Politik

China gerät in Libyen an seine politischen und militärischen Grenzen

Lesezeit: 2 min
11.07.2020 11:30
China hatte vor dem Sturz des libyschen Präsidenten Muammar al-Gaddafi sehr gute Beziehungen zu Libyen. Ob China seine Interessen in dem Konflikt-Land auch weiterhin durchsetzen kann, ist ungewiss.
China gerät in Libyen an seine politischen und militärischen Grenzen
Ein am 21. August 2013 zur Verfügung gestelltes Bild zeigt eine allgemeine Ansicht von Pipelines und Öllagertanks im Ölseehafen Hariga in der Stadt Tobruk. (Foto: dpa)
Foto: Str

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

China war gegen die im Jahr 2011 durchgeführt Nato-Intervention in Libyen. Trotzdem erkannte die Regierung in Peking die aktuelle Regierung Libyens, die von der UN gestützt wird, an. Einigen Analysten zufolge war dies ein Schritt zum Schutz der chinesischen wirtschaftlichen Interessen im Land. Libyen hatte vor der Intervention drei Prozent der täglichen chinesischen Ölnachfrage gedeckt.

China hat auch bedeutende Investitionen in Libyen getätigt, wobei bis 2013 etwa 14,2 Milliarden US-Dollar investiert wurden. Die Sicherheit dieser Vermögenswerte steht dem „Silkroad Briefing“ zufolge nun ernsthaft in Frage. China hat bereits in Erwägung gezogen, eine Friedensmission unter Einsatz von chinesischen Truppen durchzuführen. Doch dieser Ansatz wurde bisher nicht umgesetzt.

Sollte in Libyen ein Frieden zwischen den sich bekämpfenden Fraktionen eintreten, benötigt das Land mindestens 100 Milliarden US-Dollar an Infrastruktur-Investitionen. An diesem Bedarf könnte die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIB) mitwirken, damit China auch seine künftige Energiezufuhr aus Libyen sichern kann. Allerdings konnte China bisher keine konkreten wirtschaftlichen Schritte in Libyen unternehmen.

Ende Februar 2018 hatte sich der chinesische Sondergesandte Wang Qimin mit dem libyschen Außenminister Mohammed Sayala und dem Chef des Hohen Staatsrats, Abdurrahman Swehli, in Tripolis getroffen. Wang sagte, das Treffen habe sich mit der „politischen Situation des Landes und der Wichtigkeit des Engagements für den von der UNO vorgeschlagenen Aktionsplan zur Lösung der libyschen Krise“ befasst. „Unser Treffen bezog sich auch auf Chinas Rolle bei der Entwicklung und Verbesserung der libyschen Wirtschaft“, zitiert die Nachrichtenagentur Xinhua Wang.

Es sei auch diskutiert worden, wie angemessene Sicherheitsbedingungen geschaffen werden könnten, um die Rückkehr von chinesischen Unternehmen zu fördern, damit Projekte in Libyen abgeschlossen werden können. Die diplomatischen Bemühungen Pekings blieben erfolglos.

Unter dem Gaddafi-Regime war China an verschiedenen Infrastruktur-Aktivitäten beteiligt, und Libyen sandte im Gegenzug beträchtliches Kapital nach China. Bis 2011 hatte China 75 Unternehmen, die in Libyen Geschäfte im Wert von rund 18,8 Milliarden US-Dollar abwickelten, berichtet Lawfare. An diesen Aktivitäten waren 36.000 chinesische Arbeiter beteiligt, die an 50 Projekten arbeiteten - von Wohn- und Eisenbahnbau bis hin zu Telekommunikations- und Wasserkraftunternehmen. Alle staatlichen Top-Ölfirmen Chinas - CNPC, Sinopec Group und CNOOC - hatten ständige Infrastruktur-Projekte in Libyen.

China hat schlechte Karten

Obwohl viele chinesische Projekte in Libyen ausgesetzt wurden und der bilaterale Handel zwischen den beiden Ländern um mehr als 57 Prozent zurückging, verhielt sich Peking im Verlauf des Konflikts zwischen der Regierung in Tripolis und dem Söldner-General Chalifa Haftar relativ zurückhaltend. Für China ist die libysche Regierung eigentlich ein attraktiver Partner, da sie die Notenbank kontrolliert und die Befugnis hat, öffentliche Aufträge zu vergeben.

Allerdings hat sich die Regierung in Tripolis mittlerweile sehr stark der Türkei zugewandt. Mit der Türkei fand auch die USA einen direkten Zugang nach Libyen. In den vergangenen Wochen hat es Geheimverhandlungen zwischen den USA, Russland und der Türkei gegeben. Die Verhandlungen zielten darauf ab, die Zukunft Libyens zu gestalten, zumal die Söldner-Truppen Haftars zurückgedrängt wurden. China spielt mittlerweile politisch kaum noch eine Rolle in Libyen.

Ägypten gehört in die Reihe jener Länder, die die offizielle Regierung in Tripolis stürzen möchte. Kairo erhofft sich deshalb Unterstützung von China, berichtet Egypt Today. Doch Peking wird weiterhin vorsichtig agieren, um zwischen den Konfliktparteien in Libyen einen Balanceakt zu wagen.

Einer Analyse des privaten US-Informationsdiensts Stratfor zufolge geht es beim Stellvertreterkrieg in Libyen um die Kontrolle der Ölfelder und Pipelinerouten. Aktuell rivalisieren folgende Energiekonzerne in Libyen: ENI (Italien), Total SA (Frankreich), Repsol YPF (Spanien), Waha Oil Co. (Ein US-Joint Venture), BP (Großbritannien), ExxonMobil (USA), Statoil (Norwegen), Royal Dutch/Shell (Niederlande/Großbritannien), Gazprom (Russland), Rosneft (Russland) und RWE (Deutschland).


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...