Der US-Chipkonzern Intel verschiebt den Bau seines Werks in Magdeburg. Intel-Chef Pat Gelsinger stellte in einer Mitteilung eine Verzögerung von rund zwei Jahren in Aussicht, machte aber deutlich, dass es sich dabei nur um eine Schätzung auf Basis der zu erwartenden Nachfrage handele.
Intel steckt seit Längerem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und sieht sich zu Sparmaßnahmen gezwungen. Allein im vergangenen Quartal verzeichnete der Konzern, der sowohl bei konventionellen als auch bei KI-Chips hinterherhinkt, einen Milliardenverlust. Im Zuge dessen kündigte Gelsinger Anfang August die Streichung von weltweit 15.000 Jobs an.
Finanzminister Lindner: „Mittel müssen für Bundeshaushalt reserviert werden“
Nach der Ankündigung des Konzerns steht nun die Frage im Raum, wie mit dem Geld weiter verfahren werden soll. Finanzminister Lindner (FDP) schrieb dazu auf der Online-Plattform X: „Alle nicht für Intel benötigten Mittel müssen zur Reduzierung offener Finanzfragen im Bundeshaushalt reserviert werden. Alles andere wäre keine verantwortungsvolle Politik.“ Aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es indes, die Gelder seien im Klima- und Transformationsfonds (KTF) vorgesehen und stünden im Kernhaushalt nicht zur Verfügung.
Erst vor wenigen Wochen war die Baugenehmigung für das Intel-Werk vor den Toren Magdeburgs erteilt worden. Die Bundesregierung hatte staatliche Hilfen im Umfang von 9,9 Milliarden Euro zugesagt, was bei Ökonomen auf Kritik stößt.
Ökonomen kritisieren Staatshilfen für Intel
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), kritisierte die Subventionen des Bundes in seinem Blog als „gigantische und spektakuläre Verschwendung von Steuergeldern“, die letztlich Intel selbst am meisten nütze. Fratzscher verwies darauf, dass der Konzern vor allem wegen der Subventionen nach Magdeburg gekommen sei und die Region möglicherweise nicht die besten Bedingungen für eine langfristige Ansiedlung biete. Auch könnten die Subventionen den bereits bestehenden Fachkräftemangel in der Region verschärfen und den Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte weiter intensivieren.
Christoph Ahlhaus, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes der Mittelständischen Wirtschaft (BVMW), warnte in diesem Zusammenhang davor, dass der Staat durch solche Subventionen falsche Signale setze. „Der Staat kann eine Übergangslösung bieten, aber langfristige Wettbewerbsfähigkeit muss vom Unternehmen selbst kommen“, so Ahlhaus in der „Bild am Sonntag“.
Staatsmilliarden für Meyer Werft
Die Diskussion um milliardenschwere Staatshilfen beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Chip-Industrie, wie das Beispiel der Meyer Werft zeigt. Am 11. September haben der Bund und das Land Niedersachsen mehrheitlich die angeschlagene Werft übernommen.
Der verabschiedete Rettungsplan sieht vor, dass der Bund und das Land Niedersachsen für rund 80 Prozent der Anteile 400 Millionen Euro zahlen. Zudem sichern beide mit rund zwei Milliarden Euro an Bürgschaften noch laufende Bankkredite der Werft ab. Damit sollen Tausende Arbeitsplätze an den Standorten in Papenburg und Rostock sowie bei Zulieferern gerettet werden.
Auch bei diesem Schritt sparte DIW-Chef Fratzscher nicht mit Kritik: „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Rettung der Meyer Werft ultimativ scheitern wird, trotz oder vielleicht auch wegen der staatlichen Beteiligung“ und fügte hinzu, dass der Staat in einer Marktwirtschaft nicht als Unternehmer fungieren sollte.
Die Wirtschaftsjournalistin Annette Deutzgens vom NDR zweifelt zudem an der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit des Einstiegs. Die Rettung könnte dem Staat teuer zu stehen kommen, da nicht klar sei, ob das Geld jemals zurückfließen werde. „Ob es für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ein guter Tag war, darf man bezweifeln,“ so Deutzgens im Deutschlandfunk. Zudem kritisierte sie, dass nicht ausreichend erörtert wurde, ob es bessere Möglichkeiten gegeben hätte, das Unternehmen zu stabilisieren.
Thyssenkrupp: Staats-Milliarden für grünen Stahl
Auch Thyssenkrupp erhält massive staatliche Unterstützung für die Transformation zur klimaneutralen Stahlproduktion. Der Staat investiert allein 2 Milliarden Euro, um das Unternehmen auf den Weg zur Wasserstoff-basierten Stahlproduktion zu bringen. Felix Banaschack, Bundestagsabgeordneter der Grünen, betonte kürzlich im Deutschlandfunk, dass es hier um eine notwendige Investition in die Zukunft gehe und die staatlichen Mittel notwendig seien, um den Strukturwandel in der deutschen Industrie voranzutreiben.
Doch Tatsache ist, dass Deutschlands größter Stahlkonzern trotz der Milliardenhilfen vor großen Herausforderungen steht. Die Stahlsparte des Konzerns wirtschaftet seit Jahren defizitär, und Experten warnen davor, dass ohne klare Restrukturierungsmaßnahmen die Gelder letztlich versickern könnten.
Bundesrechnungshof fordert Reform der Subventionspolitik
2 Milliarden für Thyssenkrupp, 2,4 Milliarden für die Meyer Werft, 5 Milliarden für TSMC, 9,9 Milliarden für Intel. Zum Vergleich: Das Auswärtige Amt hat einen Etat von 6,9 Milliarden Euro, das Landwirtschaftsministerium von 6,9 Milliarden. Diese Summen zeigen, wie hoch die staatlichen Investitionen in einzelne Branchen sind.
Ein Blick in den Subventionsbericht 2023 der Bundesregierung bestätigt nicht nur dies, sondern auch die wachsende Bedeutung staatlicher Finanzhilfen. Danach ist das Subventionsvolumen der Finanzhilfen und Steuervergünstigungen unter der Ampelregierung von 37,9 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf geschätzte 67,1 Milliarden Euro im Jahr 2024 gestiegen. Davon entfallen allein 48,7 Mrd. Euro auf direkte Finanzhilfen.
Interessant ist ein Vergleich mit der Vorgängerregierung unter Angela Merkel (CDU), in der das Subventionsvolumen laut Subventionsbericht der damaligen Bundesregierung auch gestiegen ist, von 21,8 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf 31,4 Milliarden Euro im Jahr 2020. Allerdings handelte es sich dabei vor allem um Staatsgelder zur Erreichung der in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie definierten Umwelt- und Klimaschutzziele sowie um Coronahilfen. Letztere beliefen sich im Jahr 2020 auf 17,7 Milliarden Euro.