Unternehmen

Intel verschiebt Baustart von Chipfabrik in Magdeburg

Der US-Konzern Intel pausiert seine Pläne für die Chipfabrik in Magdeburg wegen Verluste und Sparprogramme. In der Regierung ging sofort eine Debatte los, wie nun die eingeplanten Milliarden-Subventionen verwendet werden könnten.
17.09.2024 09:27
Aktualisiert: 17.09.2024 09:27
Lesezeit: 3 min
Intel verschiebt Baustart von Chipfabrik in Magdeburg
Die geplante Chipfabrik in Magdeburg wird voraussichtlich um zwei Jahre verzögert. (Foto: dpa) Foto: Jaque Silva

Intel verschiebt den Start für den Bau seines 30 Milliarden Euro teuren Chipwerks in Magdeburg. Konzernchef Pat Gelsinger stellte eine Verzögerung von rund zwei Jahren in Aussicht - machte aber deutlich, dass es nur eine Schätzung auf Basis der erwarteten Nachfrage sei. In der Bundesregierung ging sofort eine Debatte los, wie nun die eingeplanten Milliarden-Subventionen verwendet werden könnten.

Erster Spatenstich für dieses Jahr erhofft

Intel hatte in Sachsen-Anhalt den Bau von zunächst zwei Chip-Fabriken angekündigt. Dabei sollten rund 3000 Arbeitsplätze entstehen. Der erste Spatenstich war für dieses Jahr angepeilt worden. Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr staatliche Hilfen von 9,9 Milliarden Euro für die Ansiedlung in Aussicht gestellt. Die Freigabe der EU-Kommission dafür steht aber noch aus.

Noch vor wenigen Monaten hatte Gelsinger gesagt, dass in Magdeburg die modernsten Produktionsverfahren zum Einsatz kommen sollten, mit denen Intel zur erfolgreicheren Konkurrenz aufschließen will. Doch der Konzern kämpft mit Geldsorgen - und war gezwungen, irgendwo den Rotstift anzusetzen.

Bei dieser Abwägung gewann der Heimatmarkt: Gelsinger bekräftigte die Investitionen in den US-Bundesstaaten Ohio, Arizona, Oregon und New Mexico - und kündigte einen zweijährigen Stopp auch für die Pläne in Polen an.

Wohin mit den Subventions-Milliarden?

Für die Bundesregierung, die eine Finanzierungslücke im Haushalt hat, stellt sich nun die Frage, was man mit den für Intel vorgesehenen Milliarden zunächst einmal machen könnte. „Alle nicht für Intel benötigten Mittel müssen zur Reduzierung offener Finanzfragen im Bundeshaushalt reserviert werden “, schrieb Finanzminister Christian Lindner auf der Online-Plattform X. „Alles andere wäre keine verantwortungsbewusste Politik“, argumentierte der FDP-Vorsitzende.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hielt dagegen: "Wir werden jetzt gemeinsam beraten, wie wir mit nicht genutzten Mitteln sinnvoll und sorgsam umgehen und sie zum Wohle des Landes einsetzen." Aus dem Ministerium hieß es, die Gelder seien im Klima- und Transformationsfonds, genannt KTF, vorgesehen und stünden nicht dem Kernhaushalt zur Verfügung. In dem Fonds gibt es ebenfalls eine Milliardenlücke.

Die Haushälter im Bundestag prüfen, wo der Etatentwurf der Bundesregierung verändert werden muss - und wie die Lücke von 12 Milliarden Euro reduziert werden kann.

Intel muss erst die Kurve kriegen

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) telefonierte mit Gelsinger. Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) setzt weiter auf eine Ansiedlung des Konzerns. „Intel hält, wenn auch mit einer zeitlichen Verzögerung, weiter an dem Projekt fest. Das ist für uns alle eine wichtige Nachricht", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es Intel in den kommenden zwei Jahren gut genug für weitere Milliardeninvestitionen geht. Der einst dominierende Branchenpionier bleibt heute bei den lukrativsten Halbleiter-Geschäften außen vor.

So werden Smartphone-Chips von Apple , Qualcomm oder Google auf Basis von Technologie des britischen Chipdesigners Arm entwickelt. Der Grafikkarten-Spezialist Nvidia dominiert bei Chips für KI-Software wie ChatGPT. Und produziert werden all diese High-Tech-Halbleiter hauptsächlich in Taiwan beim Auftragsfertiger TSMC .

Magdeburg ist Teil eines teuren Intel-Rettungsplans

Intel bleiben das Geschäft mit einigen Chips für Rechenzentren sowie Windows-PCs - doch auch hier griff zuletzt Qualcomm mit Arm-Prozessoren an. Der einstige Platzhirsch kämpfte derweil mehrfach mit Problemen bei neuen Chip-Generationen.

Gelsinger, der Anfang 2021 als Sanierer zu Intel zurückkam, hat einen ambitionierten - und teuren - Rettungsplan. Er will nicht nur erfolgreiche eigene Chips entwickeln, sondern auch so gut in der Fertigung werden, dass sich andere Firmen für Intel als Auftragsproduzenten entscheiden. Dafür werden die Fabriken in eine eigenständige Einheit innerhalb des Konzerns ausgelagert.

Und es sollen mehrere neue Werke gebaut werden - mit hohen staatlichen Subventionen. Dabei setzte Gelsinger auf die Angst vor Chip-Engpässen durch einen Konflikt um Taiwan. Denn ohne die Lieferungen von TSMC ginge im Westen sehr schnell kaum etwas, warnen Experten. Die Halbleiter-Knappheit in der Corona-Krise würde dagegen harmlos wirken.

Die Alternative: Fabriken in den USA und Europa. Das kostet viele Milliarden und dauert Jahre. Aber wenn es gelingen würde, Ende dieses Jahrzehnts rund die Hälfte der Produktion hochmoderner Chips in den Westen zu bringen, hätte man viel für Versorgungssicherheit erreicht, sagte Gelsinger im Februar. Ein Nebeneffekt: Intel wäre fester in den westlichen Chip-Lieferketten verankert. Magdeburg ist ein Teil dieses Plans.

KI-Chip für Amazon

Doch selbst wenn der Bund 10 Milliarden Euro in Magdeburg zuschießt - die restlichen 20 Milliarden müssen auch noch aufgebracht werden. Und Intel muss sparen. Allein im vergangenen Quartal fuhr der Konzern einen Milliardenverlust ein - und Analysten rechnen noch mit weiteren roten Zahlen. Gelsinger kündigte Anfang August bereits den Abbau von rund 15.000 Arbeitsplätzen an. Das sind etwa 15 Prozent der Belegschaft. Insgesamt will er zum kommenden Jahr mehr als zehn Milliarden Dollar einsparen.

In den USA, wo Intel ebenfalls Milliarden-Subventionen bekommt, konnte Gelsinger zugleich einen Erfolg für seine Auftragsfertiger-Strategie verbuchen. Intel werde einen KI-Chip für die Cloud-Sparte von Amazon mitentwickeln und fertigen, kündigte er an.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs: Zinssignale aus Japan belasten Stimmung am Kryptomarkt – wie es weitergeht
07.12.2025

Der Bitcoin-Kurs steht erneut im Mittelpunkt der Marktdebatten, da globale Zinssignale und eine wachsende Verunsicherung unter Anlegern die...

DWN
Technologie
Technologie Social Media im Umbruch: KI verdrängt persönliche Beiträge immer mehr
07.12.2025

Die sozialen Netzwerke verändern sich rasant, während persönliche Beiträge seltener werden und KI-Inhalte die Feeds bestimmen. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Weshalb selbst starke Zahlen ein strukturelles Problem nicht lösen
07.12.2025

Die Nvidia-Aktie glänzt mit beeindruckenden Ergebnissen, doch Anleger übersehen oft ein zentrales Risiko. Die enorme Größe des Konzerns...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mautkosten in Europa steigen: Wie sich Speditionen jetzt Wettbewerbsvorteile sichern
07.12.2025

Trotz wachsender Belastungen im europäischen Transportsektor zeigt sich immer deutlicher, dass Mautgebühren weit mehr sind als ein...

DWN
Panorama
Panorama Weihnachten mit kleinerem Budget: Viele Menschen müssen bei Weihnachtsgeschenken sparen
07.12.2025

Weihnachten rückt näher, doch viele Haushalte kalkulieren strenger als je zuvor. Eine neue Umfrage zeigt, wie stark Preissteigerungen die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OpenAI-Bilanz: Deloitte prüft Milliardenpläne und Michael Burry entfacht Debatte
07.12.2025

OpenAIs rasanter Aufstieg und die enormen Investitionspläne des Unternehmens rücken die Transparenz der OpenAI-Bilanz in den Mittelpunkt....

DWN
Politik
Politik Elektromobilitätssteuer Großbritannien: Wie London die E-Auto-Revolution abbremst
07.12.2025

Großbritannien setzt mit einer kilometerbasierten Abgabe ein hartes Signal an alle E-Autofahrer und stellt die finanzielle Logik der...

DWN
Politik
Politik Russlands Desinformationskampagnen: Wie Europa gegen Putins Trolle kämpft
06.12.2025

Europe wird zunehmend Ziel digitaler Einflussoperationen, die gesellschaftliche Stabilität, politische Prozesse und wirtschaftliche...