Politik

Neue EU-Sanktionen gegen Russland: Deutschland setzt mildere Maßnahmen durch

Lesezeit: 3 min
20.06.2024 14:21  Aktualisiert: 20.06.2024 14:21
In zähen Verhandlungen um das neue EU-Sanktionspaket gegen Russland plädierte Deutschland für mildere Maßnahmen. Es geht vor allem um LNG-Geschäfte. Nun gibt es einen Kompromiss.
Neue EU-Sanktionen gegen Russland: Deutschland setzt mildere Maßnahmen durch
Zu sehen ist eine "FSRU" (Floating Storage and Regasification Unit) im Hafen von Lubin. Diese Spezialschiffe können LNG aufnehmen, erwärmen und gasförmig machen. (Foto: dpa)
Foto: Stefan Sauer

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die EU-Staaten haben sich nach zähen Verhandlungen um deutsche Änderungswünsche auf ein 14. Paket mit Russland-Sanktionen verständigt. Mit den neuen Strafmaßnahmen soll insbesondere gegen die Umgehung von bereits bestehenden Sanktionen vorgegangen werden. Sie werden allerdings weniger scharf ausfallen als geplant, da die Bundesregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zugunsten der deutschen Wirtschaft Abschwächungen durchsetzte. Kritiker befürchten, dass Russlands Rüstungsindustrie deswegen vorerst weiter Zugriff auf westliche Güter und Technologien haben wird, um Waffen für den Krieg gegen die Ukraine herzustellen.

Bereits seit Längerem gibt es weitreichende Wirtschaftssanktionen wie zum Beispiel Einfuhrverbote für Rohöl, Kohle, Stahl, Gold und Luxusgüter sowie Strafmaßnahmen gegen Banken und Finanzinstitute.

Neben Maßnahmen gegen Sanktionsumgehungen sieht das 14. EU-Paket unter anderem vor, dass erstmals scharfe EU-Sanktionen gegen Russlands milliardenschwere Geschäfte mit Flüssigerdgas (LNG) verhängt werden. Nach Angaben von Diplomaten soll verboten werden, dass Häfen wie der im belgischen Zeebrugge zur Verschiffung von russischem LNG in Drittstaaten genutzt werden. Dies führt dann im Idealfall dazu, dass Russland wegen mangelnder Transportkapazitäten weniger Flüssigerdgas verkaufen und weniger Geld in seinen Angriffskrieg stecken kann.

Nach Angaben der EU-Kommission wurden im vergangenen Jahr etwa vier bis sechs Milliarden Kubikmeter russisches LNG über die EU-Staaten in andere Staaten weitergeleitet. Betroffen sein könnten damit Geschäfte im Wert von mehreren Milliarden Euro.

Von der Leyen begrüßt Durchbruch mit neuem EU-Sanktionspaket

Die Einigung auf das neue Sanktionspaket wurde am Donnerstag bei einem Treffen der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU in Brüssel erzielt, wie die derzeitige belgische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte. Sie soll am kommenden Montag bei einem EU-Außenministertreffen in Luxemburg formalisiert werden. Direkt danach können die Sanktionen in Kraft treten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte den Durchbruch trotz der Abschwächungen. „Dieses schlagkräftige Maßnahmenpaket wird Russland den Zugang zu Schlüsseltechnologien noch weiter verwehren“, kommentierte sie. Zudem werde es dem Land auch weitere Einnahmen aus dem Energiesektor entziehen und das Problem angehen, dass Kremlchef Wladimir Putin zur Umgehung von Sanktionen auf eine sogenannte Schattenflotte und ein Schattenbankennetzwerk setzt.

Russland wird etwa vorgeworfen, zur Umgehung eines westlichen Preisdeckels für russische Ölexporte in Drittstaaten auf Schiffe zu setzen, die nicht in Hand westlicher Reedereien sind oder nicht von westlichen Versicherungen versichert wurden.

Bundesregierung sorgt für mildere Maßnahmen

Das neue Sanktionspaket war bereits Anfang Mai von der EU-Kommission vorgeschlagen worden. Dass es darauf nicht eher eine Einigung gab, lag insbesondere an deutschen Bedenken und Änderungswünschen. Zuletzt habe es sich angefühlt, als ob Deutschland das neue Ungarn sei, sagte jüngst ein EU-Beamter in Anspielung darauf, dass die Budapester Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban in der Vergangenheit immer wieder Entscheidungen für Russland-Sanktionen verzögert hatte.

Nach Angaben von Diplomaten forderte die Bundesregierung in den Verhandlungen vor allem, dass Pläne für strengere Maßnahmen gegen eine Umgehung der bestehenden Russland-Sanktionen abgeschwächt werden. Grund waren offensichtlich Warnungen aus der deutschen Wirtschaft, die einen zu hohen Verwaltungsaufwand und Umsatzverluste befürchtet.

Die deutsche Positionierung hatte auch für Streit innerhalb der Bundesregierung gesorgt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sah das Auswärtige Amt Vorbehalte des Kanzleramts gegen das Sanktionspaket als problematisch und imageschädigend an. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe in den vergangenen zwei Jahren intensiv daran gearbeitet, bei den europäischen Partnern verlorenes Vertrauen aufgrund der alten Russlandpolitik wiederherzustellen. Dieses Vertrauen dürfe nun nicht wieder verspielt werden.

Russlands Millionengeschäfte trotz Sanktionen

Befürworter eines entschlossenen Vorgehens gegen Sanktionsumgehungen verwiesen auf Schätzungen der EU-Kommission, nach denen über Tochtergesellschaften von europäischen Unternehmen noch immer Waren im Wert von Hunderten Millionen Euro nach Russland geliefert werden, die dort wegen EU-Sanktionen eigentlich nicht mehr landen sollten. Konkret geht es dabei hauptsächlich um Güter, die zur Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors Russlands beitragen können.

Der Kompromiss sieht nach Angaben von Diplomaten nun vor, dass die sogenannte „No Russia Clause“ vorerst nicht wie geplant auf Tochterunternehmen angewendet werden muss. Mit ihr wird von EU-Exporteuren verlangt, dass sie die Wiederausfuhr von bestimmten Gütern nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich verbieten. Betroffen davon sind unter anderem Luftfahrtgüter, Waffen und fortgeschrittene Technologiegüter, die in russischen Militärsystemen verwendet werden. Vom Tisch ist das Thema allerdings nicht: Die Einigung sieht vor, dass eine detaillierte Analyse über die möglichen Auswirkungen der Klausel auf die Wirtschaft erstellt wird. Danach soll erneut über eine Ausweitung gesprochen werden.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...

DWN
Finanzen
Finanzen Nach Trumps missglücktem Finanztrick: Stillstand der US-Regierung doch noch abgewendet
21.12.2024

Der US-Kongress hat einen drohenden Stillstand der Regierungsgeschäfte im letzten Moment abgewendet. Nach dem Repräsentantenhaus...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Griechenlands Wirtschaft boomt: Erfolgreiche Steuerreformen und starke Investitionen treiben den Aufschwung
21.12.2024

Griechenlands Wirtschaft überrascht: Für 2025 erwartet das Land einen Haushaltsüberschuss von 13,5 Milliarden Euro – mehr als doppelt...

DWN
Panorama
Panorama Winterurlaub in Gefahr: Weniger Gäste in den Alpen erwartet
21.12.2024

Die Alpenregion, ein traditionell beliebtes Ziel für Wintersport und Erholung, steht in der neuen Saison vor Herausforderungen. Weniger...

DWN
Finanzen
Finanzen Quality Investing: Von der Kunst des klugen Investierens
21.12.2024

Luc Kroeze, Autor des Buches „Die Kunst des Quality Investing“, erläutert im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, wie...