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Drogeriehandel: Wie dm, Rossmann und Müller den Lebensmittelmarkt verändern

Drogeriemärkte verkaufen längst nicht mehr nur Shampoo und Zahnpasta. Sie werden für Millionen Deutsche zur Einkaufsquelle für Lebensmittel – vor allem für Bio-Produkte. Dahinter steckt mehr als nur ein größeres Sortiment. Der Boom zeigt, wie stark sich Einkaufsgewohnheiten verändern und welche Folgen das für Supermärkte hat.
03.07.2025 15:18
Lesezeit: 3 min

Müsli, Pasta und Deo: Werden Drogerien zu Supermärkten?

Kunden steuern immer häufiger Drogeriemärkte an, um sich dort mit Lebensmitteln einzudecken. Auch wegen der Einkaufsatmosphäre, wie eine neue Studie zeigt.

Drogeriemärkte bieten längst mehr als Pflegeprodukte

Wer sich die Einkaufskörbe von Kunden bei dm, Rossmann oder Müller ansieht, erkennt: Darin liegen längst nicht mehr nur Duschgel, Deo, Windeln oder Waschmittel. Immer häufiger finden sich dort auch Ravioli, Aufbackbrötchen, Suppe oder Olivenöl – und damit Produkte, die früher eigentlich nur in Supermärkten oder bei Discountern landeten.

Drogerien steigern ihren Anteil am Lebensmittelmarkt

Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens YouGov wurde zwischen Anfang April 2024 und Ende März 2025 bereits jeder fünfte bezahlte Euro in den Drogeriemärkten für Lebensmittel ausgegeben. Deren Umsatzanteil ist in den vergangenen fünf Jahren von 16,4 auf 20,6 Prozent gestiegen. Die Erlöse stiegen um zwei Drittel auf 2,8 Milliarden Euro.

Fast die Hälfte ihres Lebensmittelumsatzes erzielen dm und Co. laut YouGov inzwischen mit Bio. In Deutschland wird jeder fünfte Euro für Bio-Lebensmittel – ohne Frische und Babynahrung – in den Drogeriemärkten ausgegeben.

Umfrage: dm hat die meisten Lebensmittelkäufer

Seit der Pandemie haben die Drogerien ihr Angebot an Lebensmitteln ausgeweitet. Heute sind sie eine feste Anlaufstelle für den Einkauf – besonders im Bereich Bio und Gesundheit. Sortimente, die zuletzt deutlich an Bedeutung gewonnen haben. "Es gibt immer mehr Kunden, die ausschließlich Lebensmittel kaufen und keine klassischen Drogerieartikel", sagt YouGov-Handelsexpertin Bettina Arneth. Wenn man Frische-Produkte nicht berücksichtige, habe die Drogerie den klassischen Bioladen ein Stück weit verdrängt.

Ein weiterer Grund für den Erfolg sei das Einkaufserlebnis. "Aus Gesprächen mit Konsumenten wissen wir: In Supermärkten und Discountern ist es oft hektisch. In Drogerien geht es weniger stressig zu, die Atmosphäre ist anders", meint Arneth. Das Einkaufen mache mehr Freude, die Kunden hätten mehr Platz und fühlten sich wohler.

Auch die Marktforschungsberatung Mafowerk hat das Thema untersucht. Dafür wurden rund 1.000 Verbraucher repräsentativ befragt. Mehr als jeder Vierte (28 Prozent) kauft demnach einmal wöchentlich Lebensmittel im Drogeriehandel, weitere 9 Prozent mehrmals. Für immerhin 42 Prozent sind Lebensmittel der Hauptgrund, dort hinzugehen. Bei Vegetariern und Kunden unter 30 Jahren ist der Anteil höher. 47 Prozent der Befragten holen sich bestimmte Ernährungsprodukte nur in Drogeriemärkten. Die Kette dm hat der Umfrage zufolge die meisten Lebensmittelkäufer.

"Nicht nur Idealisten kaufen heute Bio"

Das Angebot der Drogerien reicht von Frühstücksprodukten wie Müsli und Brotaufstrichen über Kaffee, Tee und Milchalternativen bis hin zu Nudeln, Bulgur und Linsen, Fleischersatz und Fertiggerichten. Zudem gibt es Backzutaten, Snacks wie Nüsse, Süßigkeiten, Getränke wie Smoothies und Hafermilch sowie Sportnahrung wie Proteinriegel. dm bietet nach eigenen Angaben mehr als 1.500 Produkte im Bereich Ernährung an, Rossmann und Müller nennen keine Zahlen.

Nicht alles, was es im Supermarkt gibt, findet man jedoch in der Drogerie. So fehlen unter anderem frische Artikel wie Obst und Gemüse, aber auch Wurst, Käse, Joghurt, Fleisch oder Tiefkühlprodukte. Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung beim Handelsforschungsinstitut IFH Köln, sieht darin keinen Nachteil. "Die Menschen kaufen an mehreren Orten ein. Im Schnitt sind es 3,1 Einkaufsstätten. In Drogerien können sie ihre Grundversorgung im Trockensortiment decken, frische Artikel werden woanders gekauft."

Zahlen des Marktforschers NIQ zeigen, dass ein reduziertes Angebot kein Hindernis darstellt. Von Januar bis April 2025 haben Drogerien beim Umsatz mit Bio-Lebensmitteln im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 21 Prozent zugelegt – und damit deutlich stärker als Supermärkte (+6,6) und Discounter (+7,6). Die Zahl der Haushalte, die Bio-Produkte in der Drogerie kaufen, lag zuletzt demnach fast 10 Prozent höher. "Nicht nur Idealisten kaufen heute Bio", sagt Thomas Montiel Castro, Bio-Experte bei NIQ. Städter griffen häufiger zu.

Viel Potenzial für Bio-Lebensmittel bis 2030

Wenig deutet darauf hin, dass der Trend bald endet. Eine 2024 veröffentlichte Studie von Handelsexpertin Stüber sieht noch großes Potenzial für Bio-Lebensmittel. Der Umsatz dürfte demnach bis 2030 noch kräftig steigen. Verhältnismäßig am stärksten profitieren voraussichtlich Drogerien. Laut Expertin Stüber machen sie den Lebensmitteleinzelhändlern zunehmend Konkurrenz: "Die Drogerien sind zu Nahversorgern geworden und genießen auch bei Lebensmitteln großes Vertrauen." Dass sie zu kleinen Supermärkten werden, glaubt sie jedoch nicht.

Die Drogeriemarktkette dm hat nicht vor, frische Lebensmittel in ihr Sortiment aufzunehmen. "Wir gehen nicht davon aus, dass unsere Kunden in einem Drogeriemarkt Frischware wie Obst und Gemüse, Kühltheken oder tiefgekühlte Lebensmittel erwarten", sagt Sebastian Bayer, Marketing-Geschäftsführer von dm. Für ein erweitertes Angebot fehle es auch an Flächen.

Die großen Filialisten dm, Rossmann und Müller möchten ihr Lebensmittelsortiment dennoch weiter ausbauen, wie die Unternehmen auf Anfrage erklärten. dm hat noch andere Pläne. Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte sollen Kunden rezeptfreie Medikamente wie Schmerzmittel online kaufen können.

Drogerien sollten Grenzen wahren

YouGov-Expertin Arneth warnt: "Die Drogerien müssen ein bisschen aufpassen, die Kunden nicht mit weiteren neuen Sortimenten zu überfordern. Irgendwann ist mehr nicht mehr mehr." Die Ordnung und Struktur im Laden dürfe nicht verloren gehen.

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