Finanzen

Innovation in der Tresorbranche: Wie Hartmann Tresore mit KI und Nachhaltigkeit neue Maßstäbe setzt

Lesezeit: 7 min
21.09.2024 08:37
Hartmann Tresore setzt neue Maßstäbe in der traditionell konservativen Tresorbranche. Mit zukunftsweisenden Technologien und einer nachhaltigen Produktlinie geht das Unternehmen innovative Wege, um den Sicherheitsstandards gerecht zu werden.
Innovation in der Tresorbranche: Wie Hartmann Tresore mit KI und Nachhaltigkeit neue Maßstäbe setzt
Es müssen traditionelle Standards modernisiert werden, indem die Digitalisierung Einzug hält (Foto: dpa).

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Die Tresorbranche in Deutschland ist traditionell von konservativen Strukturen geprägt. Das Familienunternehmen Hartmann Tresore aus Paderborn möchte neue Maßstäbe in einer ansonsten innovationsarmen Industrie setzen. Mit einem Umsatz von rund 22 Millionen Euro in Deutschland und 160 Beschäftigten gehört das Unternehmen zu den führenden im Geschäft mit Tresoren hierzulande. Während Tresore weiterhin primär aus Stahl und Beton gefertigt werden und die Teststandards noch aus den 1990er Jahren stammen, wird die Branche zunehmend von modernen Sicherheitsanforderungen herausgefordert.

Einbrecher entwickeln ständig neue Methoden, während viele Tresorhersteller in alten Technologien verharren. Das Unternehmen setzt zukunftsweisende Technologien wie Blockchain und Künstliche Intelligenz, um den Sicherheitsstandard zu erhöhen. Mit der neuen, nachhaltigen "Greenity"-Tresorlinie zeigt das Unternehmen zudem, dass Nachhaltigkeit und Innovation auch in der Sicherheitsbranche Hand in Hand gehen können. Ein Interview mit Markus Hartmann, Miteigentümer und Vorstand der Hartmann Tresore AG.

DWN: Die Tresorbranche hat sich seit den 1990er Jahren kaum verändert, insbesondere was die Standards betrifft. Wie plant Hartmann Tresore, die bestehenden Normen und Testmethoden zu modernisieren, um den Anforderungen einer digitalen Welt gerecht zu werden?

Markus Hartmann: Normen und Testmethoden werden in Europa durch den CEN standardisiert und weltweit von der ISO. Ich bin Mitglied in beiden Normungsausschüssen, insbesondere im Bereich der Hochsicherheitsschlösser und im ganz neuen Normenausschuss der ISO. Hier gestalten ich und unser Unternehmen aktiv die Standards der Zukunft mit.

So wurde im letzten Jahr der europäische Standard für verteilte Systeme, genannt EN 17646, veröffentlicht. Damit ist erstmals der sichere Anschluss eines Mobiltelefons oder eines Smart Devices an ein Hochsicherheitsschloss unter Zertifizierungsbedingungen möglich. Auch wenn dieser Standard noch nicht alle Funktionen ermöglicht, ist er doch ein großer Schritt in die Zukunft.

Aber das reicht noch nicht. Hier müssen weitere Standards im Bereich der Biometrie, aber auch der IT-Sicherheit dafür sorgen, dass das Handy zum ganz normalen Werkzeug zur Bedienung eines Tresors ausreicht. Hinzu kommt, dass ein Tresor auch die Fähigkeit besitzen muss, in einen Sicherheitsprozess eingebunden zu sein. Auch hier gibt es Vorstellungen, wie wir so etwas vorantreiben können. Und wenn man das dann unter dem großen Aspekt eines Sicherheitssystems betrachtet, dann muss man vielleicht auch darüber nachdenken, ob man vielleicht nicht nur ein Zertifikat im Bereich der Tresore, der ECBS oder des VDS anvisiert, sondern vielleicht auch ein größeres IT-Sicherheitssystem zertifizieren lässt. Und hier könnten dann renommierte Testhäuser wie zum Beispiel der TÜV IT in Essen zur Verfügung stehen.

DWN: Hartmann Tresore ist in einer traditionell sehr konservativen Branche tätig. Was hat den entscheidenden Impuls gegeben, dass Sie sich entschlossen haben, Innovationen wie die SafeAgent-App und den Einsatz von KI in Ihr Angebot zu integrieren?

Markus Hartmann: Der Tresor ist seit Jahrhunderten ein sicherer Aufbewahrungsort für wertvolle Gegenstände und Dinge, die einem und einer Person wertvoll sind. Also nicht nur teure Dinge, sondern vor allem wertvolle Dinge, die auch einen persönlichen Wert haben. Nun ist uns immer wieder aufgefallen, dass Tresore häufig mit sehr vielen Dingen vollgestopft sind und der Nutzer oft gar nicht mehr weiß, was denn in seinem Tresor an Schätzen gelagert ist. So entstand die Idee des SafeAgent. Der SafeAgent ist eine einfache App, die ein Inventar von allen Dingen im Tresor beschreibt und dementsprechend auch geeignet ist, um eine sogenannte Wertgegenstandsliste automatisiert zu erzeugen, die im Fall eines Einbruchs sehr nützlich ist, um nachzuweisen, welche Gegenstände denn gestohlen worden sind, als Nachweis für die Versicherung, aber auch für die Polizei. Die Summe der Werte gibt mir immer einen Überblick darüber, ob die zulässigen Versicherungswerte im Tresor nicht überschritten werden. Und darüber hinaus kann ich auch einfach Dinge gesichert auf meinem Smartphone speichern, die ich vielleicht mal jemandem in Freundschaft oder Bekanntschaft zeigen möchte, ohne dass diese Bilder eben allgemein zugänglich in der Bildergalerie des Handys vorhanden sind. Denn unsere App ist innerhalb des Handys besonders durch IT-Sicherheit und PIN-Codes geschützt. Das heißt, Bilder, Texte, Nachweise sind nur für denjenigen zugänglich, der auf die App zugreifen kann. Und eben nicht für Menschen, die das Handy finden und anderweitig vielleicht sich Zugang zum Handy verschaffen. Hier ist eine besonders hohe Sicherheit gegeben.

KI wird in der Zukunft dafür sorgen, dass ich noch schneller diese Inventarisierung vornehmen kann und dass ich auch einen sicheren Zugang zu anderen Datenbanken ermögliche. Hier haben wir noch einiges geplant, über das wir allerdings jetzt noch nicht reden können.

DWN: Sie erwähnen den Einsatz von Blockchain-Technologie in Ihren zukünftigen Innovationen. Wie genau planen Sie, diese Technologie in der Tresorbranche anzuwenden, und welchen Mehrwert bringt das für Ihre Kunden?

Markus Hartmann: Der Einsatz von Blockchain-Technologie verbreitet sich immer weiter im Bereich der Sicherung von digitalen Assets und Gegenständen. Sehr bekannt ist die Speicherung von digitalen Kunstwerken, NFTs, in einer Blockchain geworden. Die Blockchain stellt sicher, dass eine Datei, die zum Beispiel ein Kunstwerk repräsentiert, eindeutig einem Nutzer zugeordnet ist oder einem Eigentümer zugeordnet ist und dies öffentlich über die Blockchain zertifiziert ist. Damit kann man erstmals digitale Assets sicher übertragen und sicherstellen, dass eben dieses Kunstwerk nur einmal einem Nutzer zur Verfügung steht und es nicht kopiert werden kann. Am Ende bietet die Blockchain damit das Pendant zu einem Tresor. Auch ein Tresor stellt sicher, dass Dinge eben nur für den Eigentümer zur Verfügung stehen. Dementsprechend ist der zukünftige Tresor für digitale Gegenstände eben die Blockchain. Wie man daraus ein Produkt machen kann und wie das in Kombination mit dem Tresor zukünftig nutzbar sein wird, das steht noch in der Zukunft. Wir arbeiten daran und man darf überzeugt sein, dass wir den Tresor der Zukunft, den digitalen Tresor der Zukunft, für uns entwickeln werden.

DWN: Sie haben vor kurzem die "Greenity"-Tresorlinie eingeführt, die aus nachhaltigen Materialien gefertigt wird. Wie reagieren Ihre Kunden auf dieses ökologische Angebot, und wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit in Ihrer Branche?

Markus Hartmann: Unsere Greenity-Serie war der erste Öko-Tresor in der Tresorbranche und hat damit sehr viel Aufmerksamkeit erzeugt. Zunächst muss man sagen, vor allem auch in der Presse und in der Branche selbst. Die Kunden sind hier offensichtlich noch zurückhaltend, weil man wahrscheinlich bei einem nachhaltigen Produkt nicht zuerst an einen Tresor denkt. Schließlich ist der Tresor an sich ein sehr nachhaltiges Produkt, weil er eben sehr, sehr viele Jahre, 20, 30, 50 Jahre hält und alles andere als ein Wegwerfprodukt ist. Nichtsdestotrotz haben wir immer mehr Kunden im Konsumbereich, die sagen, ich möchte darauf Wert legen, dass meine Produkte nachhaltig produziert sind. Deshalb greifen sie eben zu dieser Greenity-Linie. Ein anderer Aspekt ist das moderne Design mit Holzelementen, das eben auch ein ökologisches, nachhaltiges Designverständnis umsetzt und damit den Kunden motiviert, diesen Tresor nicht in den Keller, sondern vielleicht ins Wohnzimmer zu stellen. Last but not least sind auch Gewerbekunden immer mehr an nachhaltigen Produkten interessiert. Man muss allerdings offen sagen, es ist bisher ein Nischenprodukt, das allerdings in der Zukunft sicher deutlich gefragter sein wird.

DWN: In einer zunehmend digitalen Welt stehen Unternehmen vor neuen Sicherheitsbedrohungen. Welche Rolle wird KI in Ihrer langfristigen Strategie spielen, um Tresore sicherer und widerstandsfähiger gegen moderne Einbruchsversuche zu machen?

Markus Hartmann: Offen gesagt habe ich heute noch keine Idee, wie KI eine Rolle spielen kann, um Tresore sicherer und widerstandsfähiger gegen Einbruchsversuche zu machen. Denn ein Einbruchsversuch in einem Tresor nach heutigem Kenntnisstand ist eben vor allem ein physischer Einbruchsversuch. Da geht es um Materialien, die in der richtigen Komposition zusammengesetzt werden müssen. Da kann KI heute aus meinem Wissen heraus nicht helfen. Allerdings kann KI sehr helfen in der Digitalisierung unseres Unternehmens. Schließlich müssen wir heute hohen Serviceanfragen von unseren Kunden gerecht werden, die 24-7 von uns erreichbar sein oder uns erreichen möchten. Hier setzen wir KI im Wissensmanagement, im Customer Care und natürlich vor allem auch in der Kommunikation ein. Darüber hinaus kann KI helfen in der Produktentwicklung und natürlich in der Softwareentwicklung. Was alles möglich sein wird, ist heute wohl noch gar nicht bekannt.

DWN: Hartmann Tresore hat mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Sicherheitstechnik. Wie bewahren Sie das traditionelle Wissen, während Sie gleichzeitig mit Technologien wie KI und Digitalisierung eine neue Ära in der Tresorbranche einläuten?

Markus Hartmann: Das traditionelle Wissen rund um Tresore steckt natürlich vor allem in den Köpfen unserer Mitarbeiter, die über sehr viele Jahre, Jahrzehnte dieses Wissen sich erarbeitet haben. Aus diesem Grunde ist das Thema Mitarbeiterbindung für uns ein zentrales Thema. Gleichzeitig sehen wir, dass gerade jüngere Generationen schneller den Job wechseln, als das vielleicht noch früher der Fall war. Hier setzen wir darauf, engagierte Mitarbeiter zu finden und sie in interdisziplinären Teams mit erfahrenen Mitarbeitern zusammenzubringen. Hier gibt es neue Anforderungen an das Personalwesen. Seit einiger Zeit steht das Thema New Work deshalb bei uns im Vordergrund. Hier versuchen wir für unsere Mitarbeiter, wie wir sagen, den besten Job ihres Lebens zu gestalten. Dazu wollen wir verschiedene Methoden und Best Practices aufbauen, damit sich Mitarbeiter ihrem Job gewachsen fühlen, in ihrem Job Wertschätzung erfahren, um dann letztendlich kreativ im Team an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten. Ein wichtiger Baustein zu dieser New Work Bewegung ist die Digitalisierung. Frithjof Bergmann sagte dazu, Technologie soll uns nicht ersetzen, sondern sie soll uns befreien. Ich denke, das ist genau der Punkt. Wir wollen über Digitalisierung monotone, repetitive Arbeiten ersetzen, um Platz zu schaffen, damit Mitarbeiter in kreativen Prozessen miteinander das Unternehmen und die Branche weiterentwickeln können.

DWN: Sie sprechen von einer umfassenden digitalen Transformation in Ihrer Branche. Was glauben Sie, wie wird sich die Tresorbranche in den nächsten 10 Jahren entwickeln, und welche Rolle werden Ihre Tresore dabei spielen?

Markus Hartmann: Die Tresorbranche wird kontinuierlich weiter wachsen, denn trotz der Digitalisierung von z.B. Geld oder auch Akten, was in diesem Fall weniger Bedarf an Tresor bedeutet, gibt es immer mehr Fälle, wo wertvolle Gegenstände, Akten, Stoffe, Produkte sicher aufbewahrt werden müssen. Es steht schon heute fest, dass allerdings das Geschäftsmodell der Tresorbranche sich immer weiter in Richtung E-Commerce entwickelt. Für uns steht fest, wir wollen dem Kunden seine Customer Journey ermöglichen. Diese Customer Journey wird immer mehr digital sein, aber unser Stichwort soll ganz klar sein, wir wollen dem Kunden auf dieser Customer Journey beraten durch persönliche Beratung oder auch digitale Unterstützung der Beratung, so wie es vom Kunden gewünscht wird. Tresore werden sich weiterentwickeln hin zu digitalen Asset-Management-Systemen, die über mobile Devices zu bedienen sind oder die als digitales sicheres Speichermedium, vielleicht auf der Blockchain, vielleicht auf anderen Medien, digitale Wertgegenstände sicher speichern und multifunktional zur Verfügung stellen werden. Ein wichtiges Medium im Zugang zu diesen digitalen Wertgegenständen wird weiterhin das Smart Device sein, was als sicheres Endgerät über kryptographische Funktionen den Zugang zu digitalen Wertgegenständen leisten wird.

Die Zukunft wird auch diese traditionell langsame Branche digital herausfordern. Wir werden uns dieser Herausforderung stellen.

                                                                            ***

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

 



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