Top-Notenbanker auf beiden Seiten des Atlantiks halten derzeit kein schnelles Vorpreschen bei der Einführung von digitalen Versionen ihrer Währungen für erforderlich. Die US-Notenbank Federal Reserve sei noch nicht einmal in einer Phase der „Entscheidungsfindung“, betonte Fed-Chef Jerome Powell am Montag auf einer Online-Diskussionsrunde der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Es sei „keine Eile geboten“ und die USA müssten nicht vorangehen. Voraussetzung sei auch, dass das Parlament grünes Licht gebe, sagte Powell: „Wir würden nicht ohne Unterstützung des Kongresses voranschreiten.“
Die US-Notenbank werde alle Schritte sorgfältig und mit Transparenz angehen. Doch sei schon klar, dass die Fed bei Finanzierungsfragen nicht in Konkurrenz zur Bankenbranche treten wolle. Das funktionierende Finanzsystem dürfe nicht destabilisiert werden. Die Fed lotet derzeit in einer Kooperation mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) Grenzen und Möglichkeiten von digitalen Währungen aus. Im Zusammenhang mit Kryptowährungen sagte Powell nach Angaben von „CNBC“: „Sie sind sehr volatil und daher keine wirklich nützlichen Wertspeicher und werden von nichts unterstützt. Sie sind eher ein spekulativer Vermögenswert, der im Wesentlichen Gold ersetzt und nicht den Dollar.“
Powell ist bekannt als Gegner von dezentralen Kryptowährungen. Doch Powells Ausführungen sind mit Vorsicht zu genießen. Wie schnell es zur Einführung von digitalen Zentralbankwährungen (CBDCs) kommt, bestimmen schließlich externe Faktoren. Entscheidend sind dabei jene Faktoren, die sich auf den Finanzmärkten abspielen. Wenn beispielsweise das aktuelle Fiat-Geldsystem in einem großen Crash weitgehend einkrachen würde, würde dies auch die Einführung von CBDCs beschleunigen. Im Rahmen eines derartigen Szenarios müssten die Fed und alle anderen Zentralbanken möglichst schnell reagieren. Es wird immer ein Schlüsselereignis benötigt, um ein neues Finanzsystem zu implementieren. Im Falle der Einführung von CBDCs müsste dies ein Crash an den Börsen und Finanzmärkten sein. Zudem wird auf den richtigen Moment gewartet, um Bitcoin & Co. komplett zu eliminieren.
Die Diskussion um die Einführung von CBDCs hat angesichts der zunehmenden Digitalisierung im Zahlungsverkehr zuletzt an Tempo gewonnen, so „Bloomberg“. Dabei geht es eben auch darum, nicht den Anschluss zu verlieren an privatwirtschaftliche Vorstöße wie die geplante Cyber-Währung Diem von Facebook. Insbesondere das Facebook-Projekt hatte Regierungen, Aufseher und Zentralbanken weltweit auf den Plan gerufen.
Bundesbank-Chef Jens Weidmann sagte in der Diskussionsrunde, ein Zeithorizont von zwei bis drei Jahren für die Einführung eines digitalen Euro sei „sicherlich zu kurz“. Die Nutzung von Bargeld gehe aber zurück. Daher sei es wichtig zu überlegen, ob da nicht CBDCs einspringen sollen. Es gebe allerdings auch andere Wege, die Bedürfnisse von Verbrauchern und Unternehmen abzudecken als digitales Zentralbankgeld. „Es gibt keine Eile oder Dringlichkeit für die Einführung von CBDC“, sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB).
Die EZB ist bei dem Thema insgesamt aber bereits deutlich weiter als die US-Notenbank. So wollen die Euro-Wächter um die Mitte dieses Jahres herum entscheiden, ob ein formelles Projekt gestartet werden solle. Falls grünes Licht erfolgt, würden dann in einer Untersuchungsphase von etwa zwei Jahren zunächst die künftigen Kerneigenschaften eines digitalen Euro festgelegt, wie Notenbank-Direktor Fabio Panetta vergangene Woche sagte. Sollte danach entschieden werden voranzuschreiten werde die Umsetzung noch etwa zwei bis drei Jahre benötigen. Erst am Ende werde die EZB in der Lage sein, einen digitalen Euro einzuführen.
China ist bei dem Thema Digitalwährung der Vorreiter unter den großen Ländern und Währungsregionen. Die Volksrepublik arbeitet schon seit längerer Zeit an einem digitalen Yuan und hat bereits großangelegte Probeläufe gestartet. Im vergangenen Jahr waren die Bahamas weltweit das erste Land, das mit dem „Sand Dollar“ eine digitale Version seiner Landeswährung eingeführt hat (HIER).
Im November 2020 wurde darüber spekuliert, ob die USA zu Beginn des aktuellen Jahres möglicherweise eine digitale Zentralbankwährung einführen. Denn am 23. März 2020 wurde ein Gesetzesvorschlag in den US-Kongress eingebracht, wonach jedem US-Bürger ab dem 1. Januar 2021 ein digitales Zentralbankkonto zur Verfügung gestellt werden soll.
Dazu schreibt der Analyst Ernst Wolff: „Zwar ist das Gesetz noch nicht verabschiedet worden, aber man sollte sich in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass das Gesetz zur Einführung der FED am 23. Dezember 1912, also geschicktermaßen direkt vor Weihnachten, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt angenommen wurde.“
Die technische Infrastruktur für die Einführung digitaler Zentralbankwährungen scheint in jedem Fall - auch dank dem globalen Zahlungsdienst PayPal - schon bereit zu stehen. Und was in den USA möglich ist, das geht offensichtlich auch in Europa und in Deutschland. Die Tage des physischen Bargelds, das bisher noch ein Mindestmaß an finanzieller Freiheit ermöglicht hat, sind nach Wunsch der umstrittenen Notenbanker offenbar gezählt. Dabei ist völlig unerheblich, welche taktischen Äußerungen sie tätigen, um die Bürger in falscher Sicherheit zu wiegen.