Politik

Änderung Geschlechtseintrag: Selbstbestimmungsgesetz tritt in Kraft - ein Ideologieprojekt der Ampel?

Lesezeit: 4 min
03.11.2024 15:52  Aktualisiert: 03.11.2024 16:11
Hier waren sich SPD, FDP und Grüne einig: Am 1. November tritt das umstrittene Selbstbestimmungsgesetz für transsexuelle Personen in Kraft. Für die Änderung des Geschlechtseintrags ist nur noch eine einfache Erklärung notwendig, gilt auch für Teenager. Welcher mögliche Missbrauch kommt auf die Gesellschaft und insbesondere auf Frauen und Kinder zu?
Änderung Geschlechtseintrag: Selbstbestimmungsgesetz tritt in Kraft - ein Ideologieprojekt der Ampel?
Die Grünen-Abgeordneten und Transfrauen Tessa Ganserer und Nyke Slawik bei der Debatte zum neuen Selbstbestimmungsgesetz im Bundestag. (Foto: dpa)
Foto: Britta Pedersen

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Damit wirbt die Bundesregierung: Geschlecht und Name an die eigene Lebenswirklichkeit anpassen – das ist ab dem 1. November 2024 möglich. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz wird das nicht mehr zeitgemäße Transsexuellengesetz abgelöst.

Das neue Selbstbestimmungsgesetz bedeutet für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen in Deutschland eine erhebliche Erleichterung: Bislang galt für Betroffene, ein zeitaufwendiges und teures Verfahren zu durchlaufen, das sowohl medizinische Sachverständigengutachten als auch gerichtliche Beschlüsse erforderte. Aktuell erwartet das Familienministerium rund 4.000 Anträge für eine Geschlechtsänderung pro Jahr. Trans-Personen machen weniger als ein Prozent der deutschen Bevölkerung aus.

Neue Selbstbestimmung zum eigenen Geschlecht

Die Voraussetzungen, das biologische Geschlecht zu ändern, werden jetzt durch das neue Selbstbestimmungsgesetz erheblich vereinfacht. Ab jetzt gilt: Künftig genügt eine einfache Erklärung beim Standesamt, um den Vornamen und den Geschlechtseintrag anpassen zu lassen. Ein Gutachten, eine ärztliche Bescheinigung oder ein gerichtlicher Beschluss sind damit nicht mehr erforderlich.

Auch für Minderjährige kann der Geschlechtseintrag geändert werden. Jugendliche ab 14 Jahren brauchen dafür die Zustimmung der Eltern. Bis zum Alter von 14 Jahren können Eltern eine Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags abgeben, nicht aber gegen den Willen des Kindes. Nach Ablauf eines Jahres kann der Eintrag wieder geändert werden. Auf medizinische Eingriffe zur Geschlechtsangleichung hat das Gesetz keine Auswirkung.

Weiblich, männlich oder divers?

„Die Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen im Rahmen des Selbstbestimmungsgesetzes kann bei jedem deutschen Standesamt abgegeben werden“, erläutert ein Sprecher des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Man muss die Erklärung nicht bei dem Standesamt am Wohnort abgeben. Allerdings müsse die Anmeldung bei dem Standesamt erfolgen, bei dem auch die Erklärung abgegeben werden soll, weist der Sprecher hin.

Angabe des Geschlechts kann gestrichen werden

Personen, die ihren Geschlechtseintrag anpassen möchten, müssen diesen Wunsch nun drei Monate vorher beim Standesamt anmelden. Die Angabe des Geschlechts kann dabei auf weiblich, männlich, divers geändert oder auch gestrichen werden. Nach der Anpassung gilt eine Sperrfrist von einem Jahr für erneute Änderungen, wie das Bundesjustizministerium mitteilt. Dies soll sicherstellen, dass solche Entscheidungen nicht überstürzt getroffen werden.

Für Minderjährige bis zum Alter von 14 Jahren können ausschließlich die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung beim Standesamt abgeben. Ab 14 Jahren dürfen Minderjährige selbst die Änderung beantragen, benötigen jedoch die Zustimmung ihrer Eltern. Eine Änderung gegen den Willen des minderjährigen Kindes ist durch die Sorgeberechtigten aber nicht möglich. In Konfliktfällen würde ein Familiengericht im Interesse des Kindeswohls entscheiden.

Transsexuellengesetz – nicht mehr zeitgemäß?

Vorher waren nach dem Transsexuellengesetz ärztliche Begutachtungen mit intimsten Fragen für die Änderung des Geschlechtseintrags notwendig, was von Betroffenen als entwürdigend empfunden wird. Das hat der Bundestag mit den Stimmen der Ampelkoalition und der Linken abgeschafft, trotz vieler Kritik: Das Gesetz sei ein „echtes Risiko“ und missachte den Kinderschutz. Es gefährde Frauen, weil jeder Mann sich offiziell zur Frau machen könne.

Bisher war für Transsexuelle eine Personenstandsänderung nur möglich, wenn sie ein Gutachten vorweisen konnten, nicht verheiratet oder geschieden waren. Bis 2011 gab es noch die Vorgabe, sich sterilisieren zu lassen und geschlechtsangleichende Maßnahmen vorzunehmen – bis das Bundesverfassungsgericht klarstellte: Diese Eingriffe in die Würde, das Recht auf freie Entfaltung und die körperliche Unversehrtheit sind nicht tragbar.

Kritik: Unverantwortlich gegenüber Kinder und Jugendlichen

Die stellvertretende Unions-Fraktionschefin Dorothee Bär (CSU) hat das neue Selbstbestimmungsgesetz der Ampel-Koalition scharf kritisiert. „Die Bundesregierung hat ein weiteres Ideologieprojekt rücksichtslos durchgepeitscht“, sagte sie in der Rheinischen Post. Das sei insbesondere mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz unverantwortlich.

„Die Ampel-Koalition hat es versäumt, einen verlässlichen Rechtsrahmen für die wenigen Tausend Menschen zu schaffen, die mit ihrer sexuellen Identität ringen und mit staatlichen Vorgaben in Konflikt stehen“, sagte die CSU-Politikerin. Die Koalition sei „mit diesem hanebüchenen Gesetz vollkommen über das Ziel hinausgeschossen“, so Bär.

Viele finden Selbstbestimmungsgesetz gut?

Knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung, 47 Prozent, befürwortet einer aktuellen YouGov-Umfrage zufolge anscheinend das neue Selbstbestimmungsgesetz – nur 37 Prozent lehnen es ab. Dabei war der Zuspruch unter den Frauen mit 51 Prozent größer, als bei den Männern mit 43 Prozent. Laut Umfrage befürworten jüngere Menschen das Selbstbestimmungsgesetz häufiger als ältere: So seien es bei den 18- bis 24-Jährigen 56 Prozent und bei den 25- bis 34-Jährigen 63 Prozent gewesen. Den geringsten Zuspruch gab es mit 39 Prozent aus der Gruppe der 45- bis 54-Jährigen.

Insgesamt gaben 25 Prozent der Befragten laut Umfrage an, ziemlich genau zu wissen, worum es im Gesetz geht, 47 Prozent wussten es demnach ungefähr und 28 Prozent nicht wirklich. Die 25- bis 34-Jährigen gaben demnach mit 34 Prozent am häufigsten an, ziemlich genau Bescheid zu wissen. Bei der Gruppe ab 55 Jahren waren sich nur 21 Prozent sicher.

Das Meinungsforschungsinstitut YouGov befragte vom 25. bis 27. Oktober mehr als 2.000 volljährige Menschen online.

Was bedeuten „transgeschlechtlich, nicht-binär und intergeschlechtlich“?

Auf der Webseite der Bundesregierung heißt es dazu:

  • Transgeschlechtliche Menschen identifizieren sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.
  • Intergeschlechtliche Menschen haben angeborene körperliche Merkmale, die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen. Das betrifft zum Beispiel die Geschlechtsorgane, den Chromosomensatz oder die Hormonproduktion.
  • Nicht-binär ist eine Selbstbezeichnung für Menschen, die sich nicht als Mann oder Frau identifizieren.

Fazit: Das neue Gesetz kann zu Missbrauch – vor allem an Frauen und Kindern und zu gesellschaftlichen Problemen führen: Auf die Kritik, dass sich Gefahren besonders für Frauen ergebe, wenn Menschen ihren Geschlechtseintrag auf „weiblich“ ändern und somit etwa Zutritt zu Frauensaunen erhalten könnten, setzte die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, bereits im vergangenen Jahr entgegen: „Wir haben in Deutschland überwiegend gemischtgeschlechtliche Saunen. Kein Mann muss seinen Geschlechtseintrag ändern lassen, um in Deutschland eine nackte Frau zu sehen.“

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.


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