Weltwirtschaft

Verrückte Ideen, knallhartes Kalkül: Wie ein Mann unsere Lebensweise verändert - und dabei zum Super-Milliardär aufsteigt

Lesezeit: 6 min
24.01.2021 09:22  Aktualisiert: 24.01.2021 09:22
DWN-Kolumnist Ernst Wolff zeichnet den Weg eines Mannes nach, der es ganz nach oben gebracht hat. Dank ungezügelter Fantasie, brachialer Rücksichtslosigkeit - und einem völlig aus den Fugen geratenen Finanzsystem.
Verrückte Ideen, knallhartes Kalkül: Wie ein Mann unsere Lebensweise verändert - und dabei zum Super-Milliardär aufsteigt
Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. (Foto: dpa)

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Tesla-Gründer Elon Musk ist seit Anfang Januar 2021 nicht nur der erfolgreichste Investor, sondern auch der reichste Mensch der Welt. Nach Angaben des US-Magazins Forbes belief sich sein Vermögen am 7. Januar 2021 auf 185 Milliarden US-Dollar. Damit verwies Musk Amazon-Gründer Jeff Bezos und Microsoft-Gründer Bill Gates auf die Plätze zwei und drei.

Bemerkenswerter als die Höhe seines Vermögens ist das Tempo, in dem es sich in den vergangenen 12 Monaten vermehrt hat. Allein im Pandemie-Jahr 2020 ist Musk um sagenhafte 140 Milliarden Dollar reicher geworden und hat damit einen in der Geschichte der Menschheit einmaligen Rekord aufgestellt. Noch erstaunlicher ist die Geschichte seines Aufstiegs, die nicht nur viel über Musks Persönlichkeit, sondern auch einiges über die dramatischen Veränderungen verrät, die die Welt der Wirtschaft in den vergangenen dreißig Jahren durchlebt hat.

Elite-Uni? Nein danke!

1971 in Südafrika geboren, begann Elon Musk bereits als Kind, sich für Computer zu interessieren. Im Alter von zwölf Jahren entwickelte er sein erstes Videospiel, das er für 500 US-Dollar an eine Computerzeitschrift verkaufte.

Um sich dem Wehrdienst in Südafrika zu entziehen, wanderte er mit siebzehn zusammen mit seinem älteren Bruder nach Kanada aus, von wo aus er ein Jahr später in die USA übersiedelte. Nach dem Studium der Volkswirtschaft und der Physik an der University of Pennsylvania wechselte er 1995 an die berühmte Stanford University, brach sein Studium aber schon in der ersten Woche ab.

Statt akademische Ehren anzustreben, gründete er mit seinem Bruder sein erstes Unternehmen. Zip2 war ein interaktives Firmenverzeichnis, mit dem Restaurants, Kleidungsläden, Frisöre und andere Kleinunternehmen im Netz auf sich aufmerksam machen konnten – im Grunde eine vorweggenommene Mischung aus Google und Yelp.

Der Verkauf von Zip2 an den Computerhersteller Compaq brachte Musk 1999 im Alter von 28 Jahren 22 Millionen Dollar ein. Einen großen Teil der Summe nutzte er als Startkapital für sein nächstes Projekt X-com. Diesmal bestand das Ziel darin, eine Online-Bank aufzubauen und das Internet als Plattform für Finanz-Transaktionen zu nutzen.

Nur vier Monate nach der Gründung fusionierte Musk X-com mit dem Konkurrenten Confinity, das den Bezahldienst PayPal entwickelt hatte. Der Schachzug sollte sich auszahlen: Die Zahl der User stieg innerhalb von weniger als zwei Jahren auf 12 Millionen an. Als die Verkaufsplattform Ebay PayPal 2002 übernahm, strich Musk als größter Anteilseigner 165 Millionen Dollar ein.

Aufbruch in den Weltraum – mit Hintergedanken

Gleich nach dem Verkauf von PayPal startete Musk 2002 mit SpaceX sein nächstes Unternehmen. Diesmal ging es nicht darum, unter Ausnutzung der Digitalisierung etwas Neues zu schaffen, sondern darum, die Kosten des Weltraumtransports zu senken. Auf diese Weise wollte Musk es möglich machen, Menschen auf anderen Himmelskörpern – insbesondere dem Mars – anzusiedeln.

Der Griff nach den Sternen wurde zur nächsten Erfolgsgeschichte: SpaceX brachte es innerhalb von 15 Jahren zum weltweit führenden kommerziellen Anbieter von orbitalen Raketenstarts, insbesondere für den Transport von Satelliten in eine Erdumlaufbahn. Ab 2012 übernahm es die Versorgung der Raumstation ISS und schuf gleichzeitig die Grundlage für ein weiteres Projekt, das 2015 unter dem Namen Starlink lanciert wurde.

Bei Starlink geht es um die weltweite Versorgung ländlicher Gebiete mit kostengünstigem Internetzugang via Satelliten. Mit rund 900 Starlink-Satelliten im Erdorbit ist SpaceX zurzeit der mit Abstand größte kommerzielle Satellitenbetreiber. Inzwischen hat die US-Kommunikationsbehörde SpaceX gestattet, weitere 12.000 Starlink-Satelliten aufsteigen zu lassen.

Das ist mehr als das Fünffache der Gesamtzahl aller seit 1957 gestarteten Satelliten, aber noch lange nicht das Ende des Projektes: SpaceX hat bei einer internationalen Funkfrequenz-Regulierungsbehörde die Genehmigung für bis zu 30.000 zusätzliche Satelliten beantragt, die bis 2026/27 in Umlauf gebracht werden sollen.

Tesla – die größte Auto-Erfolgsgeschichte aller Zeiten

Im Frühjahr 2004 investierte Musk 27 Millionen Dollar in den Fahrzeughersteller Tesla, der auf die Produktion von Elektroautos und mittlerweile auch auf autonomes Fahren spezialisiert ist. 2008 verließen die Gründer das Unternehmen und Musk übernahm den Posten des CEO. Im Juni 2010 brachte er Tesla zu einem Preis von 17 Dollar pro Aktie an die Börse.

Damit begann ein Siegeszug, der im vergangenen Jahr seinen Höhepunkt fand. Allein 2020 legte die Aktie um 770 Prozent zu und sorgte dafür, dass Tesla zum Jahresende mehr wert war als General Motors, Ford, Renault, Peugeot, Fiat, Hyundai, Honda und Nissan zusammen. Die Preisexplosion trug auch entscheidend dazu bei, dass Elon Musk, der 21 Prozent der Tesla-Aktien hält, Jeff Bezos als reichsten Mann der Welt ablösen konnte.

Teslas atemberaubender Aufstieg gibt auch einen Einblick in Musks strategisches Denken als Unternehmer: Es geht ihm nicht darum, im Wettbewerb ständig vorn zu sein, sondern unter Inkaufnahme von Rückschlägen und zum Teil enormen finanziellen Verlusten ein Fernziel anzusteuern und das heißt: den Markt beherrschen, um schlussendlich eine globale Monopolstellung zu erlangen. Das wiederum wird durch das unaufhaltsame Wachsen des Finanzsektors begünstigt: Großinvestoren sind auf Grund der von den Zentralbanken vorgenommenen riesigen Geld-Injektionen immer häufiger bereit, sehr hohe Summen zu riskieren und lange Durststrecken in Kauf zu nehmen.

Unternehmensgründungen am Fließband

2006 stieg Musk als Investor in das von seinen Cousins gegründete Unternehmen SolarCity ein, das Solarstromanlagen konzipiert, vertreibt, installiert und auf Wunsch auch finanziert, vermietet und betreibt. Das Unternehmen, das in den Bereichen Stromerzeugung und Stromspeicherung mit Tesla und SpaceX zusammenarbeitet, hat es inzwischen ebenfalls zum Marktführer gebracht.

2013 gründete Musk zusammen mit Google-Chef Larry Page das Unternehmen Hyperloop. Es entwickelt Transportkapseln, die durch Druckluftröhren schießen und Menschen und Güter schneller und kostengünstiger als Flugzeug oder Bahn ans Ziel bringen sollen. Inzwischen arbeiten ein Dutzend Ingenieure von Tesla und SpaceX zusammen mit vier weiteren Unternehmen an der Umsetzung des Konzepts.

2015 folgte der Einstieg in ein weiteres Unternehmen. OpenAI (AI = Artificial Intelligence, zu deutsch: Künstliche Intelligenz) hat sich die Erforschung Künstlicher Intelligenz zum Ziel gesetzt. Größte Geldgeber waren Microsoft und Elon Musk, der jedoch auf Grund von Interessenskonflikten 2019 wieder ausstieg.

2016 gründete Musk mit acht Partnern zusammen Neuralink, ein Neurotechnologe-Unternehmen, das Möglichkeiten zur Vernetzung des menschlichen Gehirns mit Maschinen untersucht. Ziel ist die Entwicklung einer Schnittstelle zwischen dem menschlichen Gehirn und Computern, ein sogenanntes „Brain-Computer-Interface“ (BCI). Langfristig soll der menschliche Geist durch die Verschmelzung von Körper und Computertechnik in die Lage versetzt werden, neue Horizonte zu erschließen.

Ebenfalls 2016 gründete Musk The Boring Company. Das Unternehmen soll den innerstädtischen Verkehr mithilfe eines Tunnelsystems unter die Erde verlegen. Zunächst ist ein Hochgeschwindigkeits-Tunnelsystem im Raum Los Angeles geplant, an das auch die benachbarten Städte angeschlossen werden sollen. Später sollen Hyperloop-Tunnelverbindungen zwischen New York, Philadelphia, Baltimore und Washington, D.C., hinzukommen.

Den vorläufigen Schlusspunkt unter seine Unternehmensgründungen oder -finanzierungen setzte Musk 2018 mit Thud, einem Medienunternehmen, das im Bereich Comedy tätig werden und sich vor allem an ein junges, Satire-orientiertes Publikum wenden soll.

Elon Musk: Genie, eiskalter Zyniker oder beides?

Elon Musk besticht zweifellos durch außergewöhnliche Fähigkeiten. Zum einen als Visionär und Erfinder, der früher als die meisten die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung erkannt, sie mit seiner Phantasie umgesetzt und dadurch zum Leben erweckt hat. Zum anderen als Unternehmer, der nicht nur träumt, sondern auch handelt und selbst die allerkühnsten Visionen verwirklicht. Diese Eigenschaften und sein gigantischer Erfolg haben ihn vor allem unter jungen Menschen zu einer Art Ikone unserer Zeit gemacht.

Allerdings hat die Geldschwemme der letzten Jahre auch entscheidend zu seinem Erfolg beigetragen. Besonders deutlich wird das durch einen Blick auf das vergangene Jahr, in dem Millionen von vor allem jungen Menschen, bedingt durch Jobverlust und Arbeitslosigkeit, begonnen haben, mit ihren Smartphones zu traden.

Allein die Plattform „Robinhood“ hat mittlerweile 15 Millionen Nutzer. In den Jahren ihres Lebens, die sie bewusst erlebt haben, stiegen die Aktienkurse fast immer – also wagen die jungen Frauen und Männer es, ohne jegliche Vorkenntnisse in großen Scharen einsteigen, allein 2020 mit über einer Billion Dollar. Für sie ist Elon Musk ein Idol, dem sie blind vertrauen. Das zeigte sich mit großer Deutlichkeit, als ein Tweet von Musk von ihnen falsch verstanden wurde und dazu führte, dass der Kurs einer weitgehend unbekannten medizintechnischen Firma sich in kürzester Zeit verdreiundzwanzigfachte.

Die unglaubliche Macht, die Musk auf Grund seines gewaltigen Vermögens und seinem Firmen-Imperium in Händen hält, birgt aber noch eine andere Gefahr, die sein Werdegang deutlich gemacht hat: Musk kennt bei der Anwendung technischer Möglichkeiten keine Grenzen, und das, obwohl er die Künstliche Intelligenz als die für die Menschheit größte Bedrohung ansieht und in einer TV-Dokumentation („Do you trust this computer?“, zu Deutsch: „Vertrauen Sie diesem Computer?“) davor gewarnt hat, dass durch Künstliche Intelligenz ein „unsterblicher Diktator“ geschaffen werden könne.

Wie er diese Einstellung damit vereinbaren kann, über seine Firma Neuralink daran zu arbeiten, menschliche Gehirne mit einer durch Künstliche Intelligenz angereicherten Hirncloud zu vernetzen und sich so den nahezu unbegrenzten Zugriff auf das Innerste der individuellen Persönlichkeit zu verschaffen, ist schwer zu verstehen und im Grunde nur durch eine kühl kalkulierende und zynische Lebenseinstellung zu erklären. Dass diese Vermutung nicht ganz unberechtigt ist, zeigt auch der Name seines im Mai 2020 geborenen Kindes. Musk und seine Frau (die kanadische Sängerin „Grimes“, bürgerlicher Name Claire Elise Boucher) entschieden sich allen Ernstes für „X Æ A-12“.

                                                                            ***

Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.


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