liegt derzeit bei 15,5 Prozent – das ist mehr als die dominante Pkw-Sparte des DAX-Konzerns. Deshalb konnte Mercedes jetzt stolz ein Absatzplus von sieben Prozent im ersten Quartal 2024 melden. Mit mehr als 105.o00 Fahrzeugen schrieb das Van-Geschäft den besten Jahresauftakt jemals. Zeit für einen Imagewechsel.
Mathias Geisen, der frühere Leiter Konzernstrategie und Chef der Van-Abteilung, will das Kundeninteresse nun für einen weiteren Sprung nach vorne nutzen und seinen gut betuchten Kunden einen ganz besonderen Eye-Catcher im Transporter-Bereich anbieten. Geplant ist ein Maybach-Van.
Die Idee ist naheliegend: Wer seine Limousine in den vergangenen zehn Jahren gegen einen voluminösen SUV eingetauscht hat, möchte wahrscheinlich auch lieber einen zugkräftigen Transporter fahren - eine luxuriöse Großraumlimousine mit dem Status-Emblem der Nobelmarke Maybach. Als Basis für sämtliche großen Vans im Konzern soll künftig die Elektro-Plattform VAN.EA dienen, die mit allerlei Schnickschnack und Sinn fürs Detail aufgewertet und mit neuester Technik versehen werden soll.
Spätestens anno 2028, berichtet der Stuttgarter Flurfunk, soll die elektrische V-Klasse in der Maybach-Version auf dem Markt sein. Eine offizielle Bestätigung hierfür steht noch aus. Bislang wurden nur die Luxuslimousinen der S-Klasse und die Geländewagen GLS und EQS SUV als elegante Maybach-Modelle angeboten. Sämtliche Fabrikate kosten stolze 180.000 Euro - mit Margen von über 20 Prozent sind sie nicht nur extrem profitabel, sondern ein Geldsegen für Mercedes und seine Aktionäre.
Die Nachfrage nach Elektro-Autos ist in 2024 im Vergleich zum ersten Quartal 2023 um gut sechs Prozent eingebrochen. Nicht viel mehr als 30.000 Fahrzeuge wurden bundesweit verkauft. Mercedes und BMW scheinen gerade diesem Trend zu trotzen. Mit über 11.000 Elektro-Autos im laufenden Jahr hat Mercedes bei den Verkäufen seiner Stromer 8,7 Prozent zugelegt - BMW im Premiumbereich sogar über 20 Prozent. Es gibt Kunden, die sind nicht auf Kaufprämien angewiesen, sondern lassen sich ihren besonderen Geschmack gerne etwas mehr kosten.
Wohlhabende in Fernost und den USA im Visier
Den Gedanken, den als Statussymbol besonders beliebten Geländewagen der G-Klasse zum Maybach zu pimpen, wurde indessen wohl verworfen. Die Maybach-Modelle sollen zwar in Zukunft mehr Raum im Konzern einnehmen - jedoch steht dabei die sportive Eleganz im Vordergrund. Es scheint, als habe Mercedes zunehmend im Sinn, Rolls-Royce in der Nische Prestige-Kunden und -Marktteile abzujagen.
Fest steht, dass sowohl in China als auch den USA immer noch mehr markenbewusste Verkäufer ihr Geld in einen Mercedes investieren wollen, als bei Elon Musk einen schnöden Tesla zu kaufen. Vor allem in Fernost ist die Affinität für Made in Germany noch sehr groß. In den USA derweil scheint der anfängliche Hype um die extrovertierten Elektro-Startups wie Rivian, Fisker etc. eher eine Mode-Erscheinung gewesen zu sein. Allmählich zählt wieder Qualitätsbewusstsein und Eleganz.
Aber auch in China kosten Mercedes-Modelle der V-Klasse je nach Ausstattung längst zwischen 65.000 und über 80.000 Euro. Der Maybach soll wohl auch in Peking und Shanghai für weit mehr als 100.000 Euro angeboten werden. In Stuttgart vergleichen Mitarbeiter dies bereits mit dem Klassenunterschied beim Fliegen: Jenseits der Business-Class ist am meisten Geld mit der First-Class zu verdienen. Eine kleinere Nische zwar, aber vielversprechend angesichts der höheren Gewinnmöglichkeiten. Außer Lexus gibt es da derzeit keine Konkurrenz.
Besonders spannend dürfte es in den USA werden. Dort gieren Kunden schon seit Jahrzehnten nach schicken Vans aus Europa. Volkswagen, einst mit dem Bulli wie in Deutschland auch in Kalifornien zur Kultmarke avanciert, hat es seit Jahrzehnten technisch nicht hinbekommen, einen Transporter auf die amerikanischen Straßen zu bringen - auch aus Sicherheitsgründen wie VW-Vertreter auf der Autoshow in Los Angeles interessierten Kunden zerknirscht einräumen mussten. Nun hat Mercedes endlich die Marktlücke erkannt und will seine Aktivitäten in diesem Sektor in Nordamerika kräftig ausweiten.