Was junge Beschäftigte in Deutschland belastet
Schranken und Konflikte zwischen den Generationen prägen in Deutschlands Betrieben nach Einschätzung einer Krankenkasse den Alltag stärker als gedacht. Was ist damit gemeint? Und was könnte helfen?
Junge Beschäftigte leiden in Deutschland häufig unter Nachwirkungen der Corona-Pandemie sowie unter generationsbedingten Schranken und Konflikten in der Belegschaft. Das zeigt eine Studie der Krankenkasse DAK-Gesundheit zur sogenannten Generation Z, also den etwa 15- bis 30-Jährigen. Nach Jahren mit Corona-Beschränkungen kämpfen viele beim Einstieg ins Berufsleben auch mit depressiven Symptomen. DAK-Chef Andreas Storm fordert die Unternehmen auf, aktiv Verbindung und Zusammenhalt zwischen den Generationen zu fördern: "Das Erfolgsmodell der Zukunft sind generationengemischte Teams."
28 Prozent der sogenannten Gen Z berichten laut dem Report von Spannungen zwischen verschiedenen Altersgruppen in den Betrieben. Die repräsentativ befragten Beschäftigten mit Geburtsjahr zwischen 1995 und 2010 stellen rund ein Fünftel der 43 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland.
Generationenkonflikte in Zahlen
Jede und jeder Vierte mit wahrgenommenen Generationenkonflikten fühlt sich dadurch stark oder sehr stark belastet. Weitere 56 Prozent fühlen sich weniger stark und 19 Prozent überhaupt nicht belastet.
Im Gesundheitswesen und im Erziehungsbereich ist der Anteil der Betroffenen mit jeweils 30 Prozent demnach am größten. In der Datenverarbeitungsbranche gaben hingegen nur zwölf Prozent an, dass sie hin und wieder Generationenkonflikte erleben. Unterm Strich ist die jüngere Generation nach Einschätzung des Studien-Mitherausgebers Volker Nürnberg nicht mehr so homogen wie frühere Alterskohorten.
Worauf Jüngere beim Berufsstart Wert legen
"Sinnstiftung und Selbstbestimmung sind für die Generation wichtig", sagt Nürnberg. Besonders geprägt wurde die Generation ihm zufolge durch Corona. Ihr Studium oder die Schule hätten sie typischerweise beendet, als noch Online-Unterricht üblich war. Eine Professorin oder einen Professor hätten manche von ihnen während ihres Studiums gar nicht getroffen, erinnert Nürnberg. "Das macht etwas mit der Psyche."
Unterschiede sind auch in den Krankendaten der Kasse erkennbar. Ein Viertel der Unter-30-Jährigen lässt sich eher wegen Erkältungssymptomen wie Husten oder Schnupfen krankschreiben. Insgesamt tun dies nur 18 Prozent. "Die Gen Z meldet sich häufiger bewusst krank, damit sich eine Erkrankung nicht weiter verschlimmert", so die DAK.
"Burn-out ist Pandemie der Jüngeren"
Besorgniserregend aus Sicht der Experten: Psychische Belastungen sind bei jungen Leuten unter 30 in Deutschlands Betrieben weit verbreitet.
Bei mehr als jeder und jedem Vierten zeigte sich in den beiden Wochen vor der Befragung nach persönlicher Einschätzung eine depressive Symptomatik. Bei den 18- bis 24-Jährigen waren es sogar 37 Prozent. Diese Wahrnehmung spielt bei den jungen Leuten "eine sehr große Rolle", wie Susanne Hildebrandt vom Berliner Iges Institut betont, das die Erhebung durchführte. In der Befragung wurde nicht zwischen den Geschlechtern unterschieden.
"Burn-out ist so ein bisschen die neue Pandemie bei den Jüngeren", sagt Nürnberg. Bei vielen hielten die Probleme an. Dann sei oft nicht nur der Akku leer, sondern quasi das Ladekabel defekt. "Es wird darum gehen, junge Menschen beim Eintritt in die Arbeitswelt gut zu unterstützen."
42 Prozent mehr Krankheitsfälle
Insgesamt verzeichnete die Kasse bei den jungen Leuten zuletzt mehr Krankheitsfälle, obwohl sie im Schnitt kürzer krankgeschrieben waren. Der Krankenstand lag bei jungen Beschäftigten mit 4,7 Prozent deshalb unter dem der DAK-versicherten Beschäftigten insgesamt (5,4 Prozent).
65 Prozent der Jüngeren haben in den zurückliegenden zwölf Monaten nach eigenen Angaben mindestens einmal krank gearbeitet – oft aus Rücksicht auf Kollegen oder aus Angst vor eigenen Nachteilen.
Was Jüngere im Betrieb konkret belastet
Erfahrung mit den Problemen junger Menschen hat Natalie Kirchner. Die Psychologiestudentin betreut digitale Angebote für "krisenchat". Bei dem Berliner gemeinnützigen Unternehmen können Unter-25-Jährige rund um die Uhr kostenlos mit Expertinnen und Experten vertraulich über Sorgen chatten. Kirchner berichtet, viele stünden an der Schwelle von Schule, Umschulung oder Studium in die Arbeitswelt: In der Probezeit fühlten sich viele überlastet und hätten Angst um den Job.
"Viele haben das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden", so Kirchner. Als Beispiel für Gräben zwischen den Generationen nennt sie eigene Erfahrungen als Expertin für Online-Video. "Wenn ich älteren Menschen meine Arbeit erkläre, stoße ich an meine Grenzen." Oft habe sie dann das Gefühl, dass ihre digitale Arbeit bei Älteren "nicht so Anklang" finde.
Was eine "Generationenbrücke" leisten soll
Nicht nur Jüngere sollten von den Älteren lernen – sondern auch Ältere sollten auf Jüngere zugehen und deren Anliegen verstehen wollen. Das ist für Kirchner entscheidend. DAK-Gesundheit-Chef Andreas Storm fasst es so zusammen: "Wir müssen in den Unternehmen an einer Generationenbrücke arbeiten." Die Gen Z sei stärker durch Generationenkonflikte belastet als frühere Generationen. Kirchner fühlt sich in ihrem eigenen Team bei "krisenchat" wohl, wie sie sagt. Mit dem Begriff "Generationenbrücke" kann sie etwas anfangen: "Mein Team ist sehr durchmischt, wir stehen uns offen gegenüber und sind offen gegenüber Feedback."