Politik

SPD schließt Sarrazin aus - weil sie keine besseren Argumente hat

Die SPD wirft Thilo Sarrazin aus der Partei. Mit den Thesen des umstrittenen Autors setzt sich die Parteiführung nicht auseinander - vielleicht, weil sie weiß, dass sie eine solche Diskussion verlieren würde?
23.01.2020 17:32
Aktualisiert: 23.01.2020 17:32
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
SPD schließt Sarrazin aus - weil sie keine besseren Argumente hat
Thilo Sarrazin. (Foto: dpa)

Zehn Jahre haben die Genossen gebraucht, jetzt haben sie es endlich geschafft: Thilo Sarrazin ist nicht mehr Mitglied ihrer Partei. Heute Mittag hat das Landesschiedsgericht der Berliner SPD beschlossen, dem ehemaligen Bundesbanker und Berliner Finanzsenator sein Parteibuch zu entziehen.

Offizieller Grund des Ausschlusses war Sarrazins Auftreten bei einer Veranstaltung der FPÖ im Europawahlkampf. Dass der 74-Jährige dafür heftige Kritik einstecken muss, ist völlig angemessen. Für ein SPD-Mitglied – vor allem ein so langjähriges wie Sarrazin – ist es ein Unding, eine nicht-sozialdemokratische Partei zu unterstützen.

Aber: Wer mag schon glauben, dass dieser Fehltritt wirklich der Grund für den Ausschluss gewesen ist? Die SPD befand sich schon lange – seit dem Scheitern des ersten Parteiordnungsverfahrens im März 2010 – auf der Suche nach einem Anlass, ihren unbequemen Querdenker loszuwerden.

Sarrazins Bücher – unter anderem „Deutschland schafft sich ab“ und „Feindliche Übernahme“ – haben ein großes Thema: Den Islam. Eine Religion, die Sarrazin vor allem als Ideologie interpretiert, deren Verfechter das Ziel verfolgen, Deutschland und Europa zu übernehmen und anschließend in ihrem Sinne radikal zu verändern.

Solche Gedanken zu äußern, kommt bei den Genossen – vor allem dem linken Flügel – gar nicht gut an. Der ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner sieht in den Schriften „unselige rechte Machwerke“, und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil befand, Sarrazin sei ein „verbitterter Mann, der nur noch in der SPD ist, um seine absurden Thesen zu vermarkten“.

Sachliche Kritik? Fehlanzeige. Man denke nur an die Bundeskanzlerin, die „Deutschland schafft sich ab“ verurteilte, ohne das Buch überhaupt gelesen zu haben, und darauf im Nachhinein auch noch stolz war. Auffällig ist vor allem auch, dass Kritiker sich immer nur bestimmte Passagen aus den inkriminierten Werken herauspicken, um anschließend sofort das ganz Werk zu verdammen. Sarrazins Bücher haben gewaltigen Wirbel ausgelöst. Da hätte es sich für einen ambitionierten Publizisten oder Wissenschaftler doch angeboten, seinerseits ein Buch zu schreiben, um Sarrazins Thesen zu widerlegen. Eine hohe Auflage wäre sicher gewesen, plus ein gewaltiger Zuwachs an Reputation. Allein: An dieses Unterfangen hat sich niemand gewagt. Vielleicht, weil die von Sarrazin aufgestellten Behauptungen doch nicht so leicht zu widerlegen sind?

Aus Reihen der SPD-Oberen ertönt immer wieder der Vorwurf, die Aussagen von Sarrazin seien mit den Werten der Sozialdemokratie nicht vereinbar. Mit welchen Werten? Denen der Parteiführung, die vor allem aus Juristen und Leuten besteht, die in ihrem Leben nie etwas anderes gemacht haben, als Politik zu treiben? Oder mit den Werten der Arbeiterschaft, denen die Treue zu ihrer Partei einst in die Wiege gelegt wurde, und die sich heute in Scharen von den Sozialdemokraten abwenden? Eine Frage am Rande: Lehnt das Gros der SPD-Mitglieder und -Wähler Sarrazins Themen wirklich so vehement ab, wie die Parteispitze es tut?

Thilo Sarrazin ist nicht nur ein Querdenker, ist er manchmal auch ein Querkopf. Aber der Umgang mit ihm zeigt von mangelnder Debattenkultur und fehlender Bereitschaft, sich auf eine Diskussion einzulassen. Vielleicht im Wissen darauf, dass man sie nicht gewinnen kann?

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Sondergipfel in Katar: Forderung nach internationalem Waffenembargo gegen Israel
15.09.2025

Der Sondergipfel in Katar hat mit scharfer Kritik auf das israelische Vorgehen reagiert. Mehrere Staaten der Region erklärten ihre...

DWN
Politik
Politik UN-Kritik: Israel zielt auf Journalisten um eigene Gräueltaten zu vertuschen
15.09.2025

252 Reporter sind in gut zweieinhalb Jahren im Gazastreifen getötet worden. Diese Zahl sei kein Zufall, meinen Menschenrechtsexperten und...

DWN
Politik
Politik Elektroautos: Autofahrer revoltieren gegen Brüsseler Kurs
15.09.2025

Subventionen statt Innovation: Während China den Markt dominiert, setzt die EU auf Elektroautos um jeden Preis. Für Autofahrer und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Apothekennetz schrumpft - Branche verlangt Reform
15.09.2025

In Deutschland schließen immer mehr Apotheken: Allein im ersten Halbjahr sank die Zahl der Standorte um 238 auf 16.803. Damit hat in den...

DWN
Technologie
Technologie Klage gegen Google: Streit um KI-Zusammenfassungen
15.09.2025

Der US-Medienkonzern Penske Media, zu dem Titel wie Rolling Stone und Hollywood Reporter gehören, hat Google wegen seiner neuen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Handel und Öl: China droht nach Trumps Vorstoß
15.09.2025

Nach den jüngsten Forderungen von Ex-US-Präsident Donald Trump an die Nato-Partner, hohe Zölle auf chinesische Waren zu erheben und den...

DWN
Finanzen
Finanzen Wall Street: Zeit für Gewinnmitnahmen und ein Dämpfer für Bitcoin
15.09.2025

Rekorde an der Wall Street, Warnungen vor Rezession und ein Rückschlag für Bitcoin: Anleger fragen sich, ob jetzt die Zeit für...

DWN
Politik
Politik Hybrider Krieg: Moskau intensiviert Angriffe auf Europa
15.09.2025

Russische Drohnen über Polen, Drohungen gegen die NATO: Moskau intensiviert seinen hybriden Krieg. Für Deutschland wächst der Druck,...